Bis Silvester will Herbert Kickl (FPÖ) einen Kompromiss ausloten.

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Brüssel/Wien – Der Plan der EU-Kommission, bis 2020 die EU-Grenzschutzagentur Frontex auf 10.000 Mann aufzustocken, gerät ins Trudeln. Unterdessen beschlossen die EU-Innenminister am Donnerstag unter österreichischem Vorsitz eine Ausweitung der Befugnisse: Künftig kann Frontex auch gemeinsame Einsätze mit Staaten außerhalb Europas durchführen.

"Wir haben gesehen in den Gesprächen bisher, dass die Vorgabe der EU-Kommission mit fixen Zahlen bis 2020 eigentlich die Dimension des Machbaren sprengt", sagte der amtierende EU-Ratsvorsitzende und Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) in Brüssel. "Deswegen sind wir jetzt dabei, entsprechende Kompromisse auszuloten, und wir werden versuchen, bis zum 31. 12. auch noch zu einem Ergebnis zu kommen", sagte Kickl. 10.000 Mann sei "eine gute Zahl", die Frage sei aber in welchem Zeitraum und wie sie sich zusammensetze.

Mitgliedsstaaten nicht überfordern

Es sei wichtig, die EU-Mitgliedsstaaten nicht zu überfordern, alles brauche einen ziemlichen Vorlauf. Frontex brauche Schlagkraft und personelle Stärke. Die Intensivierung des Außengrenzschutzes dürfe aber nicht dazu führen, dass Kapazitäten in anderen Bereichen verloren gingen. "Das ist eine Loch-Auf-Loch-Zu-Politik. Das ist nicht vernünftig", so der Innenminister.

Die EU-Minister beschlossen, dass Frontex künftig gemeinsame Einsätze mit Drittstaaten durchführen kann. Bisher arbeitet die EU-Grenzschutzagentur nur mit Staaten am Balkan zusammen, in Zukunft könnte sie auch in Afrika aktiv werden. Außerdem beschloss der EU-Innenministerrat eine stärkere Rolle von Frontex bei Rückführungen illegaler Einwanderer.

Seehofer will Aufstockung

EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos hält den Frontex-Aufstockungsplan auf 10.000 Mann bis 2020 nach wie vor für realistisch, dazu brauche es aber verantwortungsvolle EU-Mitgliedstaaten. Wenn die EU einen wirklichen Grenzschutz wolle, brauche sie Leute, Ausrüstung und Geld. "Dies sind die Bestandteile unseres Erfolgs." Ein fixe Truppe von "10.000 Leuten ist, was wir brauchen". Auch das Zieldatum 2020 sei noch möglich. "Es hängt von unserem politischen Willen und der Entschlossenheit ab."

Der deutsche Innenminister Horst Seehofer will eine Aufstockung der EU-Grenzschutzagentur Frontex zum besseren Schutz der Außengrenzen "so schnell wie möglich" sehen. Andernfalls könnte Deutschland seine Kontrollen an der Schengen-Grenze zu Österreich nicht beenden.

Seehofer sagte, ihm gefalle die Zahl von 10.000 Grenzschützern, man müsse nun sehen, in welchen Etappen dies zu erreichen sei. Über einen deutschen Personalbeitrag zu Frontex wollte Seehofer nicht öffentlich spekulieren und diskutieren. Die EU sollte aber "den Mut zu einer großen Lösung haben". Gleichzeitig dürfe man "nichts Utopisches versprechen". Die Menschen würden einen funktionierenden EU-Außengrenzschutz erwarten.

Kickl: Anti-Schlepper-Paket

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte den im September vorgelegten Plan der EU-Kommission zur Frontex-Aufstockung ebenfalls unterstützt und auf eine Einigung der EU-Staaten bis Jahresende gehofft. Neben der Rekrutierung des Personals bremsen aber auch Souveränitäts-Bedenken einzelner EU-Staaten die geplante Aufstockung von Frontex.

Kickl betonte, beim letzten EU-Innenministerrat unter österreichischer EU-Ratspräsidentschaft würden dennoch essenzielle Beschlüsse für die Sicherheit erfolgen: So werde es auch eine Einigung im Kampf gegen terroristische Online-Inhalte und auf ein Anti-Schlepper-Paket geben, das die Schlepper weiter zurückdrängen werde. "Ich denke, dass das Sterben im Mittelmeer ein Ende haben muss." Außerdem werde der Rat eine Erklärung zum Schutz jüdischer Gemeinden in Europa verabschieden. Dies sei ein "massiver Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit unserer jüdischen Mitbürger".

"Paradigmenwechsel" in Asylpolitik

Die EU-Innenminister befassen sich auch mit der stockenden Dublin-Reform, welche die Zuständigkeiten der EU-Staaten bei Asylverfahren neu regeln soll. Kickl sagte, Österreich werde einen Kompromiss auf den Tisch legen, "wo wir davon wegkommen, die große Zauberformel zu finden". Es gehe vielmehr darum, maßgeschneiderte Lösungen mit Grenzschutz, internen und externen Komponenten auf den Weg zu bringen. Insgesamt gebe es "ein großes Umdenken in den Köpfen", sagte Kickl. Es gebe einen "Paradigmenwechsel" in der europäischen Asylpolitik. Das bisherige Dublin-Abkommen der EU besagt u.a., dass in der Regel jener Staat für einen Migranten zuständig ist, in dem er zuerst den Boden der EU betritt.

Seehofer betonte, er hätte am liebsten, wenn es zu einer gemeinsamen europäischen Asylpolitik komme. Wenn dies nicht möglich sei, wäre es besser, nur Teile zu erreichen, als überhaupt keinen Fortschritt zu haben. (APA, 6.12.2018)