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Viola Amherd (links) und Karin Keller-Sutter (rechts) halten bei ihrer Vereidigung drei Schwurfinger empor.

Foto: Peter Schneider/Pool via REUTERS

Mit viel gutem Willen kann man tatsächlich von einem historischen Tag sprechen: Erstmals überhaupt wurden an einem Tag gleich zwei Frauen in den siebenköpfigen Bundesrat gewählt, die Liberale Karin Keller-Sutter und die Christdemokratin Viola Amherd. Parteipolitisch ändert sich aber nichts: Weiterhin werden je zwei Vertreter von Sozialdemokraten, Liberalen und SVP sowie eine Vertreterin der Christdemokraten als Ministerinnen und Minister regieren.

Amherd folgt auf die langjährige Infrastruktur- und Kommunikationsministerin Doris Leuthard; Keller-Sutter wird Nachfolgerin von Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann, der ihr vor acht Jahren vorgezogen wurde, als sie bereits einmal kandidiert hatte. Im 246-köpfigen Parlament stimmten 154 Abgeordnete für Keller-Sutter; Amherd erhielt 146 Stimmen.

Rechtsruck und Blockade

Der Bundesrat ist mit der Wahl des Rechtsliberalen Ignazio Cassis vor einem Jahr nach rechts gerückt; seither sind wichtige Entscheide wie etwa die Europapolitik blockiert. Das von Außenminister Cassis und seinen Diplomaten ausgehandelte Rahmenabkommen, das die künftigen Beziehungen mit der EU regeln soll, ist nicht mehrheitsfähig; den SVP-Vertretern geht die geplante Anlehnung an die EU zu weit, und dass Wirtschaftsminister Schneider-Ammann den Schweizer Lohnschutz zur Disposition stellte, um das Abkommen zu retten, sorgte für Ablehnung von links.

Den beiden Neuen wird zugetraut, dass sie Sachpolitik vor Partei-Ideologie stellen und mehrheitsfähige Kompromisslösungen herbeiführen können. Beide sind als langjährige Abgeordnete in Bern gut vernetzt und über die Parteigrenzen hinaus geschätzt.

Brückenbauerin, aber Frauenquotengegnerin

Insbesondere Karin Keller-Sutter könnte im Bundesrat eine starke Rolle spielen; mit ihrem Kommunikationstalent als gelernte Konferenzdolmetscherin und Übersetzerin ist die 54-Jährige aus dem Ostschweizer Kanton St. Gallen prädestiniert dafür, Brücken zu bauen. Als Liberale setzte sie sich etwa für flexiblere Arbeitszeitregelungen, für niedrigere Steuern und gegen Frauenquoten in Unternehmensleitungen ein, zeigte aber auch Verständnis für gewerkschaftliche Anliegen wie den Schutz der Schweizer Löhne und Arbeitsbedingungen gegenüber der europäischen Konkurrenz. Und als Justizdirektorin in St. Gallen ließ sie nicht nur gegen Fußballhooligans hart durchgreifen, sondern auch gegen häusliche Gewalt.

Viele Frauen in der Schweiz verbinden mit der Wahl die Hoffnung, dass es nun auch mit Frauenanliegen vorwärtsgehen könnte. Immerhin besetzen sie nun mit Amherd, Keller-Sutter und der sozialdemokratischen Justizministerin Simonetta Sommaruga drei von sieben Sitzen in der Schweizer Regierung. "Angesichts der Untervertretung von Frauen in politischen Ämtern ist die problemlose Wahl von Amherd und Keller-Sutter ein ermutigendes Zeichen", kommentierte denn auch der "Tages-Anzeiger" online. "Der heutige Tag wird ins Wahljahr 2019 ausstrahlen und zusätzliche Frauen für ein politisches Engagement motivieren." (Klaus Bonanomi aus Bern, 5.12.2018)