Wo ist die Fürsorge, wenn man sie braucht? Die muss es doch auch in der Schweiz geben? Das ist man versucht zu fragen, wenn man die Auftritte von Christina Meier aka Christina von Dreien erlebt. Die 17-jährige Schweizerin mimt seit gut einem Jahr den Jungstar der Spiritualität. Die interessierte Szene ist hin und weg von der Weisheit des Mädchens, den seherischen Fähigkeiten, dem Kontakt zum Jenseits. Wer genauer hinsieht, erlebt einen Teenager, der knallhart zu einer Lolita der Schwurbelei getrimmt wurde.
Auf dem Sofa in einer esoterischen TV-Sendung
Der Teenager verbringt ihre Freizeit seit gut einem Jahr auf einem Sofa im Studios des privaten Senders "Schweiz 5" und lässt sich vom 62-jährigen Deutschen Norbert Brakenwagen in der Esoterikschiene "time to be" interviewen. Das ergibt kein schönes Bild. Ein Schweizer Blatt beschreibt Brakenwagen als "eine Mischung aus Verpackungskünstler, billigem Jakob und Phrasendrescher."
Von Dreien wirkt, als wäre sie schüchtern, hat den Blick stets etwas gesenkt und die Augen halb geschlossen, als würde alleine sie vom Licht der geistigen Welt geblendet. Sie vermittelt den Eindruck, als könne sie nicht weiter als bis drei zählen. Und weiter zählen muss sie auch nicht.
Der Interviewpartner macht einen auf spirituell nicht ganz so fitten Onkel, ist aber geschult in der Abfrage von esoterischen Banalitäten. Von Dreien ist dagegen gut geschult im Ausplaudern von esoterischen Banalitäten. Je banaler, desto eher quietscht das Publikums betört. Die Youtube-Clips erreichen hunderttausende Seher. Ein Gemenge aus den Begriffen Liebe, Seele, Schwingungen, Herz, Information, Friede und Glück wird stets neu gemischt und zu einem Einhorn-Beuschel verkocht, um das sich das Publikum in langen Reihen anzustellen gewillt ist.
Das tut weh beim Zuhören
Von Dreien antwortet auf die Frage, ob wir erwarten, dass uns jemand glücklich macht: "Das ist, wie wenn wir die Verantwortung für unser Glücklichsein auf eine Person übertragen und sagen, wenn du das bist, bin ich glücklich. Dabei haben wir die Verantwortung, ob wir glücklich sind oder nicht."
Brakenwagen kontert: "Bei mir steht in einer Linie das Wort Selbstliebe. Wenn ich aus der Selbstliebe agiere, kann ich gar nicht anders als glücklich sein." Von Dreien: "Ja das ist wieder das, was wir Innen haben, das strahlen wir mit unserer Schwingung in die Welt hinaus, und was wir an Schwingung haben, unsere Schwingung besteht ja aus verschiedenen Teilen, Emotionen, Gedanken. Diese Dinge setzen sich zusammen und bilden unsere Schwingung und die senden wir aus. Also enthält die ganze Schwingung Informationspunkte (...) und die schwemmen wir in die Welt hinaus und die ganze Welt ist ein Paradies voller Möglichkeiten.“
Die Mutter will ihr Buch verkaufen
Für den geübten Beobachter besteht freilich die Möglichkeit, dass die junge Frau von ihrer Mutter Bernadette von Dreien weniger mit Schwingung, denn mit knallharter Kalkulation durch die Welt und zu Brakenwagen auf die Couch geschickt wird. Ihr mittlerweile zweibändiger Schmöker, "Christina – Zwillinge als Licht geboren" und "Christina – Vision des Guten", erzählt die Geschichte ihrer angeblich erleuchteten Tochter und will schließlich verkauft werden. Das ist eine klare Nicht-Kauf-Empfehlung. Vielleicht erhält die junge Frau noch eine Möglichkeit, ihre Jugend nachzuholen und die verlorenen Jahre als trauriges Manegen-Einhorn in einem schmuddeligen Esoterikzirkus zu vergessen. (Christian Kreil, 10.12.2018)
Leuchtende Augen-Faktor: ☆☆☆☆☆
Umtauschgefahr-Faktor: ★★★★★
Den Beschenkten verärgern-Faktor: ★★★★★
Bereits geöffnete Türchen des Adventkalenders