"Die Arbeiter kommen nicht mehr zur SPÖ zurück." Das kann man jetzt immer wieder hören, meist von Soziologen und Politologen, aber auch von Ex-SPÖ-Vorsitzenden.

Laut traut sich das fast niemand zu sagen, denn die SPÖ gilt immer noch als die Arbeiterpartei schlechthin. Was allerdings nicht mehr stimmt: Bei der letzten Wahl im Oktober 2017 wählten jene Arbeiter, die zur Wahl gingen, mit ganzen 19 Prozent (!) die SPÖ. 2013 waren es noch 24 Prozent gewesen, auch nicht mehr viel. Die FPÖ jedoch kam 2017 auf einen Anteil von 58 (!) Prozent im Wählerreservoir "Arbeiter".

Dass die SPÖ im Herbst 2017 nicht mehr verloren hat und auf rund 27 Prozent kam, liegt an den Stimmen, die sie hauptsächlich von den Grünen "geerbt" hat, das sind gebildete, städtische Wähler. Im Oktober 2017 verlor die SPÖ zwar Platz eins an die ÖVP, konnte ihren Stimmenanteil jedoch halten; ja, mit 26,9 Prozent baute sie die 26,8 Prozent von der Nationalratswahl 2013 genau genommen sogar leicht aus.

Zugelegt hat die SPÖ von 2013 auf 2017 in Städten über 100.000 Einwohnern (2013 auf 2017: von 29,3 auf 32,9 Prozent); unter Selbstständigen (!) von rund fünf Prozent auf 14 Prozent und bei Akademikern von neun auf satte 31 Prozent.

Mit einem Wort: Die SPÖ ist derzeit eine Partei von und für Pensionisten (die größte Wählergruppe) und urbane, liberale Gebildete. Die neue Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner ist geradezu die Verkörperung dieser letzten Gruppe: Akademikerin, Ärztin im öffentlichen Dienst, Erfahrung im Ausland.

Frustwinkel

Die Arbeiter sind, wie gesagt, bei der FPÖ (oder als Nichtwähler) im Frustwinkel. Eine ganze Reihe jüngerer Arbeiter hat vermutlich noch nie SPÖ gewählt. Let's face it: Ein großer Teil der Arbeiter ist rechts. In der Arbeiterklasse sind autoritäre Typen, Fremdenfeinde und Skeptiker gegenüber emanzipierten Frauen stark vertreten. Und es gibt nicht mehr so viele Arbeiter: neun Prozent. Viele dürfen gar nicht wählen, weil sie ausländische Staatsbürger sind.

Soll/kann die SPÖ daher auf die Arbeiter vergessen? Sie der FPÖ endgültig überlassen? Niemand in der SPÖ wird das laut mit Ja beantworten. Wissenschafter wie der Salzburger Reinhard Heinisch empfehlen jedoch klar eine Entscheidung für einen sozialliberalen Kurs. Der Doskozil-Kurs (Schwenk nach rechts) sei sinnlos: Eine dritte rechte, ausländerfeindliche Partei zusätzlich zu FPÖ und Türkis werde nicht gebraucht.

Heinisch meint, damit könne die SPÖ auf 30 Prozent kommen. Das ist aber noch weit entfernt von früheren Werten (letzter Höchstwert unter Vranitzky 1995 mit 38,1 Prozent). Überdies ist es eine Selbstbeschränkung, die a) Parteigranden wie Michael Ludwig nicht mitmachen wollen und die b) wahrscheinlich auch nicht richtig ist. Derzeit hat zwar die SPÖ beim Thema Migration keine überzeugende Politik. Aber das heißt nicht, dass man nicht intensivst eine suchen sollte, die der Mischung aus Bösartigkeit und Pseudolösungen, die Türkis-Blau derzeit betreibt, etwas entgegensetzt.

Fühlen sich die Arbeiter wirklich wohl mit einer FPÖ, die immer mehr in den Rechtsextremismus abrutscht (Kickl leugnet, dass Neonazis vom Verbotsgesetz betroffen sind) und die von einem elitären Klüngel, den Burschenschaften, beherrscht wird? Sagt ihnen überhaupt jemand, dass das so ist? Vielleicht sollte man einmal einfach damit anfangen. (Hans Rauscher, 30.11.2018)