Eine Hochzeit läuft aus dem Ruder: Der Bräutigam (Daniel Wagner) fällt, der Pfarrer (Heinz Weixelbraun) greift zur Waffe.

Foto: Joachim Kern

Wien – Nach 13 Minuten schon zwei Tote. Man kann nicht sagen, dass in Esteve Solers Szenenfolge Gegen die Freiheit (Contra la Llibertat) nichts los wäre. Genauer: Der katalanische Autor hat sieben Momentaufnahmen unserer Gegenwart zu Szenen verdichtet, in denen sich die Dinge eben zuspitzen. Peng, schon zieht ein Pfarrer die Knarre. Man kennt die Vorgeschichte nicht, man weiß dennoch, warum er das tut.

Der 42-jährige Autor ist hierzulande nicht bekannt, obwohl seine Texte bereits in zwanzig Sprachen übersetzt sind. Das lobenswerte, nur leider etwas überbürokratisch betitelte EU-Projekt "Fabulamundi Playwriting Europe – Beyond Borders" tut nun einiges, um europäische Theaterliteraturen einander näher bekannt zu machen. Nicht zuletzt aufgrund von Sprachbarrieren und des kostenintensiven Transfers von Produktionen bleiben Theaterstücke jenseits von Bestsellern meist eine nationale Angelegenheit.

Als einer von 15 Partnern aus zehn Ländern ist Österreich mit den Wiener Wortstaetten im Fabulamundi-Netzwerk vertreten. Bis 2020 arbeiten deren Leiter Hans Escher und Bernhard Studlar auf europäischer Ebene zusammen: Es werden Übersetzungen in Auftrag gegeben, Workshops gegeben, und es gastieren Inszenierungen. Mit über 100 teilnehmenden Autorinnen und Autoren zählt Fabulamundi zu den größten vergleichbaren Förderprojekten der Europäischen Union.

Hans Eschers Inszenierung von Gegen die Freiheit läuft im Werk X, wo die Wortstaetten infolge der amtlichen Förderabsage vorläufig Herberge gefunden haben. Auf der weiten Fläche der geradezu dramatisch leeren Bühne (Renato Uz) werden nicht mehr als ein Rollpodest und Stühle jeweils neu in Stellung gebracht. Von seinem Drum-Set aus feuert Schlagzeuger Alexander Petkov Schusslaute ab: Wenn, wie gesagt, der Pfarrer während einer Trauung ausrastet, oder wenn Scharfschützen ihren Kollegen verrecken lassen, weil sie dringend facebooken müssen.

Die ins Surreale reichenden Szenen können sich einer gewissen Plakativität nicht erwehren. Ähnlich den abgründigen Short Cuts von Neil LaBute stellen die kurzen Szenen auf einzelne Mikrokonflikte kurz scharf, um in gesellschaftliche Untiefen hineinzuleuchten: Pädophilie, Entsolidarisierung, Geschlechtergefälle, Sklaverei, Finanzkrise. Einer der heitersten Beiträge erzählt vom "selbstständigen Denken" als Krankheit, die in unseren Breiten eh schon erfolgreich ausgerottet wurde. (Margarete Affenzeller, 30.11.2018)