Einst war TTTech-Chef Georg Kopetz der Arbeitgeber von Søren Obling. Doch Letzterer wollte es genauer wissen, quittierte nach vier Jahren seinen Job und gründete Finabro, einen digitalen Finanzberater und Vermögensverwalter. Für das "Portfolio" haben sich beide an einen Tisch gesetzt und über den Alltag als Unternehmer gesprochen. Wie schwer es ist, Talente ins Land zu holen, und warum das wöchentliche Scheitern mitunter zum Berufsalltag eines Unternehmers gehört.

TTTech-Chef Georg Kopetz (links) und Finabro-Chef Søren Obling (rechts) trafen einander zum Austausch.
Foto: Christian Fischer

STANDARD: Mit Sicherheitssoftware, Technologie und digitaler Vermögensverwaltung sind Sie beide in Bereichen aktiv, die eher nach Silicon Valley klingen als nach Wien. Warum haben Sie in Wien gegründet?

Kopetz: Bei uns hat das den Hintergrund, dass die Forschungsarbeiten an der Technischen Universität Wien durchgeführt wurden. Mein Vater war dort Professor. Er hat auch in den ersten Jahren die Forschungstätigkeit im Unternehmen mitgeprägt. Daher war es klar für uns, dass wir in Wien starten. Der andere Grund war, dass ich ein großer Fan von Österreich bin. Es mangelt eher am Unternehmertum als an den Voraussetzungen für Unternehmen. Wir waren als Familie immer viel unterwegs und sind sehr weltoffen. Wichtig ist es für uns aber, global zu denken. Mit dem Internet war plötzlich eine globale Präsenz möglich, das hat uns sehr geholfen.

Obling: Ich bin Däne, habe als Student ein Erasmus-Semester in Paris gemacht, dort meine Frau kennengelernt und lebe jetzt seit zehn Jahren in Wien. Ich wollte eine Firma aufbauen und finde auch, dass man von Wien aus global aktiv sein kann. Als Start-up ist die Marktgröße auch angenehm, weil man sich eine Nische aussuchen kann, in der man schneller einen starken Platz einnehmen und groß werden kann.

STANDARD: Hightech made in Austria mussten Ihre Investoren aber erst lernen und annehmen ...

Kopetz: Absolut. Hier haben die europäischen Forschungsprojekte sehr geholfen. Wir gelten deswegen nicht nur als Spin-off der TU-Wien, sondern auch als Spin-off von europäischen Projekten und haben uns immer auch als europäisches Unternehmen gesehen. Aber auch eine europäische Technologie am Weltmarkt zu platzieren war schwierig genug. Dass Spitzentechnologie aus Europa kommt, war für Amerikaner und Asiaten nicht unbedingt deren Zugang. Es gab damals auch noch keine Start-up-Kultur. Luftfahrt und Auto waren die ersten Branchen, in denen wir aktiv waren. Die konnten damals mit den Themen Digital und Software wenig anfangen. Die größte Hürde am Anfang war die allgemeine Skepsis, ob in Europa Technologien der Zukunft entstehen können. Die Frage war immer auch, ob das Netzwerk hier groß genug ist.

"Nicht jeder Gründer ist auch ein guter Manager." Georg Kopetz
Foto: Christian Fischer

STANDARD: Bei Finabro muss man wohl eher am Vertrauen der Kunden arbeiten, oder?

Obling: Absolut. Das ist ein großes Thema. Bei uns ist das Thema Vertrauen der Investoren der leichtere Teil. Die, die bei uns an Bord sind, sind aus der Industrie. Die verstehen das Produkt und die Risiken. Wir müssen vielmehr den Konsumenten überzeugen. Denn wenn ein Start-up kommt und sagt, ich möchte gerne euer Geld verwalten, dann heißt es gleich: Wow, Achtung! Man stellt sich die berechtigte Frage, ob es uns in ein paar Jahren noch gibt. Zu erklären, dass das Geld dennoch gesichert ist, muss erst reifen.

STANDARD: Woher kam die Lust, selbst zu gründen und sich nicht anderswo einen Job zu suchen?

Kopetz: Ich bin da über meine Eltern hineingewachsen. Mein Vater hat Patente angemeldet. Die Frage war, wie man diese verwerten kann. Als ich mit dem Studium fertig war, habe ich mich erst um die kommerzielle Seite gekümmert. So ist das gewachsen. Bei den EU-Projekten war es immer so, dass man sie abschließt und die Technologie freigibt. Oder man versucht ein Produkt zu machen. Es gefällt mir, Geschäfte zu machen. Also habe ich eine Firma gegründet.

Obling: Bei mir kam die Lust zu gründen von ihm (lacht und zeigt auf Kopetz). Ich habe meinen Master in Finanzen gemacht, war dann bei einer Private-Equity-Firma und vier Jahre bei McKinsey. Dann habe ich Georg kennengelernt und bin zu TTTech gekommen. Hier habe ich gesehen, wie man etwas aufbauen kann, habe viel gelernt und ein Vorbild gefunden. In den vier Jahren bei TTTech war ich oft im Silicon Valley. Das gibt einem ein bestimmtes Mindset mit. Ich habe dann Bücher gelesen, Podcasts gehört. Das hat mir das Mindset eröffnet, dass man Themen angeht und denkt: Das kann auch besser gehen, das kann man auch anders machen.

STANDARD: Mich überrascht, dass bei Ihnen bis jetzt noch nie das Thema Bürokratie, Behörden, Standortnachteile et cetera vorgekommen ist.

Kopetz: Mich überrascht, dass Sie das überrascht. Ich glaube, es gibt kaum ein anderes Land wie Österreich, wo es so viel Unterstützung für Unternehmensgründungen gibt. Es gibt viele Institutionen, die einem wirklich helfen. Ich habe es nie erlebt, dass sich mir jemand bürokratisch in den Weg gestellt hat.

Obling: Ich kann das bestätigen. Die Förderungen, die man bekommt, sind großzügig. Es fängt damit an, dass man ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen kann, wenn man gründet. Im europäischen Vergleich ist Österreich extrem gut dabei, wenn es um Förderungen geht. Auch die Gehälter sind hier noch vernünftig.

Kopetz: Das sagt du jetzt als Arbeitgeber!

Obling: (lacht) Du kennst mich auch von der anderen Seite. Aber es ist schwer, hier gute Software-Entwickler zu finden.

"Als Unternehmer scheitert man oft auf wöchentlicher Basis." Søren Obling
Foto: Christian Fischer

STANDARD: Was uns zum Fachkräftemangel bringt. Wie stark betrifft Sie das Thema?

Kopetz: Da, wo wir ein wirkliches Thema haben, ist bei der Rot-Weiß-Rot-Karte. Wir brauchen bei der Ausstellung sehr lange. Hat jemand ein Angebot aus Deutschland und aus Österreich, geht er nach Deutschland, weil die Ausstellung der vergleichbaren Genehmigung dort besser funktioniert. Die Überprüfung bei Fachkräften ist nicht adäquat. Leute aus dem Ausland nach Österreich zu holen ist schwierig. Hier geht es um Talente. In der TTTech vereinen wir 42 Nationen bei über 1500 Mitarbeitern. Für uns ist es wichtig, dass wir das Signal senden können, dass wir offen sind für Talente. Die Leute sollen sich hier dann aber auch willkommen fühlen. Auch wie man die Jugend für Jobs, die gerade gesucht werden, motiviert, ist eine wichtige Frage. Für uns ist der Weg zu osteuropäischen Entwicklern viel leichter. Wir haben ein großes Entwicklungszentrum in Novi Sad, da ist man mit dem Auto in vier Stunden dort, wenn die Grenzen nicht gerade zu sind zwischen Ungarn und Serbien. Daher entwickeln wir dort, statt nach Asien zu gehen. Es gibt 10.000 Asylberechtigte in Österreich, die nicht in der Lehrlingsausbildung stehen. Hier ist die Kunst, wie man die Leute für das ausbilden kann, wo man sie dann auch gut einsetzen kann.

STANDARD: Sie haben gerade gesagt: "Wenn die Grenzen nicht gerade zu sind." Wir sind aufgewachsen mit einem sich öffnenden Europa. Jetzt wird über Grenzkontrollen gesprochen und über den Brexit. Wie wirkt diese sich verändernde Welt auf eure Geschäfte?

Kopetz: Wenn bei uns die Grenzen zugehen würden und wir uns in eine nationale Welt zurückentwickeln würden, was ich aber nicht sehe, würden wir als Unternehmen untergehen. Wir können nur existieren, wenn es globale, digitale Plattformen gibt. Wir bauen keine Flugzeuge, Autos oder Windkraftanlagen in Österreich. Wenn wir nicht dort hingehen, wo der Kunde sitzt, haben wir keine Chance. Ich glaube auch, dass die Politik verstanden hat, dass das Thema Handelsbarrieren gefährlich ist und man Wähler schnell verliert, wenn der Wohlstand sinkt.

"Es geht immer um das Geschäftsmodell. Schaffe ich es, vom Kunden Geld zu bekommen, kann es funktionieren." Georg Kopetz
Foto: Christian Fischer

STANDARD: Die Start-up-Szene bekommt viel Aufmerksamkeit: TV-Shows, Berichterstattung, Events. Woher kommt diese Gründerwelle?

Obling: Die Geschichte hat in den 1990er-Jahren in Silicon Valley angefangen. Nach ein paar Wellen hat man gesehen, dass es einige Erfolgsbeispiele gibt. Noch wichtiger ist, dass man mit den heutigen Technologien eine Firma um sehr wenig Geld hinstellen kann. Mit 50 bis 100.000 Euro kann man heute sehr gute Firmen aufstellen. Die brauchen dann freilich Kapital, um zu wachsen. Die dritte Komponente ist, dass der Generation X erzählt wurde, dass alles möglich ist. Es ist auch hip und cool und trendy zu gründen.

STANDARD: Warum zünden manche Ideen, andere nicht?

Kopetz: Die Idee ist im Wesentlichen irrelevant. Es geht darum, ob man Leute findet, die für ein Produkt oder eine Dienstleistung bereit sind Geld zu bezahlen. Es geht immer um das Geschäftsmodell. Schaffe ich es, vom Kunden Geld zu bekommen, kann es funktionieren. Dann muss ich mich schon fragen, ob man das skalieren und multiplizieren kann. Nicht jedes Modell lässt sich gut steigern. Geschäftsmodell, Mitarbeiterführung und Skalierung muss ein guter Unternehmer in Einklang bringen. Die Idee ist immer nur der Ausgangspunkt. Kann ich sie nicht umsetzen, ist sie nichts wert. Innovation ist eine Idee, die im Markt Erfolg hat.

Obling: Ich glaube, es gibt noch eine vierte Komponente. Das ist das Thema Kunden oder Partner von etwas zu begeistern. Man geht zu einer großen Firma und sagt, man hat eine Idee und versucht, einen Anknüpfungspunkt zu finden und die Menschen zu überreden, wie ich mit meiner Idee der Firma helfen kann.

Kopetz: Stimmt. Das ist aber eher eine Thematik des Gründers als des Unternehmens. Man braucht immer Leute im Team, die eine Idee begeistert verkaufen können. Kann man die Idee nicht rüberbringen, hilft die beste Idee nichts. Nicht jeder Gründer ist auch ein guter Manager.

Obling: Ich bin wahrscheinlich ein mittelguter Manager und habe mir jetzt extra jemanden ins Führungsteam geholt, der ganz klare Aufgaben und Vorgaben hat. Der weiß genau, wo meine Schwächen sind, um mir zu helfen, besser zu werden. Das Thema Feedback ist wichtig. Aber nicht jeder kann damit gut umgehen.

STANDARD: Fehlen diese praktischen Ansätze in der Ausbildung bei Wirtschaftsstudien?

Kopetz: Ich bin hier stark von Peter Drucker (US-Ökonom österreichischer Herkunft, Anm.) geprägt, der gesagt hat, Unternehmer kann man nur werden durch Erfahrung. Ich glaube, man kann das nicht wirklich unterrichten. Der Weg zu einem guten Unternehmer ist nicht weniger lang als zu einem guten Klavierspieler. Es dauert immer rund 10.000 Stunden an Erfahrung. Die Frage ist, ob ich als Gründer diese Zeit habe oder mir vorher das Geld ausgeht. Geld gibt einem die Möglichkeit, Fehler zu puffern.

"Ich finde es positiv, den Umgang mit Misserfolgen zu lernen. Denn als Unternehmer scheitert man oft auf wöchentlicher Basis. Da wird man dann abgehärtet." Søren Obling
Foto: Christian Fischer

STANDARD: Zum Erfahrungen machen gehört auch das Scheitern. Eine diesbezügliche Kultur gibt es in Österreich nicht. Warum?

Obling: Das ist eine gute Frage. Ich bin nicht sicher, ob ich mich qualifiziert genug fühle, um diese Frage zu beantworten. Ich glaube, wir sind generell so erzogen, dass Erfolg gut und scheitern schlecht ist. Wir mögen alle keinen Misserfolg. Ich bin kein Freund davon, dass Scheitern so super ist. Aber ich finde es positiv, den Umgang mit Misserfolgen zu lernen. Denn als Unternehmer scheitert man oft auf wöchentlicher Basis. Da wird man dann abgehärtet. Bei mir war der erste starke Test die Investorensuche. Wenn die einem sagen, dass sie nicht an einen glauben, dann ist das hart.

STANDARD: Warum braucht jemand Finabro?

Obling: Weil er ein besseres Finanzprodukt zu niedrigeren Kosten bekommt. Das ist der Widerspruch, den die digitale Welle ausmacht. Früher hieß es, Qualität kostet mehr. Doch die digitale Revolution hat es ermöglicht, dass man nun eine höhere Qualität zu niedrigeren Kosten bekommen kann.

STANDARD: Wo ist TTTech in meinem Alltag?

Kopetz: Wenn sie intelligente Maschinen um sich haben, können sie sich durch unsere Technik sicher sein, dass diese gut und sicher funktionieren. Unsere Technologie soll Menschen helfen. Im Alltag kommen wir bei der Sicherheitstechnik in Autos (Audi A8), in Flugzeugen (Boeing 787 oder A380) oder bei Pistenraupen vor. Wir liefern auch Steuerungskomponenten für die Müllfahrzeuge. (Bettina Pfluger, Portfolio, 16.1.2019)