René Benko, Immobilienmilliardär und neuerdings Medienunternehmer, ist mit einem "Spiegel"-Artikel unzufrieden.

Foto: Karl Schöndorfer TOPPRESS Austria

Wien – Für österreichische Dimensionen ist es ein Megadeal: René Benko kauft sich mit mindestens 100 Millionen Euro bei "Kronen Zeitung" und "Kurier" ein. Entsprechend groß war auch die Berichterstattung in in- und ausländischen Medien. Das deutsche Nachrichtenmagazin "Spiegel" widmete dem österreichischen Milliardär etwa ein mehrseitiges Porträt. Es erzählt seine Lebensgeschichte – vom Beginn seiner Karriere im Immobiliengeschäft mit 17 Jahren über die Gründung von Signa Investments bis zum Einstieg in die WAZ Ausland GmbH, über die er je circa 25 Prozent an "Krone" und "Kurier" halten will.

Dabei streifte der "Spiegel" auch eine ganz bestimmte Episode von Benkos Leben. 2012 wurde der Tiroler zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt. Über einen Berater habe er versucht, auf ein Steuerverfahren in Italien Einfluss zu nehmen.

"Spiegel" will Passage nicht löschen

Über seine Anwälte verlangte Benko vom "Spiegel", diese Passage zu löschen. Die Haftstrafe sei bereits "seit geraumer Zeit in Österreich aus allen Registern getilgt", schrieben Benkos Anwälte. Durch die Erwähnung seiner Verurteilung sei Benko in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt worden.

Den "Spiegel" hat bisher zwar noch keine Klage erreicht, wie es dort auf STANDARD-Anfrage heißt, diese könnte aber folgen, sollte das Medium den Text nicht überarbeiten. Das Magazin denkt nicht daran, nachträglich in den Text einzugreifen. "Der 'Spiegel' hat sich entschieden, die entsprechende Passage nicht zu löschen und diese Entscheidung, wenn erforderlich, wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung durch alle Instanzen zu verteidigen", schreibt der "Spiegel" in seiner Onlineausgabe. Zumindest in Bezug auf seine Biografie mache Benko so deutlich, "wie er es mit der freien, unabhängigen Berichterstattung hält". Signa gab auf Anfrage keinen Kommentar ab.

EGMR weichte Regelungen auf

Das wirft die Frage auf: Dürfen Medien über getilgte Straftaten berichten? Medienanwältin Maria Windhager, die auch den STANDARD in medienrechtlichen Fragen berät, verweist auf den Paragrafen 113 im österreichischen Strafgesetzbuch (StGB). Diese Bestimmung verbietet, jemandem eine strafbare Handlung vorzuwerfen, für die die Strafe schon vollzogen ist. "Hintergrund dieser Bestimmung ist das Bemühen, dass auch nach einer Verurteilung eine Resozialisierung möglich sein muss", sagt Windhager.

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) habe dieses Verbot aber schon vor Jahrzehnten aufgeweicht. Dieser urteilte nämlich, dass es Konstellationen gibt, in denen die getilgte Straftat unter bestimmten Umständen auch später noch einmal Thema werden kann – wobei die Betonung auf "kann" liegt. "Es gibt bestimmte politische und moralische Themen im öffentlichen Interesse, bei denen die Erörterung einer getilgten Straftat ausnahmsweise zulässig ist", sagt Windhager. Das ist vor allem bei Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, der Fall.

"Es geht immer um eine Interessenabwägung zwischen Persönlichkeitsinteresssen auf der einen und Pressefreiheit und Informationsinteressen der Öffentlichkeit auf der anderen Seite", sagt Windhager. Ausschlaggebend ist etwa, ob die Tat in einem Zusammenhang mit dem Beruf der Person steht. "Korruption von prominenten Beteiligten ist natürlich ein großes Thema", sagt die Medienanwältin. "Hier gibt es ein noch größeres öffentliches Interesse als etwa an einem privaten Verkehrs- oder Bootsunfall" wie im Fall eines bekannten Medienmanagers, dessen Schuldspruch allerdings nicht rechtskräftig ist.

Erwähnen ist nicht tadeln

Je länger eine Verurteilung zurückliegt, desto schwieriger könne man außerdem argumentieren, dass ein öffentliches Interesse besteht. Auch der Kontext, in dem eine Straftat erwähnt wird, spielt eine Rolle. "Sicher nicht zulässig" ist laut Windhager, "wenn Sie jedes Mal, wenn Sie über eine bestimmte Person berichten, eine getilgte Verurteilung ohne konkreten Bezug aufwärmen".

Zeichnet ein Text aber umfassend das Leben einer Person nach – wie es im "Spiegel" der Fall war –, dann gehe es weniger darum, jemandem diese Straftat vorzuhalten, wie es der Paragraf 113 des StGB vorsieht, sondern darum, "etwas Prägendes, das auch Teil seines Berufslebens ist, nicht zu verschweigen". Der Oberste Gerichtshof stellte bereits einmal fest, dass der Paragraf 113 einen "tadelnden Vorhalt" und keine bloße Erwähnung voraussetzt.

Maria Windhager glaubt jedenfalls nicht, dass eine Klage gegen den "Spiegel" erfolgreich wäre. "Meiner Meinung nach hat der 'Spiegel' die besseren Argumente. Letztendlich müssen diese strittige Frage aber natürlich Gerichte entscheiden." (Philip Pramer, 30.11.2018)