In unserer neuen Serie erzählen Journalistinnen und Journalisten über ihre Recherchen und über Nachwirkungen ihrer Berichterstattung.

Alle Teile der Serie "Wie haben Sie's gemacht?" finden sie hier.

Die Reporterin überrascht bereits mit dem ersten Satz. "Manchmal hab ich das Gefühl, ich bin im Krieg aufgewachsen", antwortet Petra Ramsauer auf die Frage, wieso sie ausgerechnet den Beruf der Kriegsreporterin gewählt hat. "Ich bin mit alten Menschen aufgewachsen, die viel vom Zweiten Weltkrieg gesprochen haben, das hat mich sehr geprägt", erklärt sie. Der Berufswunsch Kriegsreporterin entwickelte sich in ihr früh, geleitet vom Wunsch, auch jenen Teil der Realität zu erleben und zu beschreiben, der nicht mit dem friedlichen Leben in Mitteleuropa vergleichbar ist. "Mit meinem Blick als Österreicherin, diese Krisen, Kriege oder Versorgungsnot zu sehen, ist wichtig. So kann mein Leser eine Verbindung mit der Situation besser aufbauen."

Diese Verbindung zum Leser ist seit 2015 leichter geworden. Seitdem die Flüchtlinge auch Österreich erreichten, interessierten sich die Menschen mehr für die Geschehnisse in den Krisengebieten: "2015 wollten plötzlich die kleinsten Gemeinden Vorträge über Syrien von mir. Die Gemeindesäle waren bei den Lesungen voll."

"Brennende Reifen"

Mittlerweile arbeitet Ramsauer seit fast zwanzig Jahren als Krisenberichterstatterin. 1999 heuerte sie im Außenpolitikressort des Magazins News an und war in den darauffolgenden Jahren in Afghanistan, im Irak, in Tschad, Mauretanien, Côte d'Ivoire und an vielen anderen Orten, an denen es "brannte". "Ich bin praktisch jedem brennenden Reifen hinterhergelaufen, gleichzeitig wurde in der Redaktion massiv Personal gekürzt." Am Tag nach der Wahl Barack Obamas zum US-Präsidenten kündigte Ramsauer bei News, wegen Überarbeitung. "Ich dachte eigentlich, dass ich sofort einen Job finde, in dem ich mich ganz auf Reportagen konzentrieren kann, aber mir war nicht bewusst, dass in Österreich niemand an so etwas interessiert ist."

Ramsauer wurde freie Journalistin und fühlte sich zu Beginn "wie der letzte Versager", weil sie anfangs nicht "die gutbezahlten Jobs bekam" und nicht alles "super easy war, wie die anderen das suggerieren". Dann kam der Arabische Frühling: "Mit einem einzigen Anruf hatte ich den Auftrag, für News als Freie aus Ägypten zu berichten. Binnen weniger Stunden stand ich auf dem Tahrir-Platz", so Ramsauer.

Derzeit berichtet Petra Ramsauer vor allem aus Syrien und dem Irak. Während ihrer Reise nach Aleppo im Jahr 2014 traf sie Anhängerinnen der syrischen Rebellen.
Foto: privat

Inzwischen erscheinen Ramsauers Reportagen in unterschiedlichen Zeitungen und Magazinen, unter anderem in Profil, NZZ am Sonntag oder Kurier. Sie sucht zuerst eine Geschichte, die sie erzählen möchte, und bietet sie vor der Reise ihren Kunden an, damit die Kosten der Reise gedeckt sind. Wichtig ist der Journalistin auch, dass gutes Fotomaterial gesichert ist, denn sie selbst will "sich auf die Menschen konzentrieren".

Haltung statt Objektivität

Die Kontaktpflege vor Ort sei eine sehr langfristige Geschichte, die Berichterstattung nur ein kleiner Ausschnitt: "Eine Momentaufnahme, ähnlich wie der Slalomlauf bei Wettbewerb, der auf eine lange Zeit des Trainings folgt." Die Organisation der Reisen macht die Reporterin inzwischen auch mithilfe sozialer Medien. Die freien Journalisten und Journalistinnen helfen einander, sagt Ramsauer, aber allzu viele Details über die Organisation ihrer Reise möchte sie nicht verraten.

"Ich habe Haltung", sagt Ramsauer mehrmals, Objektivität hält sie hingegen "für Blödsinn", denn ihr Job sei es nicht zu schreiben, "der sagt, es ist blau, und der sagt, das ist grün. Mein Job ist es hinzufahren und zu schauen, ist es jetzt blau oder grün. Ich maße mir an, durch meine Recherche Dinge wissen zu können, erklärt Ramsauer: "Wenn ich das Assad-Regime kritisiere, dann basierend auf Fakten und gecheckten Informationen. Das heißt dann auch nicht, dass ich automatisch ein Fan der syrischen Opposition bin." Wegen ihrer Haltung gerät sie manchmal unter Kritik, "bis auf das eine Mal, als mich Kollegen brutal vorgeführt haben, habe ich aber das Glück, dass ich nicht getrollt werde", sagt sie.

Vorteile als Frau

Dass ein Mann andere Reportagen liefern würde, glaubt die Reporterin nicht. Aber es gab Geschichten in ihrer Karriere, die nur zustande kamen, weil sie eine Frau ist. In den Neunzigerjahren hat sie eine Reportage aus dem Frauengefängnis in Afghanistan gemacht. Das sei eine Geschichte, die ein Mann niemals hätte machen können.

"Frau zu sein in der Kriegsberichterstattung ist ein unglaublicher Vorteil", denn auch die konservativsten Führer würden westliche Frauen empfangen, an die Front dürfen die Frauen auch, aber eben auch zu den Frauen, erklärt Ramsauer. Die Geschichten, die Frauen schreiben, seien auch jene Geschichten, die die Menschen mehr interessieren: Deswegen gibt es auch immer mehr Krisenreporterin, "es ist ein Marktinteresse".

Psychisch und physisch hält sich Ramsauer mit Laufen und Meditation fit. Sie sei außerdem "Ernährungsfetischistin". Die Reisen seien wegen der hygienische Verhältnisse, der Hitze und der schweren Schutzausrüstung sehr anstrengend, "der Job ist absolute Knochenarbeit", sagt Petra Ramsauer. Psychisch halte sie all die Belastungen gut durch, "die Tatsache, dass es uns hier so gutgeht", sei Trost genug. "Traumatisiert sind die betroffenen Menschen, nicht die Frau Ramsauer mit ihrem europäischen Pass, die in dem Moment, wo es ein bisschen unangenehm wird, den nächstbesten Flieger nehmen kann. Die Frau Ramsauer hat nicht traumatisiert zu sein." (Olivera Stajić, 28.11.2018)