Volle Wartehallen, gelangweilte Gesichter, aber wenig Empörung – so spielte sich die streikbedingte Unterbrechung des Zugverkehrs am Montag in Österreich ab.

Foto: Matthias Cremer

Wien/Linz/Graz/Klagenfurt – Hektisch verläuft das Gespräch zwischen einer Mutter und einem Security-Mitarbeiter der ÖBB am Wiener Westbahnhof. Sie versucht Kontakt zu ihrer Tochter aufzunehmen, die im Zuge des Warnstreiks Montagmittag offenbar in St. Pölten hängen geblieben war. Der Mann kontaktiert seine Kollegen von der Security in Niederösterreich, diese sichern sofort zu, die Suche zu starten. Das Problem: Die Tochter hat kein Handy dabei. Mehr sagt die Mutter jedoch nicht, bevor sie weiter in die Bahnhofshalle läuft.

Abgesehen von solchen Einzelfällen löste der Warnstreik der Eisenbahner keine große Aufregung auf den Bahnhöfen Österreichs aus. Die zwei Stunden zwischen zwölf und 14 Uhr gelten aber auch nicht als Stoßzeit. Das sei bewusst so gewählt worden, um Pendlern das Leben nicht unnötig zu erschweren, heißt es bei der Gewerkschaft.

"Ich darf wirklich gar nichts sagen" heißt es Seitens des Infopersonals, sobald Journalisten nachfragen. Für Reisende stehen sie aber zahlreich als Auskunftspersonen zur Verfügung.
Foto: Matthias Cremer

Einige ratlose Gesichter blicken regelmäßig auf die Anzeigetafeln und stellen sich immer wieder dieselbe Frage: Was machen wir mit der unfreiwillig gewonnenen Zeit, und wann geht es wirklich weiter? Manche sind verärgert, andere begeistert. Auf dem menschenleeren Bahnsteig am Westbahnhof sucht beispielsweise ein junges Paar einen Lokführer, um sich "zu solidarisieren" und ihre Begeisterung über den Arbeitskampf kundzutun.

Das Gros der Wartenden nimmt die Verspätung aber relativ gelassen. "Ich will nach Deutschlandsberg, aber auch da geht nix", sagt eine ältere Dame in Graz und stellt sich an die Kaffeebar. "Na, solange die Kaffeemaschine nicht streikt, geht's noch", sagt sie humorvoll und in der Hoffnung, dass der Spuk bald wieder vorbei ist. Zwischendurch entschuldigt sich immer wieder die Lautsprecherstimme für die Unannehmlichkeiten und verweist auf die immer neu hinzukommenden gestrichenen Verbindungen. Nichtsdestotrotz bleibt die Stimmung auch in Klagenfurt, Linz und Innsbruck weitgehend entspannt.

Überforderte Touristen

Verwunderung herrscht primär bei Touristen. "Oh my god", klagt eine junge, Englisch sprechende Frau mit Trolley in Graz, als sie von einem der Infopersonen der ÖBB darauf aufmerksam gemacht wird, dass ihr Zug nach München gestrichen wurde. "Ich dachte, in Österreich gibt's keine Streiks", meint sie ganz entgeistert. Der freundliche ÖBB-Mann hebt entschuldigend die Schultern und lässt sie ratlos zurück.

Die Signale standen rund zwei Stunden auf rot. Passagiere konnten in den Zügen warten.
Foto: Matthias Cremer

"Das ist nicht mein Tag", sagt ein Besucher aus Finnland. "Ich habe meinen Flug verpasst, und jetzt das", sagt er konsterniert. Dass ein Streik die Verspätung ausgelöst hat, wusste er nicht. Er kenne das aber aus seiner Heimat, meinte er mit Bedauern.

Auch ein Paar aus Japan, ein Land, in dem Verspätungen in Sekunden angezeigt werden, zeigt sich wenig begeistert, als es vom Streik und von der verschobenen Abfahrtszeit ihres Zuges nach Salzburg erfährt. Sie fragen nach dem Grund. "Oh", ist ihre einzige Reaktion. Andere waren besser vorbereitet. "Wir haben entsprechend geplant", sagt ein Pensionistenpaar aus Kärnten, das die ÖBB-Hotline in dem Zusammenhang lobt. Außerdem stehen sie "nicht einhundert, sondern zweihundert Prozent" hinter den Streikenden. Ein Sentiment, dass viele der befragten Reisende an diesem Tag teilen.

Gegen 13.45 Uhr beginnt es am Bahnhof Wien-Meidling zu wuseln. Die große Leere auf den Bahnsteigen nimmt wieder ein Ende. Menschen bewegen sich Richtung Zug, immerhin will niemand zu spät kommen. Punkt 14 Uhr schalten die Signale wieder auf Grün, und die Züge setzen sich – wie angekündigt – wieder in Bewegung. Das einzig Triste bleibt vorerst das nasskalte Wetter. (and, slp, mue, 27.11.2018)