Schellhorn fordert innovativere Politik von Bundeskanzler Kurz und dessen Vize Strache.

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Die Sozialpartnerschaft hat ein Problem. Darin sind sich viele Experten, Arbeitgeber und Beschäftigte einig, und es ist in den letzten Tagen und Wochen besonders deutlich geworden. Ende September hörten die Sozialpartner vonseiten der schwarz-blauen Regierung eine eher ungewöhnliche Empfehlung: Sie würden sich einen spürbaren Lohnanstieg bei den Verhandlungen der Metaller-Kollektivverträge wünschen, so Kanzler und Vizekanzler in Richtung der Lohnverhandler. Das Ergebnis kann sich aus Arbeitnehmersicht sehen lassen: drei bis 4,3 Prozent plus. Anstatt jetzt zur Tagesordnung überzugehen, sollten wir uns aber damit beschäftigen, was diese Verhandlungsrunde für die Zukunft der Lohnverhandlungen in diesem Land bedeutet.

Dieser Vorgang war Ausdruck der Hilflosigkeit dieser Regierung in Sachen Wirtschaftskompetenz und ein Zeichen der Respektlosigkeit gegenüber den Sozialpartnern. Er bestätigt Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling in seinem Urteil: "Die Sozialpartnerschaft ist tot, sie weiß es nur noch nicht." Nicht die Bundesregierung verhandelt Kollektivverträge, sondern ausschließlich Unternehmer und Arbeitnehmervertreter. Für mich als Unternehmer und Neos-Wirtschaftssprecher eine Selbstverständlichkeit.

Husch-pfusch-Gesetz

Aber gehen wir einen Schritt zurück und blicken auf die Entstehungsgeschichte dieser satten Erhöhung. Die Arbeitnehmervertreter haben geschickt das "Husch-pfusch-Gesetz" der Regierung bei der Arbeitszeitflexibilisierung ausgenutzt. Anstatt eine sinnvolle Reform des Arbeitszeitgesetzes und eine dringend notwendige Flexibilisierung zu schaffen, haben ÖVP und FPÖ – völlig am Parlament vorbei – ein handwerklich miserables Gesetz durchgepeitscht. Vor allem die Freiwilligkeit bei elfter und zwölfter Stunde führt zu Problemen und zu Rechtsunsicherheit. Freiwilligkeit in dem nunmehrigen Sinn hat nur eines zur Folge: Die Unternehmer sind verunsichert und die Arbeitnehmer verängstigt.

ÖVP und FPÖ haben es verabsäumt, richtige Maßnahmen zu setzen, und zeigen vor allem, dass sie sich der Konsequenzen ihrer beispiellosen Unbedachtheit nicht bewusst sind oder sie diese bewusst in Kauf nehmen. Durch das Vorziehen des Inkrafttretens des Arbeitszeitgesetzes auf 1. September konnten die Arbeitnehmervertreter kräftig an der Lohnsteigerung drehen und mit ihrer Hartnäckigkeit mehr als erwartet durchbringen. Dazu ist ihnen zu gratulieren. Für die Unternehmer war der Regierungsratschlag ein Schlag ins Gesicht.

Wer profitiert?

Doch bevor die Damen und Herren von Gewerkschaft und Arbeiterkammer in Jubelstimmung verfallen: Wer sind denn die großen Profiteure dieses Kollektivvertragsabschlusses? Weder die Arbeitnehmer noch die Unternehmer. Über höhere Pflichtbeiträge freut sich die Arbeiterkammer und – via Kammerumlage 2 – auch die Wirtschaftskammer. Am meisten aber jubelt der Finanzminister über diese Lohnerhöhung – das noch dazu doppelt. Das zeigt ein Beispiel deutlich:

Philipp ist einer meiner Mitarbeiter. Er verdient 4000 Euro brutto im Monat. Mich als Unternehmer kostet er bis jetzt 5212 Euro pro Monat, netto bekommt er davon 2499 Euro. So weit, so gut. Wenn wir von einer Erhöhung von 4,3 Prozent ausgehen, kostet Philipp 5436 Euro pro Monat. Also 224 Euro mehr. Nur, wie viel davon bleibt Philipp? Ganze 82 Euro. Sechzig Prozent der Erhöhung zahlen wir – also Philipp und ich – an Finanzminister und die Kammer.

Grund zur Freude bei den Arbeitnehmern? Wohl kaum. Es zeigt wieder einmal das Hauptproblem, das Österreich in diesem Bereich hat: Die Mitarbeiter verdienen zu wenig und kosten zu viel. Dazu kommt noch, dass Philipp die magere Nettoerhöhung bereits nach wenigen Monaten durch die kalte Progression wieder aufgefressen wird.

Bei Gesprächen mit einem steirischen Unternehmer aus der Automobilbranche – ein klassisches mittleres Unternehmen – wird die Kurzsichtigkeit dieser Maßnahme noch deutlicher. Dieser Abschluss hat fatale Folgen für sein Unternehmen. Ab 2019 muss er um 1.200.000 Euro mehr an Löhnen berechnen. Durch die hohen Lohnnebenkosten ist er gezwungen, 40 Mitarbeiter freizusetzen.

Rechtsnationale Politik

Verkürzt kann man also sagen, die Empfehlung der Regierung und der damit verbundene Abschluss bei den Metallern gehen klar zulasten aller Unternehmer und auch zulasten der Arbeitnehmer. Profitiert haben hauptsächlich der Finanzminister und die Kammern.

Dabei hat uns die Regierung doch so viel versprochen: Die FPÖ war 2017 für eine Gewerbeordnungsreform und für eine Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft. FPÖ und ÖVP waren 2017 für die Abschaffung der kalten Progression und für eine drastische Senkung der Lohnnebenkosten. Was ist davon geblieben? Eine Politik, geprägt von "Speed and ignorance kills", eine rechtsnationale Politik, getrieben von einer FPÖ, die ihre ewiggestrige Gesinnung mit rassistisch und extremen Elementen und ihre Europafeindlichkeit offen zur Schau trägt. Die einzige Konstante scheint das unverständliche Beharren bei der Raucherregelung zu sein. Durch Husch-pfusch-Gesetze und das Forcieren von Abschiebungen von Lehrlingen wird eine billige Schlagzeilenpolitik betrieben, die den Bürgerinnen und Bürgern bestenfalls wenig bis gar nichts bringt und im schlimmsten Fall viel kostet.

Als Unternehmer mit Leib und Seele sage ich noch einmal: Die Mitarbeiter verdienen zu wenig und kosten zu viel. Das müssen auch endlich Kurz und Strache verstehen. Hier braucht es endlich Reformen und eine innovative Politik. Der derzeitige Kurs von Schwarz-Türkis-Blau besteht aus fatalen Zeichen mit noch fataleren Auswirkungen. Merken Sie es? (Sepp Schellhorn, 27.11.2018)