Wird heute zum roten EU-Spitzenkandidaten gewählt: Der frühere SP-Klubchef Andreas Schieder.

Foto: APA / Barbara Gindl

Wels – Tag zwei beim SPÖ-Parteitag in Wels. Die neue Chefin hat gleich zu Beginn ihre Rede über Europa gehalten, Stichwort: Neuer Mut für Europa.

Heute, Sonntag, steht unter anderen eine Änderung der Parteistatuten und der Beschluss des Europa-Leitantrags (einstimmig erfolgt, Stichwort: Kuchen gerechter verteilen, Europa sozialer machen, Europa dürfe "nicht Trump" werden) an. Die Wahl des roten Teams für die bevorstehende Europawahl erfolgte mit 96,11 Prozent. Spitzenkandidat ist, nach Selbstnominierung und deren Rücknahme durch Ex-Parteichef Christian Kern, der frühere Klubchef Andreas Schieder. Die Aufregung um Luca Kaiser, Sohn des Kärnter Landeshauptmanns Peter Kaiser dürfte sich gelegt haben. Er wurde an aussichtsloser neunter Stelle der Liste platziert, der Papa hatte daraufhin mit seinem Rückzug aus den Bundesgremien gedroht.

Bei Rendi-Wagners Eingangsstatement war das am Sonntag kein Thema mehr. Sie setzte auf Grundsatzappelle an die Einheit Europas: "Die einen arbeiten bewusst und gezielt an der Zerstörung dieser Union und die anderen machen ihnen dabei die Mauer. Umso mehr müssen wir darum kämpfen, dass nach dem Austritt Großbritanniens diese EU zusammenhält."

"Stärkung durch Veränderung"

Als Motto wählte die neue Parteichefin den Slogan "Stärkung durch Veränderung und nicht nur durch Bewahrung". Sie verspricht: Natürlich wollen sich die Sozialdemokraten dafür einsetzen, "dass die Steuerbedingungen, die Arbeitsbedingungen für alle Menschen fair und gerecht sind".

Auch diesmal spart Rendi-Wagner nicht mit Kritik an der ÖVP-FPÖ-Koalition. Der türkise Finanzminister habe ihrer Ansicht nach "nichts anderes zu tun", als den Kampf für mehr Steuergerechtigkeit zu Grabe zu tragen. Auch Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) selbst kommt wieder dran: Der stelle sich "auf die Seite der Finanzindustrie und gegen die Bürger Europas". Rendi-Wagner stellt die rhetorische Frage: "Was haben wir von der EU-Ratspräsidentschaft?" Die Antwort der roten Parteichefin: "Nicht sehr viel."

Den Genossinnen und Genossen gibt sie für die kommenden Monate mit auf den Weg: "Ich wünsche mir, dass wir mit neuer Kraft für Europa kämpfen und mit neuem Mut zu Europa stehen."

Medienaktion der SJ während der Rede von SJ-Chefin Julia Herr.
Foto: APA / Barbara Gindl

Schieder und die Novemberbiene

Nach Rendi-Wagner wendet sich der EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder an die rund 650 Delegierten im Saal. Und muss zu Beginn gleich in eigener Sache etwas aufklären, steht er doch mit einem veritablen blauen Auge auf der Bühne. Nein, es sei nicht die "berühmte Novemberbiene" gewesen, erklärt er. Vielmehr sei er einmal "schneller als die Türe gewesen". Genug erklärt, die Europapolitik wartet.

Mit einem Stück Stacheldraht in der Hand erinnert er an den Fall des Eisernen Vorhangs und an den EU-Beitritt Österreichs. Er habe die Hoffnung gehabt, dass "auch die kulturellen und sozialen Grenzen überwunden werden". Heute sei das aber eingetreten, was Schieder das Gegenteil von seinem Traum nennt: Grenzen würden wieder hochgezogen, die Gesellschaft sei gespaltener als je zuvor und der Nationalismus wachse immer stärker. Die Salvinis, Straches, Orbans und Kurz' "spalten das gemeinsame Europa", sagt Schieder, der die österreichische Ratspräsidentschaft als "komplett vertan" betrachtet.

Kritik erntet aber auch die eigenen Partei: "Viele fühlen sich von uns im Stich gelassen, weil wir uns viel zu lange mit uns selbst beschäftigt haben", klagt Schieder. Damit müsse Schluss sein, weil "nur wir auf der Seite der Menschen stehen". Es brauche auch keine Spindoktoren, sagt er in Richtung der Delegierten: "Wir brauchen euch."

Und umgekehrt, wie ihm später Luca Kaiser, Listenplatz neun, erklärt: "Du bist der beste Spitzenkandidat, den ich mir vorstellen kann", adressiert er an Andreas Schieder – mit Verve, aber ohne öffentlich demonstrierte Verärgerung. Für die Chefin der Sozialistischen Jugend, Julia Herr, die ihm den sechsten Listenplatz gekostet hat, findet Kaiser sogar ausgesprochen freundliche Worte: Sie sei es nämlich, die immer wieder das Wort für die Jüngeren in der Partei ergreife.

Beschränkte Basisbeteiligung

Nach dem Thema EU beschäftigt sich die SPÖ aber dann doch noch einmal mit sich selbst. Die Partei segnet ein neues Statut ab, das allerdings abgeschwächt vorgelegt wird. und weniger Rechte für die Basis enthält, als anfangs geplant. Die Parteimitglieder können demnach nur über ein Koalitionsabkommen abstimmen, wenn das der Vorstand beschließt. Gültig ist das Ergebnis auch nur dann, wenn mindestens 20 Prozent daran teilnehmen.

Parteireform

Die stellvertretende Bundesgeschäftsführerin Andrea Brunner zieht Kapitel 13, die Parteireform, auf der Tagesordnung vor. Auch ein Initiativantrag zum Thema Mieten will noch beschlossen werden – er braucht Zweidrittelmehrheit. Und die hat er auch bekommen.

Die Organisation werde bereits seit 2014 diskutiert, erinnert Brunner. Zuletzt war der Steirer Michael Schickhofer für den Prozess hauptverantwortlich. Die Änderungen betreffen im Wesentlichen: das Pilotprojekt "Gastmitgliedschaft" (vergangenes Jahr: über 3000 temporäre Mitglieder) soll weitergeführt werden. Auch die Schwelle für Mitgliederbefragungen soll von zehn auf fünf Prozent herabgesetzt werden. Wenn mehr als 20 Prozent zustimmen, wird das Ergebnis für den Bundesparteivorstand bindend.

Was die Mitbestimmung bei möglichen Koalitionsübereinkommen anlangt, steigt man auf die Bremse: Anders als ursprünglich vorgesehen, soll die Basis hier nur dann mitreden können, wenn die Mehrheit im Vorstand das befürwortet. Außerdem gilt: Das Ergebnis wird nur dann verbindlich, wenn mindestens 20 Prozent der Mitglieder an dieser Abstimmung teilnehmen. (Peter Mayr, Karin Riss, 25.11.2018)