KH Gruber als kundiger Advokat einer Oper nach Kafka.


Foto: Johnny Volvano

Gottfried von Einem hätte am 24. Jänner seinen 100. Geburtstag gefeiert – also gilt 2018 als "sein Jahr". Dass der streitbare Traditionalist mit seinem Prozess (nach Kafka) bei Wien Modern Berücksichtigung findet, ließe sich insofern als reine Pflichtübung abtun. Im Sinne einer Vermeidung des Vorwurfs, einen Komponisten trotz dessen Hunderter ignoriert zu haben.

Die Erklärung wäre im Irrtum. Einems Integration ist eher der Beleg einer undogmatischen Haltung des Festivals. Es hat sich der Pluralität verschrieben; alte Konflikte der Avantgarde (um die tonale Art des Komponierens) werden hier nicht ausgetragen; es werden ästhetische Positionen zur Diskussion gestellt.

Nun denn: Das Orchestrale zeugt in der glanzvollen Umsetzung des ORF Radio-Symphonieorchesters vom Zauber einer schillernden Harmonik, die auf Spätromantischem aufbaut. Die festlichen, bisweilen fanfarenartigen Wucherungen und die sanfteren Passagen vermitteln aber Emotion sehr klar.

Die rhythmische Prägnanz und die dramatischen Bläserrufzeichen bilden unter der kundigen Leitung von KH Gruber dazu einen gewissen Kontrast. Und sie befeuern – als farbenreich ausinstrumentiertes Pulsieren – die Geschichte von Josef K., der sich einer anonymen Macht gegenübersieht.

Der vokale Part des Opfers, das zum Täter verformt wird, hebt sich durch seine großteils deklamatorische Anlage vom Instrumentalen ab. Herausragend dabei die Intensität und Klangschärfe, mit der Tenor Michael Laurenz die schließlich resignierende Selbstapologie des Josef K. gestaltet. Wobei: Auch das Gesamtensemble agiert auf hohem Niveau (u.a. Martin Winkler, Markus Butter, Szabolcs Brickner, Matthäus Schmidlechner, Wolfgang Bankl und Anke Vondung).

Der Prozess (1953 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt) würde wieder eine szenische Version verdienen. Mit der Verarbeitung albtraumhafter Behördenerfahrungen wirkte die Oper im Lichte heutiger Entwicklungen jederzeit heutig. Trotz ihrer traditionellen Musikvorlieben. (Ljubiša Tošic, 23.11.2018)