Die giftige Alge Vicicitus globosus (hier eine Mikroskopaufnahme) profitiert von der Ozeanversauerung.

Foto: Ulf Riebesell/GEOMAR

Kiel – Wenige Tage vor der UN-Klimakonferenz in Kattowitz hat die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) einen aktualisierten Befund zur Konzentration klimaschädlicher Treibhausgase in der Atmosphäre veröffentlicht. Die Ergebnisse zeigen, dass Bemühungen zu ihrer Reduktion bisher offenbar wenig Wirkung gezeigt haben. Die entsprechenden Werte kletterten demnach auf einen neuen Höchststand: Laut dem nun vorgelegten Bericht, der auf Daten aus dem Jahr 2017 basiert, stieg die Konzentration von Kohlendioxid in der Erdatmosphäre auf 405,5 Teile pro Million (ppm). Im Jahr davor waren es noch 403,3 ppm gewesen und 2015 400,1 ppm.

Um derartige Werte in der Vergangenheit zu finden, muss man weit zurück gehen: "Das letzte Mal, dass die Erde eine vergleichbare CO2-Konzentration erlebt hat, ist drei bis fünf Millionen Jahre her", hob WMO-Generalsekretär Petteri Taalas hervor. Damals sei die Durchschnittstemperatur auf der Erde zwei bis drei Grad höher gewesen als heute. Nicht nur das globale Klima reagiert auf diesen Treibhausgas-Ausstoß, auch die Ozeane und ihre Bewohner leiden darunter. Welche Folgen dort zu erwarten sind, hat nun ein internationales Forscherteam nachgewiesen.

Komplexe Folgen der Ozeanversauerung

Je höher der Kohlendioxid-Gehalt in der Atmosphäre, umso mehr CO2 nimmt auch das Meerwasser auf. Dort löst das Gas chemische Reaktionen aus, die den pH-Wert sinken lassen. Dieser als Ozeanversauerung bezeichnete Prozess beeinträchtigt viele Lebewesen im Meer. Die Folgen für die marinen Ökosysteme können jedoch sehr komplex sein und die Forschung ist noch dabei, sie in ihrer ganzen Bandbreite zu verstehen.

In einem zweimonatigen Freilandexperiment vor den Kanarischen Inseln ist eine international zusammengesetzte Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlerin unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel einer möglichen Folge der Ozeanversauerung auf die Spur gekommen, die das Nahrungsnetz im Meer massiv beeinträchtigen könnte. Wie das Team im Fachjournal "Nature Climate Change" berichtet, vermehrte sich die giftige Alge Vicicitus globosus in dem Experiment ab einer Kohlendioxidkonzentration von 600 ppm (parts per million) deutlich, ab 800 ppm kam es zu starken Algenblüten.

Zusammenbruch der Nahrungskette

"In unseren naturnahen Versuchsumgebungen hatten diese Blüten einen starken negativen Effekt auf die übrige Planktongemeinschaft, insbesondere das artenreiche tierische Plankton. Genau diese Organismen sind aber extrem wichtig für das Nahrungsnetz im Ozean. Der Zusammenbruch der Nahrungskette beeinflusste darüber hinaus wichtige andere biologisch getriebene Prozesse, wie den Kohlenstofftransport in die Tiefe", erklärt Ulf Riebesell vom GEOMAR, Erstautor der Studie.

Für das Experiment hatte das Team neun der Kieler KOSMOS-Mesokosmen vor den Kanarischen Inseln ausgebracht. Sie bestehen jeweils aus einem Auftriebsgestell an der Meeresoberfläche, das einen 15 Meter langen Kunststoffschlauch senkrecht im Wasser hält. Dieser schließt 35 Kubikmeter des natürlichen Meerwassers ein. In dem vom restlichen Ozean getrennten Wasserkörper mit der natürlichen Lebensgemeinschaft haben die Forscher dann die CO2-Konzentrationen so erhöht, dass sie verschiedenen für die Zukunft erwarteten Werten entsprachen. Über 57 Tage haben sie anschließend die Entwicklung der eingeschlossenen Planktongemeinschaft beobachtet.

Problematische Wert bald erreicht

Das pflanzliche und tierische Plankton in den Mesokosmen reagierte durchaus unterschiedlich auf erhöhte Kohlendioxid- und damit niedrigere pH-Bedingungen. Besonders deutlich war aber das massenhafte Auftreten der giftigen Alge Vicicitus globosus ab CO2-Konzentrationen von 600 ppm. "Das sind Werte, die wir in den nächsten drei bis vier Jahrzehnten erreichen könnten, wenn die Menschheit den Ausstoß von Kohlendioxid nicht deutlich reduziert", betont Riebesell.

Die genaue Ursache für den Erfolg von Vicicitus globosus unter hohen CO2-Bedingungen ist noch nicht eindeutig geklärt. Entweder profitiert die Alge in ihrem Wachstum überproportional gegenüber anderen konkurrierenden Arten, also zum Beispiel durch erhöhte Photosyntheseraten. Oder ihre Giftigkeit nimmt mit steigendem CO2 zu, so dass sie weniger gefressen wird.

Gift für die Fische

Unklar ist ebenfalls, ob sich die Ergebnisse der Studie auf andere giftige Algenarten übertragen lassen. Allerdings ist Vicicitus globosus weltweit verbreitet, von den gemäßigten Klimazonen bis zu den Tropen. Blüten der Art wurden bereits wiederholt mit Fischsterben in Küstengewässern und in Aquakulturen in Verbindung gebracht. "Dies ist der erste Nachweis aus einer Freilandstudie, dass Ozeanversauerung giftige Algenblüten fördern kann. Ein weiteres starkes Argument, die CO2 Emissionen zeitnah drastisch zu reduzieren", fasst Riebesell die Ergebnisse zusammen. (red, 23.11.2018)