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Protest gegen Wahlbetrug in Wladiwostok, 17. September 2018.

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Kommunist Andrej Ischtschenko darf nicht antreten.

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Gouverneur Andrej Tarasenko wurde abgelöst.

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Oleg Koschemjako soll ihn ersetzen.

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Wahllokal in Wladiwostok.

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Andrej Ischtschenko ist kein Alexej Nawalny. Sowohl die politischen Vorlieben des prominenten Moskauer Oppositionsführers als auch dessen Methoden sind dem aus Lessowodsk, 350 Kilometer nördlich von Wladiwostok, stammenden Ischtschenko fremd. Der 37-Jährige ist kein Systemgegner. Im Gegenteil. Er hatte sich in den vergangenen Jahren gut darin eingelebt.

Eigentlich sollte der gelernte Schiffsingenieur als KP-Kandidat nur als Statist beim Wahlsieg von Gouverneur Andrej Tarasenko auftreten. Eine Rolle, die die Kommunisten seit Jahren beflissen ausüben. Die Nachfolger der Bolschwiki haben wenig gemein mit ihren berühmt-berüchtigten Vorgängern, den Revolutionären von vor 100 Jahren.

Von jedwedem Gedanken an eine Rückkehr an die Macht hat sich die Partei spätestens in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre unter ihrem Chef Gennadi Sjuganow verabschiedet. Der heute 74-Jährige dröhnt zwar immer noch über die Herrlichkeit des Kommunismus und die Führerqualitäten Stalins oder klagt bei Gelegenheit über soziale Ungerechtigkeiten in Russland, doch reale Proteste hat die Kommunistische Partei seit Jahren nicht organisiert.

Fototermin mit Putin

Selbst als der Kreml den Russen das Rentenalter anhob, blieb die KP zunächst erstaunlich passiv. Und doch hat die bei den Russen zutiefst verhasste Rentenreform die politischen Karten neu gemischt. Und Ischtschenko tauchte als Ass im Ärmel der Unzufriedenen auf. Kreml-Kandidat Tarasenko musste zunächst in die Stichwahl – und verlor trotz Schulterklopfens und Fototermins mit Wladimir Putin unmittelbar vor der Abstimmung.

Sechs Prozent Vorsprung hatte Ischtschenko, als 95 Prozent der Stimmen ausgezählt waren. Dass die örtliche Wahlkommission am Ende trotzdem Tarasenko den Sieg zusprach, konnte nicht einmal die Moskauer Wahlleiterin Ella Pamfilowa glauben und sprach von Manipulation.

Proteststimmung in Fernost

Für den Kreml noch lange kein Grund, Ischtschenko zum Sieger zu erklären. Also wurde eine Wiederholung der Wahl ausgerufen. Im Dezember soll sie stattfinden. Bis dahin, so hoffte man in Moskau, sei selbst in Russlands Fernem Osten die Proteststimmung verflogen. Tarasenko wurde ausgetauscht und durch Oleg Koschemjako ersetzt. Der gilt im Kreml als Allzweckwaffe für den Fernen Osten, war zuletzt Statthalter auf der Öl- und Gasinsel Sachalin und wird mit der Zauberformel "effektiver Manager" beworben.

Doch siehe da, die Formel versagte ihren Dienst: Die Menschen in Wladiwostok glaubten nicht, dass der neue Kreml-Kandidat viel besser als der alte sei. Umfragen zeigten, dass auch Koschemjako in die Stichwahl muss. Schlimmer noch: Ischtschenko wurden reale Siegchancen vorausgesagt. Und so begann das Intrigenspiel: Zunächst entzog die Kommunistische Partei ihrem Kandidaten die Nominierung, doch der machte als eigenständiger Kandidat einfach weiter, bis die Behörden die administrative Reißleine zogen und ihm die Kandidatur untersagten.

Unterstützerunterschriften erforderlich

Als Instrument diente der sogenannte "munizipiale Filter". Der schreibt vor, dass Kandidaten, die sich für ein politisches Amt bewerben, eine Mindestzahl an Unterstützerunterschriften anderer Amtsträger vorlegen muss. Angesichts der Monopolstellung der Kreml-Partei Einiges Russland auf allen politischen Ebenen kann damit kein Kandidat einer anderen Partei ohne Vorverabredungen antreten.

Ein beliebtes Mittel, um Oppositionspolitiker von vornherein von Wahlen auszuschließen. Dass es mit Ischtschenko nun einen absolut handzahmen Politiker trifft, zeigt die Nervosität im Kreml. 140 Unterschriften hätte er gebraucht, 143 brachte er an. Aber neun sortierte die Wahlkommission als ungültig aus.

Damit hat der Kreml den letzten ernsthaften Gegenkandidaten aus dem Weg geräumt. Allerdings auch den letzten Zweifel in der Frage, ob Demokratie und Wahlen in Russland mehr als nur Imitation sind. (André Ballin aus Moskau, 22.11.2018)