Nur ein kurzer Blick aufs Handy – 60 Prozent der Studienteilnehmer konnten nicht sieben Tage ohne Social Media sein.

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Ein deutlich gesteigertes Verlangen, Langeweile und ein Einfluss auf positive und negative Stimmungslagen sind klassische Entzugserscheinungen. Sie treten auch auf, wenn Nutzer von Sozialen Medien auf diese Plattformen und Kanäle verzichten müssen, so das Ergebnis einer Studie der Karl Landsteiner Privatuniversität in Krems. Es wurde im Journal "Cyberpsychology, Behavior and Social Networking" veröffentlicht.

Was die Forscher jedoch am meisten überrascht hat: 90 von 152 Teilnehmer haben es nicht geschafft, die in der Studie vorausgesetzten sieben Tage Social Media-Abstinenz durchzuhalten ohne "rückfällig" zu werden.

"Tatsächlich führte schon ein siebentägiger Verzicht auf Social Media bei den Probandinnen und Probanden zu leichten Entzugserscheinungen, wie wir sie vom Suchtmittelgebrauch kennen", erklärt einer der Studienautoren, Stefan Stieger vom Department Psychologie und Psychodynamik. "Insbesondere stieg das Verlangen – die Gier – nach der Nutzung von Social Media in der Abstinenzphase stark an. Ein Effekt, der sogar dann noch messbar war, als Social Media bereits wieder genutzt werden durften."

Sozialer Druck

Auch Langeweile und das Empfinden eines signifikant gesteigerten sozialen Drucks, die Nutzung von Social Media wiederaufzunehmen, traten ein. Letzteres entstand aus dem Gefühl heraus, dass Freunde den Austausch auf Social Media von einem erwarten würden bzw. dass man etwas verpassen könnte. "Das Spüren eines sozialen Drucks", sagt Stieger, "ist umso erstaunlicher, als es den Probandinnen und Probanden erlaubt war, andere Kommunikationskanäle wie SMS und Email zu nutzen."

Insgesamt nahmen an der Studie 152 Personen im Alter von 18 – 80 Jahren teil – davon 70 Prozent Frauen. Die Tatsache, dass über 1.000 Personen die Einladung zur Teilnahme wahrgenommen haben, davon aber nur ca. 30 Prozent überhaupt Interesse zeigten und schlussendlich nur knapp 15 Prozent sich zur Social Media-Abstinenz bereit erklärten, kommentiert Stieger so: "Es liegt die Vermutung nahe, dass sich eher solche Personen zur Teilnahme meldeten, denen der Verzicht auf Social Media leichter fällt – und deren Entzugserscheinungen somit vielleicht auch milder ausfielen als bei anderen. Die Auswirkungen könnten für andere Personen also noch ausgeprägter sein."

Nicht ohne "schummeln"

Ein ihren ersten Vermutungen widersprechende Beobachtung machte das Wissenschafter-Duo bei den Auswirkungen auf die Stimmung der Probanden. Zwar ergab die spätere Auswertung, dass diese Beobachtungen keine statistische Signifikanz aufwiesen, dennoch fiel auf, dass bei einigen Probanden nicht nur das Empfinden positiver Stimmungen – erwartungsgemäß – vermindert wurde, sondern auch das Erleben negativer sich reduzierte. Das war unerwartet, überraschend und entspricht nicht den klassischen Entzugserscheinungen, die ein stärkeres Empfinden negativer Stimmung erwarten lassen würden, so die Forscher.

Ebenso überraschend war die hohe Anzahl an Studienteilnehmern, die "schwach" wurden und in der siebentägigen Abstinenzphase dennoch Social Media nutzen. Zwar passierte dies selten (im Durchschnitt weniger als zweimal) und kurz (durchschnittlich für drei Minuten), insgesamt waren es aber doch fast 60 Prozent der Probanden, die "schummelten". Für Stieger ein Hinweis darauf, wie sehr Social Media in den Alltag integriert sind und wie schwer es dadurch selbst zur Abstinenz bereiten Menschen fällt, dieses Vorhaben konsequent umzusetzen. (red, 15.11.2018)