Der Mauerkirchen-Meteorit in der Schausammlung des Naturhistorischen Museums.

Foto: NHM Wien, Alice Schuhmacher

Die Stücke des Mauerkirchen-Meteoriten im NHM mit ihren Sammlungskärtchen und einer zeitgenössischen Darstellung des Falls. Die ursprüngliche Form des Steines dürfte dabei sehr detailgenau wiedergegeben worden sein.

Foto: NHM Wien, Alice Schuhmacher

Die Hauptmasse des Mauerkirchen-Meteoriten ist diese Woche im Linzer Schlossmuseum zu sehen.

Foto: Landesmuseum/ Herbert Raab

Die Erde ist einem ständigen Bombardement von Materie aus dem Weltall ausgesetzt, dies ist heute allgemein bekannt. Jeden Tag erreichen rund hundert Tonnen extraterrestrischen Materials unseren Planeten. Vieles davon verglüht in der Atmosphäre und endet in einer Meteor genannten Leuchterscheinung, doch so manches Stück außerirdischen Gesteins schafft es als Meteorit bis zur Erdoberfläche und wird mit etwas Glück gefunden. Mit noch mehr Glück kommt ein Meteorit in eine wissenschaftliche Sammlung und steht der Forschung zur Verfügung. Meteorite sind die ursprünglichste Materie des Sonnensystems und liefern uns viele Antworten auf Fragen über die Anfänge unserer Welt.

Erloschene Sterne

Doch dass tatsächlich Steine aus dem Weltall auf die Erde stürzen können, ist eine verhältnismäßig junge Erkenntnis der Wissenschaft – obwohl schon in der Antike entsprechende Berichte als "Fall erloschener Sterne" gedeutet wurden und Meteorite in vielen Kulturen eine besondere Verehrung zuteil wurde. Lange Zeit suchte man für die in unregelmäßigen Abständen beobachteten Fälle von Meteoriten irdische Ursachen. So vermutete man, die vom Himmel fallenden Steine hätten einen fernen Vulkanausbruch als Ursache, die leuchtenden Meteore seien die Folge öliger Ausdünstungen in der Atmosphäre. Ein außerirdischer Ursprung wurde als Aberglaube abgetan, dies stand im Widerspruch zur Auffassung der aristotelischen Philosophie ebenso wie der Lehren Newtons.

Erst ab der Mitte des 18. Jahrhunderts begannen vereinzelte Gelehrte die Berichte über die Aerolithen ernst zu nehmen – auch wenn zum Teil Meteoriten sogar weggworfen wurden, um nicht als unaufgeklärt zu gelten. Schließlich schuf der deutsche Physiker Ernst Florens Friedrich Chladni im Jahr 1794 mit seinem Buch "Über den Ursprung der von Pallas gefundenen und anderer ihr ähnlicher Eisenmassen und über einige damit in Verbindung stehende Naturerscheinungen" die Grundlage der modernen Meteoritenforschung.

Ungewöhnliches Brausen und gewaltiges Krachen

In dieser Phase sorgte vor 250 Jahren ein bei der heute in Oberösterreich liegenden bayerischen Gemeinde Mauerkirchen vom Himmel gefallener Stein für Aufsehen in den gelehrten Kreisen. Der Meteoritenfall am 20. November 1768 ist nicht nur einer der frühesten detailliert beschriebenen Fälle, es handelt sich bei Mauerkirchen auch um den ältesten und mit ursprünglich 21,3 Kilogramm schwersten der acht bekannten Meteoriten auf österreichischem Gebiet.

Ein unbekannter Beamter des Rentamts Burghausen verfasste einen akkuraten Bericht über das "Wunderwerk der Natur". Darin heißt es: "Den 20ten November dieses Jahrs Abends nach 4 Uhr bey einem gegen Occident merklich verfinsterten Himmel hörten zu Maurkirchen verschiedene ehrliche Leute, welche darüber eidlich vernommen worden, ein ungewöhnliches Brausen und gewaltiges Krachen in der Luft, gleich einem Donner und Schießen mit Stucken. Unter diesem Luftgetümmel fiel ein Stein aus der Luft in des Georg Bart, Söldners, Feld herab. Dieser Stein machte, Obrigkeitlichem Augenschein, eine Grube von 2 1/2 Schuh ( rund 75 Zentimeter, Anm.) tief in die Erde. Er hält nicht gar einen Schuh in der Länge: ist 6 Zoll breit, und wiegt 38 Baierische Pfunde. Er ist von einer so weichen Materie, daß er mit Fingern sich zerreiben läßt. Die Farbe davon ist blaulecht, mit einem weißen Flusse oder Fließerlein vermengt, aussenher aber ist er mit einer schwarzen Rinde überzogen."

Gelehrte Männer

Der Bericht des Rentamts Burghausen wurde als Brief an eine "Gesellschaft gelehrter Männer von der alten Art" geschickt, die dieses Ereignis "bey einem Gläschen Wein" neben anderen aktuellen wundersamen Begebenheiten wie "drey Sonnen zugleich im himmel, der ausserordentliche Fall des Quecksilbers in dem Barometre, und die zween nur 48. Stunden voneinander erschienene Nordlichter" diskutierten. Einer der "gelehrten Männer der alten Art" erhielt den Auftrag, eine Abhandlung über den vom Himmel gefallenen Stein zu verfassen, die 1769 gemeinsam mit dem Brief unter dem Titel "Nachricht und Abhandlung von einem in Bayern unweit Maurkirchen den 20. November 1768 aus der Luft herab gefallenen Stein" veröffentlicht wurde. Darin stellte er die These auf, der Stein habe sich in der Luft gebildet: "Steine können in der Luft gestaltet werden, wenn alldorten steinartige Materien anzutreffen sind".

"Vielleicht wächst der Stein im Fallen, wie man es bey dem Hagel und den Schneeflocken wahrnimmt", führt er zur Untermauerung seiner Idee an. Dass der Stein so tief in den Boden eindringen konnte, erklärt der ungenannte Gelehrte mit der Fallhöhe, die er so einschätzt: "Diese Höhe können wir füglich auf 4000 Schuhe (rund 1200 Meter, Anm.) setzen: Denn so hoch, sagt man, können die Wolken steigen."

Aristotelische Afterphilosophie

"Also bleibts dabey, die Alten hatten recht, und behalten recht" – neben der ganzen Reihe naturwissenschaftlicher Irrtümer war dies die größte Fehleinschätzung.

Es blieb nicht dabei, und die Alten behielten nicht recht. Chladni beschrieb die Abhandlung über den Mauerkirchenfall so: "Außer dem Briefe aus dem Rentamte Burghausen, welcher die Erzählung selbst enthält, findet sich darin nicht viel Bemerkenswertes". Der württembergische Justizminister und Astronom Ferdinand Adolf von Ende nannte in seinem Buch "Ueber Massen und Steine, die aus dem Monde auf die Erde gefallen sind" die Abhandlung als "Ausgeburt eines, mit Aristotelischer Afterphilosophie angefüllten, finsteren Mönchskopfs".

Glücklicherweise wurde der Mauerkirchen-Meteorit trotz der weit verbreiteten Lehren dieses und anderer finsterer Mönchsköpfe aufbewahrt. Etwas weniger als zwei Drittel der ursprüngliche Masse sind noch heute erhalten und auf zahlreiche internationale Sammlungen verteilt. Die Hauptmasse liegt heute im Museum Reich der Kristalle der Münchner Mineralogischen Staatssammlung. Das Naturhistorische Museum in Wien (NHM) verfügt über insgesamt rund 636 Gramm und das drittgrößte Stück.

Seltene Fälle

Meteorite, deren Fall beobachtet werden konnte, sind für die Forschung von besonderer Bedeutung – schließlich sind sie nicht durch irdische Einflüsse verändert. Bisher sind erst 1170 Meteoritenfälle bekannt, und Mauerkirchen zählt zu den ältesten, von denen noch Material erhalten ist.

So selten Meteorite generell sind, so häufig ist das Material, aus dem der Mauerkirchen-Meteorit besteht, innerhalb der Klassen der Meteorite. Mauerkirchen wird als Chondrit der Kategorie L6 eingestuft. Mehr als drei Viertel aller bekannten Meteorite sind sogenannte gewöhnliche Chondrite. Diese Steinmeteorite enthalten typische Silikatkügelchen, die Chondren. Sie stammen von Asteroiden, die sich nicht differenziert haben, sich also nicht durch eine Aufschmelzung in einen Eisenkern und eine steinerne Hülle getrennt haben. Das Material ist daher seit der Entstehung des Sonnensystems weitgehend unverändert. Innerhalb der Chondrite machen die L-Chondrite die größte Gruppe aus. L steht für "Low", diese Meteorite sind durch einen relativ geringen Eisenanteil gekennzeichnet. Von diesen wiederum sind die L6-Meteoriten die mit Abstand häufigste Gruppe. Insgesamt sind von den bereits mehr als 68.000 wissenschaftlich klassifizierten Meteoriten mehr als 10.700 als L6 eingestuft.

Der Ursprung der L-Chondrite liegt in einer gewaltigen Kollision im Asteroidengürtel vor rund 470 Millionen Jahren im Ordovizium. Der Mutterasteroid der L-Chondrite wurde dabei völlig zerstört, das innere Sonnensystem danach einem Meteoritenbombardement ausgesetzt. Zahlreiche Krater auf der Erde werden mit diesem Ereignis in Verbindung gebracht.

Führung im NHM

Anlässlich des 250. Jahrestages des Meteoritenfalls von Mauerkirchen findet im NHM am Montag eine Spezialführung statt. Der Kurator der ältesten Meteoritensammlung der Welt Ludovic Ferrière präsentiert dabei die vielfältigen Zeugen historischer Meteoritenfälle. In Linz wiederum findet im Ars Electronica Center und im Schlossmuseum eine Aktionswoche statt. Zum Thema "Faszination Meteoritenfall" können Führungen und Präsentationen besucht werden. Das Schlossmuseum erhielt die fast sieben Kilogramm schwere Hauptmasse des Meteoriten für diese Woche als Leihgabe.

Mauerkirchen ist nicht der einzige Meteorit des NHM, der im Jahr 2018 ein Jubiläum feiert. Seres, der einzige Meteorit Griechenlands, fiel im Jahr 1818. Seit 1844 befindet er sich in der Sammlung des NHM. Anlässlich des zweihundertsten Jahrestages besuchte Seres kürzlich das Land seiner Herkunft und war als Leihgabe erstmals in Griechenland im Herakleidon-Museum ausgestellt.

ΕΡΤ Α.Ε.

(Michael Vosatka, 18.11.2018)