Emmanuel Macron will die von ihm gegründete Bewegung La République en Marche (LREM) nicht als Partei gesehen wissen.

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Seit gut einem Jahr ringen die liberalen Parteien Europas unter der Anführerschaft Guy Verhofstadt, ihres Fraktionschefs im Europäischen Parlament, um eine Lösung, wie sie sich für die Europawahlen im Mai 2019 am besten aufstellen könnten. Bis zum Wochenende konnte man annehmen, dass die Alde jedenfalls mit einem starken gemeinsamen Spitzenkandidaten antreten werde.

Das hatten die Euroliberalen schließlich bereits vor fünf Jahren so gemacht, im Paarlauf mit allen anderen tragenden Fraktionen in Straßburg. Man wolle näher an die Bürger heran, lautete damals das Argument für das "Modell Spitzenkandidat". Von den Abgeordneten in Straßburg wurde es besonders vehement vertreten, festgeschrieben und beschlossen: als politisches Gegengewicht zur "Hinterzimmerpolitik" der Staats- und Regierungschefs.

Die Parlamentarier wollten ihren Europaprogrammen "ein Gesicht geben". Und der/die Spitzenkandidat/in der siegreichen Parteifamilie sollte das Recht haben, Chef der EU-Kommission zu werden. So sah das immer auch Verhofstadt: Er war 2014 selbst Spitzenkandidat.

Einknicken

Nun ist plötzlich alles anders. Die Euroliberalen beschlossen, das Modell aufzugeben, stattdessen mit einem "Spitzenteam" anzutreten. Das klingt auf den ersten Blick auch gut. Leider steckt dahinter aber ein Einknicken vor einem Mann respektive einem Staatsmann, dessen Macht man noch vor einem Jahr unbedingt eingrenzen wollte: vor dem französischen Staatspräsidenten.

Emmanuel Macron lehnte das Modell Spitzenkandidat bei Europawahlen von jeher dezidiert ab, weil er dann auf EU-Ebene nicht so mitspielen könnte, wie er will. Die von ihm gegründete Bewegung La République en Marche (LREM) ist nicht Mitglied des liberalen Dachverbands. Macron will sie auch gar nicht als Partei gesehen wissen. In Frankreich hat er so die Parteienlandschaft abgeräumt und – dank des Mehrheitswahlrechts – in einem zugespitzten Wahlkampf gegen die extrem Rechte Marine Le Pen triumphiert.

Das will er nun auf EU-Ebene wiederholen. Für die aus vielen (eher kleinen) Parteien bestehende Alde ist das mit einem nicht unbeträchtlichen Risiko verbunden: Es könnte bei den Wählern der Eindruck entstehen, sie seien von Paris gesteuert. Auf der anderen Seite geht es um Macht und Mandate im EU-Parlament. En Marche bringt der Alde zwei Dutzend Mandate mit, wenn es gut geht. Dafür will man auf ein Gesicht im Wahlkampf verzichten.(Thomas Mayer, 11.11.2018)