Eine Theaterregisseurin, die ihre Wurzeln als Sängerin bescheiden verschweigt: Mateja Koleznik.

Foto: Thomas Dashuber

Es gibt eine Zeit, da ist man zu jung, um zu wissen, was man tut. Bei Mateja Koleznik waren das die Teenagerjahre in Metlika im Süden Sloweniens. Wenn man die heute 56-Jährige auf ihre jugendliche Gesangskarriere anspricht, senkt sie ein wenig beschämt den Kopf. Völlig zu Unrecht, denn ihre Stimme ist ausdrucks-stark und betörend. Klein Mateja wollte damals unbedingt auf die Bühne. Sie habe ihre Eltern traktiert und es tatsächlich geschafft, Konzerte zu geben. Welcher Art? "Wie Leonard Cohen, nur sehr, sehr schlecht", sagt sie heute. Die Übersetzerin widerspricht: Mateja war eine der bekanntesten Sängerinnen Sloweniens.

Die nunmehrige Theaterregisseurin greift auch heute noch zum Mikrofon. Aber darüber wissen nur Eingeweihte Bescheid und vielleicht ihre Theaterfamilie. Und diese wächst im deutschsprachigen Raum gerade an. Der Zufall hat die Theatermacherin vor einigen Jahren nach Deutschland geführt, nach Chemnitz, wo sie mit Yvonne, Prinzessin von Burgund reüssierte. Die Inszenierung wurde zum slowenischen Theatertreffen in Maribor eingeladen. Ein Jahr später erhielt sie ebenda für ihren John Gabriel Borkman den Preis für die beste Regie. Ein gewisser Martin Kusej war zugegen und engagierte die Regisseurin vom Fleck weg an das Münchner Residenztheater, wo Koleznik mittlerweile ihre zweite künstlerische Heimstatt gefunden hat.

Koleznik und Kusej kennen einander seit beinahe 30 Jahren, hat doch der gebürtige Kärntner schon früh am Slowenischen Nationaltheater Ljubljana inszeniert, wo auch Koleznik nach Stationen in ganz Ex-Jugoslawien Fuß fasste. Bis heute ist Kusej einer ihrer wichtigsten künstlerischen Partner, weil er sich nicht scheut, Kritik zu üben, wie sie sagt. Dass sie dem designierten Burgtheaterdirektor nächsten Herbst nach Wien folgen wird, darauf kann man wetten.

Föttinger war der Erste

Wien ist für Mateja Koleznik kein unbekanntes Pflaster. Der umtriebige Josefstadt-Intendant Herbert Föttinger war hier der Erste, der auf die Regisseurin aufmerksam wurde. 2017 realisierte sie mit Ibsens Wildente eine der seit langem besten Inszenierungen am Haus. Koleznik schafft es, dem Schauspielertheater jenen Dreh zu geben, der es aus den Fallen des Realismus und damit auch der Glaubwürdigkeitszwickmühle führt. Ähnlich ihrem deutschen Kollegen Michael Thalheimer gewinnen ihre Inszenierungen durch Purismus, Formstrenge und Schauspielerführung.

Vor allem Raum und Musik charakterisieren die jeweiligen Arbeiten. Ihre Vorliebe für enge, oft aseptische Räume (Treppenaufgänge, Zwischenräume, Flure) zwingt Figuren dazu, ihre Nöte auf kleinstem Raum zu zeigen. Energie wird somit verdichtet. Es ist, als ob Koleznik ihre Figuren durch einen Kondensator schicken würde. Zu sehen sind Menschen in sehr intensiven Situationen. Diese Bühnenpoesie trifft nun auf Arthur Schnitzlers Schauspiel Der einsame Weg. Dabei kann Koleznik auf den Proben ziemlich unangenehm werden, wie sie sagt, und zwar dann, wenn sie nach der richtigen Emotion einer Figur sucht.

Postdramatik ist jedenfalls nicht ihr Ding. Koleznik hat sich mit angelsächsischen Dramen sozialisiert und ist auf klassische Stücke abonniert. Figuren psychologisch zu erschließen, davor hat sie keine Scheu. Das hat mit ihrer slowenischen Herkunft zu tun: "Am Balkan fühlen wir mehr, als wir denken", sagt sie. So ist Koleznik gerade dabei, dem deutschsprachigen Theater, das im Gedankenkonzept seine Stärke hat, die Emotion wieder beizubringen. Die Besonderheit ihrer Schauspielführung liegt darin, dass sie performative Qualitäten in den Spielern wachzurufen versucht.

"Konventionelle Regisseurin"

Ihre Lieblingsautoren sind Tschechow, Ibsen, Gogol, Gorki und Grillparzer. Sie alle verstünden es, weibliche Figuren bestmöglich zu fassen zu kriegen, so Koleznik. Einige von ihnen hat sie bereits inszeniert, andere stehen noch auf der Wunschliste, darunter auch der slowenische Dichter Gregor Strnisa (1930-1987), dessen Dichtkunst von Melancholie, Trauer und Schicksalergebenheit geprägt ist. Seinen Namen erwähnt sie wehmütig, weil sie weiß, wie viele schlechte Übersetzungen es aus dem Slowenischen gibt. Der Sprachraum sei einfach zu klein, sagt sie, umso wichtiger die Rolle des Theaters in Slowenien.

Bescheiden nennt sich Koleznik eine "eher konventionelle Regisseurin". Darauf käme man als Zuseher nicht. Dass Zweifel stets ihre Arbeit begleiten, scheint für eine Person, die in den Teenagerjahren die Bühnen ihres Landes rockte und dort heute mit Tomaz Pandur zu den wichtigsten Regiekräften ihrer Generation zählt, doch überraschend. Ähnlich unprätentiös blickt sie ja auch auf ihre Gesangskarriere zurück.

Koleznik geht es am Theater aber nicht nur um schlüssige Psychologien, sondern um die repräsentativen Muster unserer Gesellschaft. Da schlägt sie einen durchdringenden, völlig unsentimentalen Ton an, der die Regisseurin in ihr zum Vorschein bringt: "Wenn wir nur auf unsere Chakren schauen, verlieren wir den Blick auf das Wesentliche. Deshalb müssen wir uns am Theater wieder mehr Autoren und Stücken zuwenden, die die Gesellschaft als Ganzes betrachten. Wenn wir Demokratie haben wollen, dann müssen wir auch etwas dafür tun. Wir müssen wählen gehen und nicht zum Psychotherapeuten!" (Margarete Affenzeller, 9.11.2018)