"Ob ich beliebt war? Ich weiß es nicht. Bei vielen vermutlich nicht. Chefin zu sein brachte es mit sich, sich hier nicht nur Freunde zu machen." Elisabeth Gürtler zieht nach elf Jahren Arbeit für die Spanische Hofreitschule nüchtern Bilanz. Ihre Bereiter begleiteten sie von Kindheit an, bei ihrer Ausbildung wie auf Turnieren. So gern sie allein über reiterliche Belange diskutiert hätte, musste sie doch Druck machen und hohe Arbeitsleistung einfordern, sagt sie. Sie habe die Spanische modernisieren müssen, ihr eine Zukunft geben, um ihr zu ersparen, dass letztlich der Staat den Rechenstift ansetze – "mit Leuten, die keine Ahnung von Pferden haben". Sie hoffe, dass ihre Leute im Nachhinein verstehen, dass sie es nicht tat, um sie zu sekkieren.

Gürtler verlässt mit Jahresende die Geschäftsführung der Hofreitschule, vier Jahre vor Ablauf ihres neuen Vertrags. Der Jurist Erwin Klissenbauer bleibt. Er saß, wie Gürtler schmunzelnd erzählt, noch nie auf einem Pferd, habe die Verwaltung und die Zusammenarbeit mit den Ministerien jedoch viel besser im Griff als sie. "Wir beide waren ein gutes Gespann."

Elf Jahre lang führte die Grande Dame der Hotellerie, Elisabeth Gürtler, die Lipizzaner durch wirtschaftliche Höhen und Tiefen: "Eine Pferdezucht kann nie kostendeckend sein."
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Die einstige österreichische Vize-Staatsmeisterin im Dressurreiten stand stets im Licht der Öffentlichkeit. Mehr als ein Vierteljahrhundert lang führte sie das Traditionshotel Sacher, das Peter Gürtler ihren gemeinsamen zwei Kindern nach seinem frühen Tod hinterließ. Acht Jahre lang organisierte sie den Wiener Opernball. Privat mehr als zwei Jahrzehnte lang an ihrer Seite war Schauspieler und Theaterdirektor Helmuth Lohner, der vor drei Jahren verstarb.

Sie hatte in ihrem Leben so viel Öffentlichkeit, dass es nun keinen Grund gebe, diese nach dem Rückzug aus der Hofreitschule zu vermissen, sagt Gürtler. Im Übrigen seien ihr Menschen, die nicht damit aufhören könnten, sich immer wieder "krampfhaft ins öffentliche Leben einzubringen" unsympathisch. "Es ist peinlich. Die Leute wollen schließlich neue, jüngere, feschere Gesichter sehen." Die 68-Jährige konzentriert sich künftig auf ihr Fünfsternehotel Astoria in Seefeld. Ihr Vater, der einstige Getreide- und Lebensmittelhändler Fritz Mauthner, hatte den Tiroler Betrieb ihrer Familie vererbt, Gürtler renovierte ihn. "Ich habe viel Geld hineingesteckt, hohe Kredite offen. Ich bin verpflichtet, das Hotel zum Laufen zu bringen, es muss sich rechnen."

Jahrelang war sie zwischen Tirol und Wien hin- und hergerissen, meint sie – begleitet von schlechtem Gewissen, weder der Hofreitschule, mit der sie einen Halbtagesvertrag habe, noch dem Hotel, das viel Einsatz an Ort und Stelle verlange, gerecht zu werden. Neben den beiden Jobs verwaltet sie etliche Wiener Immobilien.

"Ich bin eine One-Woman-Show, alles, jede Rechnung geht durch meine Hände. Doch der Druck wurde mir zu groß, das war kein Leben mehr."

Elisabeth Gürtler 2017 mit hohem Besuch. Prinz Charles und Herzogin Camilla (im Bild) waren zu Gast.
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Warum sich nicht von einem Teil der Immobilien trennen und sich ein entspannteres Leben machen? Gürtler schüttelt beinahe ungehalten den Kopf. Sie habe viele große österreichische Familien gekannt. "Was ist davon heute noch übrig? Das meiste ist verkauft, die Erben leben vom Erbe, und auch das wird irgendwann zu Ende sein." Sie hingegen wolle bestehende Substanz nicht verbrauchen, sondern erhalten. Und sie hoffe, dass der Geist, Erarbeitetes über viele Generationen zu führen, auch in ihren Kindern und Enkeln weiterlebe.

Ein luxuriöses Leben zu führen sei ihr nie wichtig gewesen, sagt Gürtler. "Ich habe zwei Autos und ein kleines Haus in Grinzing." In guten Hotels lebe sie, um sie mit den eigenen Unternehmen zu vergleichen. Auf Flugreisen wähle sie üblicherweise die günstigen Sitze.

Glücklich war sie, als sie in jungen Jahren auf dem Land lebte und abends vom Schlafzimmer aus von den umliegenden Ställen das leise Pochen der Pferdehufe auf die Boxen hörte, sinniert sie. "Fällt mein Blick auf abgeerntete Felder, denke ich noch heute als Erstes daran, wie schön es wäre, hier auszureiten." Auf einer guten Futterwiese sehe sie in Gedanken ihre Pferde grasen. In den Sattel stieg die einstige Leistungssportlerin, die in ihrer Karriere zwei schwere Unfälle erlitt, seit der Übernahme des Sachers aber nie wieder. "Es war eine Entscheidung des Kopfes, nicht des Herzens."

Gürtler erlebte in ihrer Kindheit Drill und strenge Erziehung. Auch später zwang sie sich auf Kosten des Privat- und Familienlebens in ein engmaschiges Arbeitskorsett bis spät in die Nacht. Sie sprengte beruflich auch in so manch Aufsichtsräten Männerdomänen. Feministin will sie nicht genannt werden, von Frauenquoten in der Wirtschaft hält sie noch weniger.

Gut 100.000 Euro spielt eine Vorführung der tanzenden Lipizzaner ein. "Ich wollte der Hofreitschule ersparen, dass der Staat den Rechenstift ansetzt – mit Leuten, die von Pferden keine Ahnung haben", sagt Gürtler.
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Die Hofreitschule erlebte in ihrer Ära die Angelobung der ersten Frau als Bereiterin. Gürtler engagierte sich für die duale Lehrlingsausbildung, baute den Standort Heldenberg aus und führte den jährlichen Sommerball Fête Impériale ein. Die 450-Jahr-Feier auf dem Wiener Heldenplatz glückte. "Es war ein enormes Risiko, hätte es geregnet, wären wir auf unseren Kosten sitzengeblieben." Vielleicht überschätze sie es ja, resümiert sie, aber sie habe die Reitschule auch für die Wiener geöffnet. "Es sind heute keine weißen Pferde hinter irgendwelchen grauen Mauern mehr."

Tanz in der Verlustzone

Der Sprung in die Gewinnzone gelang ihr nur vereinzelt, konkret zweimal seit 2007. Auf 460.000 Euro summierten sich die Verluste im Vorjahr. Die Umsätze stagnieren bei knapp elf Millionen Euro. Seit 2016 gibt es eine jährliche Zuchtförderung von einer Million Euro. Gürtler führt die Abgänge auf den gesetzlichen Auftrag zurück, in Piber eine Pferderasse zu erhalten. "Eine Pferdezucht kann nie kostendeckend sein." Die Hofreitschule sei ein Kulturbetrieb. Und verglichen mit einem Theater sei der Anteil an Eigendeckung mit heuer 92 Prozent hoch.

Gnadenbrot für alte Stuten

Der Umsatz hänge von der Zahl der Tourneen ab, und diese ließen sich nicht erzwingen. Gut 100.000 Euro spielt eine Vorführung der tanzenden Lipizzaner ein. Viele europäischen Märkte, von Frankreich über England bis Deutschland, sind aus Gürtlers Sicht stark abgegrast. Neue Chancen sieht sie im arabischen Raum, in Ländern wie Russland, Japan und China. Aber dafür müsse sich erst einmal einer finden, der 27 Pferden die Reise dorthin finanziere. Pro Flug kostet das bis zu 400.000 Euro.

Wer Gürtler kommendes Jahr in der Hofreitschule nachfolgt, ist offen. Sie selbst wird es neben Tirol künftig vermehrt nach Niederösterreich ziehen, auf einen privaten Landsitz ihrer Familie, der seit 45 Jahren nicht mehr bewohnt und beheizt wurde. Sie werde ihn trockenlegen und isolieren lassen, damit er nicht gänzlich einstürzt, sinniert sie. "Es soll wieder neues Leben hinein." Später wolle sie dort auch eigene Pferde halten, vielleicht eine kleine Zucht aufbauen oder einen Gnadenhof für alte Stuten schaffen. "Irgendetwas, das mich glücklich macht." (Verena Kainrath, 10.11.2018)