Erwin Kotányi führt den gleichnamigen Gewürzhersteller mit Sitz im Weinviertel. Dort schaut er dreimal täglich was der Rubel macht, wenn er nicht gerade durch die Länder reist, die er schon beliefert. Lieber zu früh, als zu spät dran sein, ist seine Devise. Deswegen ist er durch Osteuropa gereist, als dort noch regelrechte Einöde herrschte.

STANDARD: Haben Sie Wladimir Putin schon dorthin gewünscht, wo der Pfeffer wächst?

Kotányi: Wegen der Russland-Sanktionen? Wir waren nur kurz davon betroffen, und das irrtümlich. Bei jenen Produkten, die in das Frischwarenembargo der EU hineingekommen sind, mussten wir massiv nachweisen, dass sie nicht aus der EU gekommen sind. Nach einem halben Jahr haben wir es geschafft, die Zollbehörden zu überzeugen, dass wir in der EU produzieren, aber hier nicht die Frischwaren einkaufen.

STANDARD: Russland ist für Sie mittlerweile ein wichtiger Markt. Pfeffer isst man überall gern. Womit würzt man in Russland?

Kotányi: Pilaw-Gewürze zum Beispiel oder Piment für Krautgerichte. In Russland wirft man auch fast überall Lorbeer hinein.

STANDARD: Lorbeer kommt aus der Türkei. Auch nicht gerade ein stabiles Land. Sie haben sich von dort vor einigen Jahren zurückgezogen. Russland steht nicht zur Debatte?

Kotányi: Wir machen dort mittlerweile 20 Prozent unseres Umsatzes und erwirtschaften auch Erträge, derzeit noch im bescheidenen Bereich. Aber Russland wächst weiter. Also nein.

Erwin Kotányi (61) sprang in jungen Jahren ins kalte Wasser. Den Familienbetrieb übernahm er aufgrund des überraschenden Todes seines Onkels früher als geplant. Bereut hat das der leidenschaftliche Tennisspieler und Skifahrer, der auch einen Oldtimer in der Garage hat, nicht. Er kam in entlegene Gegenden, als dort noch nicht viel los war.
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STANDARD: Sie waren mit der Ostexpansion sehr früh dran. Was ist geblieben?

Kotányi: Ich bin am Anfang in viele urige Gebiete gereist und habe mir gedacht: Was mache ich da? Da sollen wir etwas verkaufen? Dann hat es mir riesige Freude gemacht, als wir die ersten Umsätze gesehen haben. Wir hatten dann immer die Devise: Eher zu früh als zu spät.

STANDARD: Wirtschaftskrise und Währungsabwertung in Russland schrecken Sie nicht ab?

Kotányi: Die Wirtschaftskrise haben wir insofern gemerkt, als der Handel viele Billig- und Eigenprodukte aufgerüstet hat. Da haben wir schon höhere Anteile verloren. Die holt man nicht so leicht wieder zurück. Die Währungsabwertung trifft uns massiv. Wir schauen jeden Tag dreimal, was der liebe Rubel macht. Wir müssen überlegen, was wir tun, wenn der Rubel um 15 bis 20 Prozent abwertet. Dann müssen wir natürlich Preise erhöhen. Putin und Konsorten schauen aber darauf, dass in Russland trotz aller Rubelabwertungen das Preisniveau nicht hinaufgeht.

STANDARD: Wie wichtig ist der Preis?

Kotányi: Was uns wirklich beschäftigt, ist der Abstand zu den Billigprodukten in Preisfragen. Wir wollen Mainstream bleiben und dürfen ja nicht exklusiv werden. Denn sonst stellt uns der Handel mit den Top-Ten-Spezialitäten irgendwohin. Das ist nicht unsere Strategie.

STANDARD: Was Putin, Trump und Co so machen, zählt also zu Ihrer Pflichtlektüre?

Kotányi: Ja. Wer wann warum auf wen böse ist, jede Streiterei der USA mit irgendjemandem müssen wir beobachten und antizipieren in Währungen oder Vorkäufen. Die Gewürze haben sich immer bewegt, aber die letzten zwei, drei Jahre noch mehr. In der Gewürzwelt brauchen wir aber nicht nur das Öl und den Dollar, sondern die richtigen klimatischen Bedingungen. Wirbelstürme, große Trockenheiten: Oft heißt es von einem Tag auf den anderen, dass die Preise durch Ernteausfälle um 40 oder 50 Prozent hinaufgehen.

STANDARD: Was ist aktuell?

Kotányi: Momentan beschäftigt uns Vanille. Die Absätze sind massiv zurückgegangen. Der Handel will das nicht mehr listen, weil es zu teuer ist. Im Vergleich zu den letzten vier, fünf Jahren sind wir beim siebenfachen Preis. Da spielt auch der Trend der Industrie zu mehr Natürlichkeit hinein. Viele sind von Vanillin auf natürliche Vanille umgestiegen. Das Eis muss zum Beispiel auch die schwarzen Pünktchen zeigen.

In immer mehr Produkten findet sich echte Vanille. Auch das schlägt sich im Preis von hunderten von Euro für ein Kilo nieder.
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STANDARD: Das klingt nervenaufreibend. Dabei wirkt die Marke so beschaulich.

Kotányi: Die Marke wird verjüngt werden. Die älteren Gruppen haben wir durch die Tradition, aber auch durch eine starke Präsenz im Lebensmittelhandel. Aber es ist unsere Aufgabe, die jüngere Zielgruppe zu binden.

STANDARD: Sie sprechen von Produkten wie Blütenzauber?

Kotányi: Ich spreche von unserer neuen Veggielinie. Wir sind jetzt "Go veggy". In den nächsten eineinhalb, zwei Jahren werden wir auch einen Neuauftritt im Verpackungsdesign haben.

STANDARD: Und was fehlt in keiner österreichischen Küche?

Kotányi: Pfeffer ist führend, bei den Mischungen ist Brathuhn an der Topstelle gereiht. Paprika ist auch sehr stark, Österreich ist ein klassisches Paprikaland. Auch Kümmel ist ein Renner – Stichwort Schweinsbraten. Pizzagewürz geht auch noch immer sehr gut. Wir verkaufen viel mehr, als Leute zu Hause Pizzen machen. Vorgefertigte Pizzen werden – egal, wie viel schon oben ist – nachgewürzt. Davon bin ich überzeugt.

STANDARD: Was war Ihr erfolgreichstes Produkt?

Kotányi: Die Glasmühle, eindeutig. Sie können sich fast jede Geschmacksrichtung aussuchen – für die Nachwürzung perfekt.

STANDARD: Nachfüllbar ist sie dagegen nicht. Wäre das nicht im Sinne der Nachhaltigkeit gut?

Kotányi: Wir haben es in der Schublade. Aber die Mühle ist so erfolgreich, und alles, was erfolgreich ist, rührt man nicht so schnell an. Das war schon eine Überraschung. Wir haben sie optimal designt, ein zweistufiges Mahlwerk eingebaut, das haben aber leider nicht alle durchschaut.

Gewürzproduktion in Wolkersdorf im Weinviertel. Dort werden jährlich 10.000 Tonnen Rohwaren verarbeitet, die aus aller Herren Länder kommen.
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STANDARD: Plastik gerät ziemlich in Verruf. Haben Sie Antworten?

Kotányi: Wir denken im gesamten Verpackungssektor über Kunststoff und Alternativen nach. Es wird auch im Briefpackungsbereich Optimierungen geben. Wir haben keine moralischen Vorgaben und die Kunststoffverordnung gebraucht, um nachzudenken, wie man ökologisch und ökonomisch denkt. Bei manchen Dingen gibt es eben nicht so viele oder keine Alternativen in der Funktionalität.

STANDARD: Alternativen gibt es dafür jetzt in Sachen Arbeitszeit. Kommt Ihnen die Neuregelung des Zwölfstundentages entgegen?

Kotányi: Es ist gut, dass es das gibt, aber nur für Ausnahmen. Grundsätzlich ändern wir nichts an der Arbeitszeit. Wir schauen, dass wir die Leute nicht überstrapazieren.

STANDARD: Im Sinne der Work-Life-Balance? Sie soll jungen Menschen besonders wichtig sein.

Kotányi: Nicht nur. Das ist auch für ältere Mitarbeiter ein Thema. (Regina Bruckner, 11.11.2018)