Ayanna Pressley, erste schwarze Abgeordnete aus Massachusetts.

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Lesben, Schwule, Native American Women, Women of Colour, Latinas, Musliminnen: Sie alle sitzen jetzt erstmals oder in größerer Anzahl im US-Repräsentantenhaus. Menschen, die seit Donald Trumps Präsidentschaft sowohl rhetorisch wie auch realpolitisch als Bürger und Bürgerinnen zweiter Klasse behandelt wurden, wie in alten Zeiten. Denn der beliebte Wahlspruch "Make America Great Again" bedeutet für nichtweiße, nichtheterosexuelle Männer Regression. Ein Zurück in alte, vermeintlich bessere Zeiten, und seien es auch nur zehn oder zwanzig Jahre, ist für Frauen und Minderheiten eine Bedrohung. Das zeigte sich bei den Midterm-Wahlen deutlich, auch wenn es nicht das Denkzettelergebnis ist, das sich die Kritiker der Trump-Regierung gewünscht hatten.

Doch immerhin waren noch nie so viele Frauen in der Politik wie nach diesen Wahlen, 99 weibliche Abgeordnete werden ab Jänner im Repräsentantenhaus sitzen. Mehr als 230 Frauen hatten sich der Wahl gestellt, und noch mehr engagierten sich und werden das auch weiterhin tun. Zuletzt zeigten die Proteste gegen den inzwischen zum Höchstrichter ernannten Brett Kavanaugh, dass der Kurs zurück in präfeministische Zeiten nicht einfach so hingenommen wird. Und dass die Anliegen, ob Bürgerrechte oder Abtreibungsrechte, von Frauen und Minderheiten alles andere als ein Nebenschauplatz sind, Anliegen, die nun oft durch ein und dieselbe Person im Repräsentantenhaus vertreten sein werden. Etwa durch die erste schwarze Abgeordnete aus Massachusetts, Ayanna Pressley, die Muslimin Ilhan Omar, die aus Somalia in die USA flüchtete, oder die lesbische Sharce Davis.

Kein "wir" oder "die"

Folgende These ist gerade besonders hip: "Nebenschauplätze" wie die Stärkung von LGBTIQ- und Frauenrechten oder der Schutz religiöser Minderheiten hätten den ohnehin schon Angry White Man noch zorniger gemacht, und genau das habe uns den rechten bis rechtsradikalen Schlamassel eingebrockt. Gerade so, als ob die – fraglos vorhandenen – Probleme des weißen Mannes aus weniger privilegierten Schichten mehr wert wären als die aller anderen; also ob ein wacher Blick für die Lebensrealitäten der einen es erfordere, andere respektlos zu behandeln und ihre Rechte zu kappen; als ob es notwendigerweise ein "Wir oder die" geben müsste.

Dass für Rechtspopulisten die Strategie "Teile und herrsche" erfolgversprechend ist und deshalb bis zum Gehtnichtmehr ausgereizt wird, was auch die gezielte Ausweitung der Grenzen eines frauenfeindlichen, homosexuellenfeindlichen und rassistischen Diskurses bedeutet, macht nicht nachvollziehbar, warum in so vielen Analysen von den Klein-Klein-Anliegen jener Gruppen gesprochen wird, die jetzt im Repräsentantenhaus gestärkt vertreten sind.

"Das vielleicht schlimmste Element der heutzutage von der Linken praktizierten Identitätspolitik besteht darin, dass sie eine entsprechende Politik der Rechten ausgelöst hat", schreibt Francis Fukuyama in einem im STANDARD veröffentlichen Vorabdruck seines neuen Buches. Es ist erstaunlich, dass offenbar nicht die extrem reaktionären Reaktionen auf die Forderung nach Gerechtigkeit als Problem gesehen werden, sondern diese Forderung selbst.

Bloß kein Unbehagen

Trumps Aussagen direkt nach dem Rechtsextremen-Aufmarsch in Charlottesville im Jahr 2017, die Linken hätten "ebenso Schuld", und zahllose andere erschreckende Sprüche von Trump oder seinen UnterstützerInnen, an die die Dokumentation "Mission Wahrheit" wieder erinnert, zeigen, wie zynisch diese Position ist.

Es darf nicht darum gehen, den Mund zu halten, damit sich Konservative bis sehr Rechte nicht unbehaglich fühlen. Es geht um Fortschritt gegen Rückschritt, um Demokratiebestrebungen gegen ein Zurück zu alten Herrschaftsverhältnissen. Die Präsenz von Frauen und Minderheiten in der Politik und von einem entsprechenden politischen Programm ist wieder ein Schritt in die Zukunft und eine Abkehr von falscher Nostalgie. (Beate Hausbichler, 8.11.2018)