Theresa May ist optimistisch.

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Die Verhandlungen der EU-27 mit der britischen Regierung stehen offenbar unmittelbar vor einem positiven Abschluss. Bereits "in den nächsten Tagen" könnte es zwischen EU-Verhandler Michel Barnier und seinen Gesprächspartnern in London eine Einigung geben, hieß es am Donnerstag in Kreisen der EU-Kommission am Rande des Wahlkongresses der europäischen Christdemokraten in Helsinki. Nach Informationen des STANDARD würde bereits am kommenden Montag der Vertrag zum EU-Austritt des Landes per 29. März 2019 vorliegen, der dann allerdings von den Staats- und Regierungschefs noch einstimmig bestätigt werden muss.

Die britische Premierministerin Theresa May könnte unmittelbar danach, am Dienstag, ihr Kabinett in London informieren, wie sie die bisher offenen Fragen, vor allem das Grenzregime in Irland, zu lösen gedenkt. In erster Linie, so hört man, soll Zeit gewonnen werden: Demnach bietet die EU den Briten an, dass nicht nur Nordirland, sondern das gesamte Vereinigte Königreich um mindestens ein Jahr länger in der Zollunion verbleibt. Somit würde sich eine "harte Grenze" auf der irischen Insel vorerst vermeiden lassen.

Bereits voriges Jahr war man übereingekommen, dass Großbritannien nach dem Austritt für eine Übergangszeit von 21 Monaten bis Ende 2020 die Verpflichtungen als EU-Mitglied beibehält – auch jene als bedeutender Nettozahler ins EU-Budget. Warenkontrollen könnten in England durchgeführt werden, zwischen Nordirland und der Republik Irland im Süden als EU-Mitgliedsstaat würde zunächst wie bisher eine offene Grenze bestehen.

Emotionales Kriegsgedenken

Auch in London mehren sich die Zeichen für eine bevorstehende Einigung. Demnach könnte Premierministerin Theresa May bereits das emotional aufgeladene Wochenende des Weltkriegsgedenkens dazu nutzen, ihr Kabinett auf den Deal mit Brüssel einzuschwören. Einer Veröffentlichung des Unterhauses zufolge soll der fertige Text spätestens am 23. November den Parlamentariern vorgelegt werden. Dies würde gemäß dem normalen Vorgehen in der EU voraussetzen, dass die Dokumente bis dahin von den Staats- und Regierungschefs der 27 verbleibenden Mitglieder abgesegnet worden sind.

Freilich könnte es sich bei dieser Veröffentlichung auch um subtilen Druck Londons handeln. May hat zwar immer wieder betont, man scheide lieber ohne Vereinbarung aus als mit einem schlechten Deal. Allerdings ist die Sorge über den dann bevorstehenden Chaos-Brexit im Regierungsviertel Whitehall mit Händen zu greifen – von den Alarmrufen der Wirtschaft ganz zu schweigen.

Sollte der Deal Anfang nächster Woche klappen, würde der Ständige Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, für den 25. November einen EU-Sondergipfel einberufen. Mit dem Wochenendtermin sollen angeblich Irritationen an den Finanzmärkten vermieden werden. (Thomas Mayer aus Helsinki, 8.11.2018)