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Neue Abgastests haben die Autoproduktion gestört, tausende Wagen warten auf Zulassung. Doch bald drohen nicht nur temporäre Ausfälle.

Foto: Foto: Reuters / Matthias Rietschel

Konjunkturforscher mussten sich in den letzten Wochen öfters mit WLTP herumschlagen. Die Abkürzung steht für Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure und ist eher Autofachleuten ein Begriff denn Ökonomen. Der seit September geltende strengere Abgastest für Pkws brachte einige Verzögerungen bei der Autoproduktion – insbesondere in Deutschland. Das hinterlässt jetzt Spuren. Die europäische Wirtschaft wuchs im dritten Quartal nur noch ganz langsam, Deutschland verzeichnete sogar einen Rückgang.

Nun könnte man den Abgastest und seine Auswirkungen als temporären Querschläger abtun, dessen Folgen rasch kompensiert werden. Doch insgesamt kommen derzeit mehrere Faktoren zusammen, die nicht nur auf einen normalen Abschwung hindeuten. Vielmehr könnte das längste Konjunkturhoch seit den 1960er-Jahren abrupt zu Ende gehen. In den letzten Wochen häuften sich sogar die Stimmen, die vor einer Rezession warnten.

Der renommierte britische Economist titelte einen Spezialreport kürzlich mit "The next recession" und skizzierte die explosive Lage angesichts steigender Zinsen, Handelsstreitigkeiten und zahlreicher weiterer Risiken. Auch Ökonomen berechnen bereits munter die Rezessionswahrscheinlichkeit. Die liegt laut einem eigenen Index der New Yorker Notenbank für die nächsten zwölf Monate bei lediglich 14 Prozent.

Derartige Vorhersagen sind mit Vorsicht zu genießen, wie eine Untersuchung des Internationalen Währungsfonds zeigt. Die hochdekorierten Experten des Fonds in Washington sagten seit 1996 nur neun von 212 Rezessionen voraus, wie sie jüngst selbst in einem Bericht einräumten.

Deutscher Motor stottert

Kein Schrumpfen, aber immerhin eine massive Korrektur nach unten haben die Wirtschaftsweisen am Mittwoch für Deutschland prognostiziert. Nur noch ein Plus von 1,5 Prozent wird für 2019 erwartet – bisher war man noch von 1,8 Prozent ausgegangen. Die Deutsche Bank hatte ihre Schätzung kurz davor auf 1,3 Prozent zurückgenommen. Doch woher kommt der Pessimismus, wenn gleichzeitig die Beschäftigung steigt und die USA sogar einen regelrechten Boom verzeichnen?

  • Steigende Zinsen Der Widerspruch ist nur ein scheinbarer. Denn was sich gerade abzeichnet, ist eine staatlich befeuerte Überhitzung der Konjunktur, hat doch Donald Trump mit der Steuerreform 1,5 Billionen Dollar verpulvert – auf Pump. Erfreulicherweise steigt nicht nur die Beschäftigung, sondern auch das Lohnwachstum. Diese Entwicklung erhöht den Druck auf die Notenbank Fed, die Zinsen weiter zu erhöhen, um die Preissteigerung im Griff zu behalten. Höhere Zinsen wirken sich bremsend auf die Kreditaufnahme und somit tendenziell negativ auf das Wachstum aus. Andererseits bestimmt die Notenbank in Washington auch die Geschicke in anderen Regionen des Erdballs: Höhere Zinsen machen Veranlagungen in den USA attraktiver und führen zu einer Heimholung international veranlagter Dollars.
  • Schwellenländer leiden Gerade die Schwellenländer wurden seit 2009 mit ausländischem Kapital regelrecht überschüttet, weil sie dank höheren Risikos auch mehr Rendite abwarfen. Der seit Monaten zu beobachtende Exodus der Investoren hat bereits zu beträchtlichen Verwerfungen geführt, Argentinien ist faktisch pleite, die Türkei in eine Rezession gestürzt, Währungen von Indonesien bis Südafrika rutschten wegen der Abflüsse ab. Viele Schwellenländer kämpfen mit Zinserhöhungen gegen die Abwertung und würgen die Konjunktur damit weiter ab.
  • Handelsstreit Was in keiner der internationalen Ökonomeneinschätzungen fehlen darf, ist der Hinweis auf die Gefahren des Handelsstreits – insbesondere zwischen China und den USA. Die Entwicklung hat längst auch negative Auswirkungen auf weniger betroffene Regionen wie Europa. Bei den Exportaufträgen kam es im Oktober zum ersten Mal seit über fünf Jahren wieder zu Einbußen, erklärt Chris Williamson vom Prognoseinstitut IHS Markit, das einen vielbeachteten Frühindikator anhand von Umfragen erstellt.
  • Italien und Brexit Für die exportstarke deutsche und österreichische Wirtschaft sind das Alarmsignale. Erschwerend kommen noch zwei weitere Punkte hinzu: Mit dem Sorgenkind Italien flackert die Eurokrise wieder auf, wie die Wirtschaftsweisen am Mittwoch warnten. Dazu kommt die Gefahr eines unkontrollierten Brexits, der sich ebenfalls negativ auf das Wachstum auswirken würde.

Was die Sorgen internationaler Ökonomen nicht gerade verkleinert: Hohe Staatsschulden, viel verschossenes Notenbankpulver und möglicherweise ein unkoordiniertes Vorgehen im Falle einer Krise lassen nicht damit rechnen, dass ein allfälliger Absturz rasch gebremst wird. (Andreas Schnauder, 8.11.2018)