"Recht muss Recht bleiben!" "Wir dürfen die Gesetze des Rechtsstaats nicht einfach ignorieren!" Mit solchen Mahnungen meldeten sich noch vor kurzem Politiker der Regierungskoalition in der Debatte um die umstrittenen Abschiebungen gut integrierter Lehrlinge zu Wort. Die so zum Ausdruck gebrachte Überzeugung dürfte aber bei manchem Bedenkenträger bereits wieder in Vergessenheit geraten sein. Denn anders sind die Reaktionen nicht zu erklären, mit denen die ertappten Täter auf die vorwöchige Enthüllung massiver Verstöße gegen das Parteiengesetz reagierten. Drei Parteien haben die dort vorgeschriebene Wahlkampfkostenobergrenze missachtet. Die vom Gesetzgeber erlaubten sieben Millionen Euro wurden von der SPÖ um 400.000 überschritten, seitens der FPÖ um vier Millionen, und die ÖVP gab sechs Millionen Euro mehr aus, als legal gewesen wäre. Oder um es in der Relation von Höchstgeschwindigkeitsübertretungen auf einem Hofer-Autobahnstück zu sagen: Die SPÖ war mit 148, die FPÖ mit 220 und die ÖVP mit 260 km/h unterwegs.

Eine kostenmäßige Raserei, mit ausreichend vom Steuerzahler per Parteienförderung eingefülltem Treibstoff im Tank, bei der es unvorstellbar scheint, dass sie dem Geilomobil-geprüften Lenker ungeplant "passiert" sei. Andernfalls müsste man glauben, sein Mantra Message-Control wäre im Zuge des Wahlkampfs ins Gegenteil mutiert: Message completely out of control. Dass der Kanzlerpartei deshalb zu diesem offenen Gesetzesbruch nicht mehr einfällt als betretenes Schweigen – die sicherste Message-Control ist die, bei der man gleich auf die Message verzichtet -, lässt immerhin noch Spurenelemente von Scham erkennen. Eine Gefühlsregung, die den Spitzenfunktionären der FPÖ so vertraut ist wie Donald Trump die Bereitschaft zur Selbstkritik. Folgerichtig war es wieder einmal an Herbert Kickl, dem scham- wie charme-befreitesten Protagonisten dieser Partei, den Vogel des Restanstandes abzuschießen, indem er die illegale Kostenüberschreitung auch noch verteidigte: "Es ist ja nicht so, dass dieses Geld nicht auch irgendwo ankommen würde, wo ein Nutzen für Österreich entsteht. Dieses Geld fließt in einen wirtschaftlichen Kreislauf. Das muss man auch einmal zur Kenntnis nehmen."

Aus dem Mund eines Innenministers klingt dieses Argument wie die Verteidigung von Grippeepidemien durch einen Gesundheitsminister ("da ersparen wir uns viel Pflegekosten") oder die Weltkriegserklärung eines Außenministers ("so brauchen wir kein Geld mehr für teure Botschaften im Ausland"). Mit dieser Logik lässt sich auch für andere Formen von Kriminalität plädieren. Schließlich ist Drogenhandel eine der umsatzstärksten und somit konsumbelebendsten Branchen der Weltwirtschaft. Von der Geldwäsche für russische Oligarchen leben hierzulande ganze Sektoren der Immobilienbranche. Und war nicht auch die vertraglich fixierte Bereitschaft zur Korruption von Kickls Agentur "Ideenschmiede" eine Form von Wirtschaftsförderung? Die nach Wien gelieferten Bargeldkoffer sind bestimmt in irgendeinem Kreislauf gelandet.

Das muss man auch einmal zur Kenntnis nehmen: Geht's den Gaunern gut, geht's uns allen gut. (Florian Scheuba, 8.11.2018)