Kletterer, die den Mount Everest vom Südosten her in Nepal besteigen wollen, finden ihr letztes Lager am South Col. Der Ausblick von dem scharfkantigen Pass ist atemberaubend. Doch unbefleckte Natur findet sich 55 Jahre nach seiner Erstbesteigung auch auf dem höchsten Berg der Welt nicht mehr, der längst zum Wirtschaftsfaktor geworden ist. Meist bläst bei Camp 4 ein rauer Wind. Es kommt daher kaum zu Schneeanhäufungen. Nur ausrangierte Kletterausrüstung, Fetzen verwaister Zelte, Sauerstoffflaschen, Schuhe oder Essensverpackungen bleiben liegen.

Mittlerweile werden Sherpas für das Mülleinsammeln extra entlohnt, und einige Länder haben Strafzahlungen für Vermüllung eingeführt. Kot und Urin sind schwieriger zu beseitigen.

Weltweit ziehen die Berge immer mehr Touristen an. Dadurch bleibt auch mehr Müll liegen. "Anders als bei Meeren bekommt das Thema Vermüllung aber bislang weniger Aufmerksamkeit", sagt Matthias Jurek vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen. "Dabei machen Berge etwa ein Viertel der Landfläche aus, und ein Fünftel des globalen Tourismus findet dort statt", sagt er.

Camp 4 des Mount Everests im Himalaja, bedeckt mit ausrangierter Kletterausrüstung und Verpflegungsabfall. Achtlos weggeworfener Müll verschmutzt auch Österreichs Berge.
APA/AFP/DOMA SHERPA

Berge werden beliebter

Der Abfall ist nicht nur ein ästhetisches Ärgernis: Berge sind wichtige ökologische Dienstleister. Laut Zahlen des UN-Umweltprogramms bieten Berge 60 bis 80 Prozent der Süßwasserressourcen der Welt für den häuslichen, landwirtschaftlichen und industriellen Verbrauch. Und sie beherbergen etwa einen Viertel der terrestrischen Artenvielfalt. Eine systematische Aufarbeitung der Dimensionen der Verschmutzung sei bislang aber kaum vorhanden, sagt Jurek: "Müllsammeln läuft vor allem auf freiwilliger Basis, und Forschungsergebnisse sind nur spärlich vorhanden."

Die extremeren klimatischen Bedingungen oberhalb der Baumgrenze führen zu längeren Verrottungs- und Zerfallszeiten der Abfälle, wie es im Ende 2017 erschienenen Bericht Alpen Littering der Ressourcen Management Agentur heißt, der mit Unterstützung des Umweltministeriums und der EU entstand. Bis zum Beispiel Bananen- und Orangenschalen verrotten, vergehen bis zu drei Jahre. Bei Papiertaschentüchern und Kaugummis sind es bis zu fünf Jahre. Zigarettenstummel brauchen bis zu sieben Jahre, sie geben Chemikalien und Schwermetalle an die Natur ab. Hüttenbetreiber wenden rund 8000 Euro pro Jahr für das Einsammeln von Müll auf.

Der Österreichische Alpenverein hat eine Checkliste zu nachhaltigem Wandern erstellt.
Österreichischer Alpenverein

Hitzewellen machen Berge beliebter

Im Bericht wird darauf hingewiesen, dass in Österreich im Jahr 2016 im Vergleich zu 1995 um 60 Prozent mehr Personen ihren Urlaub in den Bundesländern der Alpen verbracht haben. "Die Menschen suchen in Zeiten von Rekordhitzewellen im Sommer die Abkühlung in den Bergen", sagt Jurek. Eine "Intensivierung der Nutzung dieses Naturraums" sei absehbar, wird auch im Bericht prognostiziert. Daher gelte es, präventiv zu arbeiten.

Der Alpenverein thematisiert seit 1970 mit der Aktion "Saubere Berge" das Thema. Schilder mit der Aufschrift "Haltet die Berge sauber" springen Wanderern bei Ausgangspunkten und Vereinshütten ins Auge. Eine Faustregel: Müll zieht mehr Müll an. Die Hemmschwelle sinke mit jedem Stück Abfall auf dem Boden, informiert der Alpenverein.

Der Alpenverein sensibilisiert bereits seit Jahrzehnten zum Thema Abfall in den Bergen.
Foto: Alpenverein/B.Reitler

Einen Eindruck, welches Ausmaß Littering in der Natur in Österreich hat, bietet aktuell Global 2000. Hunderte Freiwillige haben mithilfe der App Dreckspotz zwischen Mai und September mehr als 26.500 Stück Abfall dokumentiert. Dies entspricht knapp einer Tonne. Häufig wurden Getränkeflaschen und -becher, Essensboxen und Zigarettenstummel gefunden. Den größten Anteil nach Stück, Masse und Volumen hatte Einwegplastik aller Art.

Energie aus Fäkalien am Berg

Der Druck auf die Berge steigt weltweit – nicht nur durch den Klimawandel und Tourismus, sondern auch durch Minen und fortschreitende Urbanisierung in höheren Lagen. Jurek will sich bei dem Thema aber nicht nur auf Negatives konzentrieren. Der UN-Mitarbeiter hebt etwa das "Mount Everest Biogas Project" hervor, das Hoffnung gibt, dass Lösungen gefunden werden können, "bevor die Verschmutzung die Ausmaße wie in den Weltmeeren annimmt", wie Jurek betont. Die Idee wurde 2017 mit dem Mountain Protection Award (UIAA) ausgezeichnet. Ingenieure und Architekten entwickelten eine Biogasanlage, in der die geschätzten jährlichen 12.000 Kilogramm Kot der Touristen in Energie umgewandelt werden könnten. Damit es die Bakterien warm genug haben, um aktiv zu werden, wurde die Anlage mit einer Solaranlage ausgestattet. (8.11.2018)