Im Superheldenanzug über Mutterschaft reden: das Kosmostheater.

Foto: Bettina Frenzel

Das Loch im Bühnenboden ist nicht da, weil die Kulisse nicht fertig geworden ist. Sondern es steht für eine Vagina. Um diese Lücke tanzen die Schauspielerinnen herum, rufen "Das Loch, das Loch!" und referieren über die Nervendichte in der Klitoris. So ungeniert geht Milena Michalek im Wiener Kosmostheater an die Sache mit dem Frausein heran. Es wird in ihren Augen leider mit Kinderkriegen gleichgesetzt.

Mütter heißt also die Uraufführung, die Michalek mit dem Ensemble zusammengestoppelt hat. Als Inspiration für den Text dienten ihnen akademische emanzipatorische Schriften ebenso wie trashige Popkultur. Das Ergebnis ist dementsprechend schillernd, facettenreich, überbordend.

Bühnenbabybauch

Eineinhalb Stunden lang geht es um vieles. Darstellerin Alice Peterhans rollt mit einem umgebundenen Polster als Babybauch über die Bühne und überlegt, ob man je bereit ist, Mutter zu werden. Wollen wir Schwangerschaften in eine externe, technoide Gebärmutter auslagern, fragt Claudia Kainberger und stellt dazu ihr Gerät "Moving Mary" vor. Brächte das nebenbei Gleichberechtigung auf der Karriereleiter? Würde ich mir eher einen Finger oder meinem Kind ein Ohr abschneiden lassen? Anna Kramer sucht mit herzhaft schwäbischem Dialekt nach vertretbaren Antworten.

Zu den tollen Darstellerinnen – sie wechseln zwischen den Rollen, sind mal Wissenschafterinnen in dicken Mänteln, mal Töchter einer nicht mehr für sich selbst sorgen könnenden Mutter – gibt es noch einen Bodybuilder (Daniel Jocic) in knapper Unterhose, der seine eingeölten Muskeln spielen lässt, und drei Burschen (Karim, Marwan und Tarek Taelab) in Kleidern, die sie sich wegen ihrer breiten Kreuze aber nur bis unter die Brustwarzen hochziehen können. Ein brauchbares männliches Vorbild fehlt in ihrer Erziehung, weil der Vater nicht so recht emotional kommunizieren kann.

Empfindsame Lektionen

Ohne eine durchgängige Handlung kreist der Abend, der auf viel Körperlichkeit setzt, um sein Thema. Einerseits ein bisschen viel auf einmal gewollt, erinnert der wilde Szenenmix aus theoretischen Lektionen und praktischen Empfindungen andererseits an aktuelle essayistische Bücher zur Genderpolitik, etwa der feministischen Autorin Maggie Nelson.

Zum Nachdruck werden manchmal zwar ziemliche Klischees und Kalauer aufgefahren. So geballt und tabulos gerät das aber tatsächlich ziemlich witzig. Dass Veronika Steinböck die erste Premiere ihrer Intendanz am Haus mit Michalek der eigenen Tochter überantwortet hat, ist hinter den Kulissen eine eigene Pointe. (Michael Wurmitzer, 2.11.2018)