Zu unserem 30. Geburtstag stellten wir allerhand knifflige Fragen – hier sind die Antworten.

Die unterschlagene Recherche

Wer im Kino Die Frau in Gold gesehen hat, musste den Eindruck bekommen, der jahrelange Streit um Gustav Klimts kolossales Gemälde Adele Bloch-Bauer I habe mit einem bloßen Zufall begonnen. "Ich bin im Nachlass meiner Schwester auf Briefe gestoßen", erklärt Helen Mirren in der Rolle der Maria Altmann, der im Exil lebenden Nichte Adeles. Bald fliegt sie mit ihrem Anwalt nach Österreich – und dort hängt sich ein Journalist, gespielt von Daniel Brühl, an ihre Story.

In Wahrheit war es anders herum: Hubertus Czernin hatte recherchiert, dass das berühmte Gemälde unrechtmäßig ins Belvedere gelangt war. Seine Erkenntnisse in Sachen Raubkunst in Österreichs Museen veröffentlichte Czernin in einer Artikelserie im STANDARD – und er war es, der Maria Altmann informierte. Daraufhin erst begann das zähe Ringen, an dessen Ende sie das Porträt ihrer Tante wiederbekam.

Das Schiff ohne Namen

Als schlangenartiges Ungetüm, durchs Parlament gewunden wie ein unauflösbarer Knoten: So zeigte der STANDARD im Jänner 1989 den Nationalratspräsidenten Leopold Gratz. Als Außenminister hatte er gefälschte Unterlagen beschaffen lassen, um seinen Freund Udo Proksch aus der Untersuchungshaft zu befreien: jenen Mann also, der zum Zwecke des Versicherungsbetrugs das Frachtschiff Lucona versenken und sechs Seeleute sterben ließ – und dessen gute Kontakte ihn lange vor Strafverfolgung schützten. Als die Protektion durch Gratz bekannt wurde, war dieser schon Präsident des Nationalrats geworden, sah aber keinen Grund zum Rücktritt (und eine Amtsenthebung ist gesetzlich nicht vorgesehen).

In der Karikatur brachte der Zeichner Oliver Schopf auch das zentrale Objekt des Skandals unter: Einer der Rossebändiger vor dem Parlamentsgebäude stemmte statt des Pferdes ein Schiff. Den Schriftzug LUCONA hatten wir für das Rätsel wegradiert.

Foto: Oliver Schopf (2)

Die vier Symbole

Wenn man die "gezackte Figur" auf den Kopf stellte, ähnelte sie auffällig dem Buchstaben R. Und erinnerte die Klaviatur nicht ein bisschen an ein E? Die Säule könnte man als I verwenden, und die Masken …?

Die gezeigten Symbole bildeten das Logo unserer Freizeitrubrik SZENARIO, die 1990 als wöchentliches TV- und Radioprogramm eingeführt wurde. Sechs Jahre lang war das Signet regelmäßig zu sehen, bis 1996 das Fernsehprogramm in Form der Tele beigelegt wurde und das Szenario als neue Kulturvorschau ins ALBUM wanderte. Seither haben sich Inhalt und Gestaltung des Szenario noch manches Mal gewandelt.

Foto: DER STANDARD

Die Nische mit dem Fragezeichen

Irgendwas mussten diese vier Gebäude ja mit dem STANDARD zu tun haben, sonst wären sie nicht Teil dieses Rätsels geworden. Das Bild rechts zeigte die Säulenhalle des Museums für angewandte Kunst, ganz am Ostrand des ersten Wiener Bezirks. Darunter wies eine Windrose nach 108 Grad Ostsüdost, zusammen mit der Angabe "145 m". So gelangt man zum ehemaligen Gebäude der Zentralsparkasse an der Vorderen Zollamtsstraße 13 – also zu uns: Die vier Wegweisungen führten zu den vier Redaktionssitzen des STANDARD durch die Jahrzehnte.

In den Anfangsjahren stand "Am Gestade 1" im Zeitungskopf, die Tür zur Redaktion lag 60 Meter entfernt vom charakteristischen Turm der Kirche Maria am Gestade. 1990 zog die Redaktion in die Herrengasse, Ecke Michaelerplatz, wo schon das Café Griensteidl residierte (im Rätsel zu sehen war die Front des benachbarten Looshauses).

Von 1997 bis 2012 saß der STANDARD in den Palais Batthyány und Trauttmansdorff in der Herrengasse 19–21. Die gesuchte Nische musste sich also 105 Meter nordnordöstlich davon befinden, an der Außenmauer der Schottenkirche – und darinnen steht der Stifter der Kirche, Herzog Heinrich II., genannt Jasomirgott.

Foto: Bwag/Commons (2)

Das krumme Jubiläum

Waldheim, Vranitzky, Zilk: Die hohen Vertreter des Staates und viele weitere Prominente gratulierten dem STANDARD am 9. März 1992 in einer Sonderbeilage. Aber was gab es denn zu feiern – die Zeitung hat doch im Oktober Geburtstag, nicht im März?

Wer den richtigen Verdacht hatte, konnte es ausrechnen: Von der Premiere am 19. Oktober 1988 bis zur abgebildeten Nummer waren 1237 Tage vergangen. Da der STANDARD an Sonn- und Feiertagen nicht erscheint (und bis Mitte April 1989 auch noch keine Samstagsausgabe hatte), war die abgebildete Zeitung die tausendste Ausgabe.

Foto: DER STANDARD

Das gefälschte Wort

Auf der gezeigten Titelseite vom 8. März 2018 schien alles in Ordnung zu sein. Trotzdem sei da "ein Wort verändert" worden, "das so gar nicht gedruckt wurde", behauptete der Rätseltext. Davon war nichts zu sehen – auffällig war nur, dass ausschließlich Frauen abgebildet waren, und auch die Themen handelten fast nur von Frauen. Das war das entscheidende Indiz.

Der 8. März ist nämlich Internationaler Frauentag. Darum lag an diesem Tag nicht DER STANDARD am Kiosk, sondern ausnahmsweise DIE STANDARD. Auf der Abbildung in unserem Rätsel haben wir dies rückgängig gemacht und den üblichen Zeitungskopf hineinretuschiert.

Foto: DER STANDARD

Die kryptische Zeichnung

Was könnte die Zahl 1020 am Ende einer gekrümmten Linie bedeuten? Und wo im STANDARD soll so etwas bitte zu finden sein?

Auf der Wetterkarte: Der Ausschnitt zeigte zwei Isobaren mit 1020 Hektopascal Luftdruck. Erst seit März 1996 verwendet der STANDARD dafür Computergrafiken, zuvor wurden die Karten täglich von Hand gezeichnet. Im Rätsel abgebildet war die Großwetterlage vom 24. Juli 1989. Die merkwürdige Schaufel, die von rechts ins Bild ragte, war ein halbes "H" für "Hochdruckgebiet", und die Kringel stellten Inseln dar. Bloß wo? Da Wetterkarten genordet sind und Österreich sinnvollerweise in der Mitte sitzt, konnte man anhand der Schrägstellung der Längen- und Breitengrade abschätzen, dass sich dieses Geschehen sehr weit westlich abspielen musste: Der Kartenausschnitt zeigte ein Azorenhoch.

Foto: DER STANDARD

Die raffinierte Skulptur

Um einen Künstler in New York ging es da, der zeitweise als Bildhauer arbeitete und heute seine Gemälde mit den Fingern malt. Nur vom STANDARD war verdächtigerweise in dieser Frage nirgendwo die Rede. Jedenfalls nicht explizit: Versteckt war er in dem Hinweis, der gesuchte Künstler sei aus New York nach Wien zurückgekehrt, "wo er … nun ja: etwas sehr Folgenreiches wagte". Gemeint war natürlich die Gründung des STANDARD durch Oscar Bronner.

Foto: Andrea Bronner (2)

Die Luft zwischen den Buchstaben

Sieben Wörter waren gesucht, die täglich an der gleichen Stelle im STANDARD stehen – aber jeden Tag mit verändertem Abstand zwischen den Buchstaben. Jedenfalls galt das bis zum Redesign des Zeitungskopfes vor zwei Wochen: Die Rede war nämlich von der Datumszeile auf der Titelseite. Links steht die Tagesangabe, rechts der Kaufpreis und dazwischen die sieben Worte "Österreichs unabhängige Tageszeitung – Herausgegeben von Oscar Bronner". Diese drei Elemente füllen die gesamte Zeilenbreite, das war auch schon vor dem Redesign so. Doch früher gab es zwischen diesen drei Elementen keine große Lücke, sondern nur ein Trennzeichen. Dass sich die Länge der Datumsangabe täglich ändert (weil der Montag nur sechs Buchstaben hat und der Donnerstag zehn), wurde ausgeglichen durch einen täglich wechselnden Abstand zwischen den einzelnen Buchstaben.

Eine der umfangreichsten Datumsangaben 2017 entstand, als zwei ohnehin lange Monatsnamen auf dasselbe Wochenende fielen: "SA./SO., 30. SEPTEMBER / 1. OKTOBER 2017". Entsprechend eng rückten die Buchstaben zusammen. Die schmalste Angabe hingegen war "FREITAG, 5. MAI 2017". Zwar hatte der "MONTAG, 8. MAI 2017" noch weniger Buchstaben, aber dafür breitere: "MON" braucht in den meisten Schriftarten etwas mehr Platz als "FREI".

Foto: DER STANDARD

Die letzten Schritte zur Lösung

Wer alle Antworten gefunden hatte, vor dem lagen nun 18 Lösungsbuchstaben und noch 15 leere Kästchen. Aber in welche Reihenfolge gehörte das alles? Um dies zu erfahren, musste man erst noch eine weitere Aufgabe lösen – eigentlich mehr als eine: Neun sehr lückenhafte Schlagzeilen galt es zu rekonstruieren und anschließend in ihre historische Reihenfolge zu bringen. Die richtigen Ergebnisse sehen Sie hier:

Durch die chronologische Anordnung der Schlagzeilen rutschten automatisch auch die Fragmente des Lösungsspruches in die richtige Reihenfolge. Nämlich in diese:

Jetzt waren nur noch die letzten Lücken zu füllen, und fertig war der gesuchte Lösungsspruch – nämlich der Claim, dass der STANDARD gedruckt wie digital stets derselbe ist:

Flexibel im Format. Unbeugsam im Inhalt.

So schwierig war’s noch nie – und trotzdem haben 97 Leserinnen und Leser unser "Jubiläumsrätsel" gelöst. Wir gratulieren allen herzlich. Und bei der Gewinnerin melden wir uns persönlich.