Teamchef Patrik Barbic (rechts sitzend) schaute sich seine potenziellen Futsal-Nationalteamkicker schon zwei Mal genauer an.

Foto: GEPA pictures/ Michael Meindl

Trainer Barbic (ganz links) und sein erster offizieller Futsal-Nationalteamkader.

Wien – Die erste Einberufung ins Nationalteam ist für jeden Sportler ein besonderer Moment. Für die Futsal-Herren und Teamchef Patrik Barbic war der Lehrgang Ende September gar historisch: Sie waren die Ersten, die für die im Juni vom Österreichischen Fußballbund (ÖFB) ins Leben gerufene Auswahl den Adler auf der Brust tragen durften.

"Du musst entweder im Kopf oder Fuß schnell sein"

Wer an Hallenfußball denkt, denkt an das 2009 eingestellte Stadthallenturnier. Eine Verwandtschaft lässt sich nicht leugnen, doch gibt es Unterschiede – so ist das Spielfeld im Futsal bandenlos. "Im slawischen Raum wird es kleiner Fußball genannt. Das trifft es gut: Platz, Tore, Anzahl der Spieler und der Ball sind kleiner als im Feldfußball", sagt Barbic, hauptberuflich Akademie-Trainer in St. Pölten.

Gekickt wird auf 40 mal 20 Metern, also auf einem Handballfeld. Nichts für Leute mit Platzangst. Permanenter Zeitdruck, ständig einen Gegner im Nacken oder vor sich. Die Regeln (siehe Wissenskasten unten) begünstigen ein noch rasanteres Spiel. "Du musst entweder im Kopf oder Fuß schnell sein", sagt Barbic. "Und man braucht gute Technik."

Uruguay, Brasilien

Kein Wunder, des Futsals Ursprung liegt in Südamerika. Der uruguayische Lehrer Juan Carlos Ceriani entwickelte das Spiel 1930 für die Jugend, es schwappte rasch nach Brasilien über. 1989 veranstaltete die Fifa die erste Weltmeisterschaft.

Unterschiede zum Feldpendant liegen in der Ballbehandlung. Futsal-Akteure nehmen die Wuchtel gern mit der Sohle mit, der enge Raum macht das nötig. "Gehört zum Standardrepertoire", sagt Barbic, "genauso wie Körpertäuschungen."

Ein Grund für das Ende des Stadthallenturniers war der robuste Untergrund, Vereine fürchteten ein Lazarett. Teamchef Barbic widerspricht diesem Ruf: "Das amüsiert mich. Viele Trainer verbieten ihren Schützlingen Futsal im Winter, aber Skifahren erlauben sie."

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Futsal vs. Fußball

Ein wirkliches Problem ist die Doppelgleisigkeit der Spieler, geschuldet den Anfängen der Amateursportart. "Wir waren Fußballer, die im Winter Futsal spielen", sagt Barbic. Österreich hat keine Ganzjahresmeisterschaft, die Liga startet am 17. November und läuft bis Februar. Der neue Cup von März bis Juni dient als Saisonverlängerung. Die meisten Spieler sind jedoch weiter in unterklassigen Ligen auf dem grünen Rasen aktiv – um Geld zu verdienen, die Zeit zu überbrücken oder aus Liebe zu beiden Disziplinen.

Laut ÖFB-Regulativ gilt ein Doppelagent – je nachdem, welche Sportart er hauptsächlich ausübt – als Futsal- oder Fußball-"Stammspieler". In der Theorie simple Bürokratie, in der Praxis eine Hürde für die Hallenfraktion, die auf die Freigabe der Fußballklubs angewiesen ist. Zudem zwingt der kleinere Ball die Betroffenen regelmäßig zu einer Umstellungsphase. Als ob ein Tennisaffiner einen Tischtennisschläger in der Hand hielte. Nur Futsal-Stammspieler dürfen künftig den Adler auf der Brust tragen: "Wer stellt Fußball hintan?", fragt Teamchef Barbic.

Idealismus ist also weiterhin nötig, das war schon für die erste Bundesmeisterschaft 2006/07 so. "Da waren Leute mit einer großen Leidenschaft am Werk, die sich zu diesem Zeitpunkt alles selbst organisieren mussten", sagt Stefan Gogg. Er ist seit 2010 Leiter der Sektion Breitenfußball im ÖFB, damals stieg der Verband in die Sportart ein und stellte die Futsal-Liga auf professionellere Beine. Der Beginn des achtjährigen "Masterplans". Höhepunkt: die Gründung des Nationalteams.

Nachzügler

48 der 55 Uefa-Nationen stellten eher eine Auswahl. Gogg sagt: "Wir wollten zuerst die Basis schaffen und darauf aufbauen. Das hat sich bereits im Frauenfußball bewährt." Die Halle ist mittlerweile in der Schülerliga und den Akademien angekommen. Die Liga-Vereine seien wiederum gefordert, die eigene Nachwuchsarbeit aus- beziehungsweise aufzubauen. "Es gibt Spieler, für die es aus verschiedenen Gründen im Fußball nicht weitergeht. Die gilt es für den Futsal zu gewinnen."

Ein weiterer Schritt ist die Ausbildung, der ÖFB bietet ein Futsal-Trainerdiplom an. Kursbester im ersten Lehrgang: Patrik Barbic. Der 37-Jährige spielte zwölf Jahre für Stella Rossa, der Wiener Klub prägt die heimische Futsal-Szene als Rekordmeister (5), zuletzt gewann der "Rote Stern" 2015.

Patrik Barbic sieht eine "positive Entwicklung" der zehn Bundesligamannschaften. "Das Niveau nimmt zu und wird ausgeglichener. Man kann keinen Gegner mehr schnell aus der Halle schießen wie früher."

Erstes Länderspiel im April

Beim Sichtungslehrgang des Nationalteams Ende September durften 40 Auserwählte vorspielen, 19 nahmen am vergangenen Wochenende am ersten offiziellen Zusammentreffen in der Sportschule Lindabrunn teil. Sie bilden nun den erweiterten ÖFB-Kader und dürfen vom ersten Futsal-Länderspiel der Geschichte im April träumen. Der Gegner ist noch offen. "Deutschland wäre interessant", sagt Barbic.

Die momentane Leistungsstärke ist bis dahin schwer einzuschätzen. Der ÖFB-Verantwortliche Gogg stuft das Niveau des österreichischen Futsals "im unteren Drittel Europas ein. Die Fußball-Herren waren zweimal bei einer Europameisterschaft dabei, die Frauen einmal. Es wäre vermessen zu sagen, wir schaffen das bei unserem ersten geplanten Quali-Auftritt in zwei Jahren." Ein Großereignis sei aber das langfristige Ziel. Und wäre der nächste besondere Moment. (Andreas Gstaltmeyr, 31.10.2018)

Futsal ist die seit 1989 vom Weltverband Fifa anerkannte Variante des Hallenfußballs. Es wird bandenlos mit Tor- bzw. Seitenlinien auf einem Spielfeld in Handballfeldgröße gespielt, vier Feldspieler und ein Torwart pro Team spielen zwei Halbzeiten zu je 20 Minuten. Die Regeln begünstigen ein schnelles Spiel: Einkick statt Einwurf, fliegende Wechsel, der Torwart darf den Ball in der eigenen Spielhälfte nur vier Sekunden lang halten. Der Ball ist schwerer, kleiner und sprungreduziert – klebt also besser am Fuß – als beim Feldfußball. Ab dem sechsten Teamfoul pro Halbzeit erhält der Gegner einen Freistoß ohne Mauer von der Zehn-Meter-Marke. Je nach Niveau gibt es zwei bis vier Referees.