Angela Merkel hat den Warnschuss gehört: Sie gibt den CDU-Vorsitz auf.

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Helmut Kohl, mit dem sie so lange in ihrem politischen Leben verbunden war, wird Angela Merkel nun nicht mehr einholen können. Eine unvorstellbar lange Zeit von 25 Jahren war er CDU-Chef gewesen. Merkel wird es auf 18 Jahre bringen.

Auch das ist eine stattliche Zeit, aber sie endet nun, und das ist auch richtig so. Seit einem Jahr läuft es in der Berliner Koalition mehr als unrund. Zuerst verloren Union und SPD bei der Bundeswahl kräftig, dann klappte die Jamaika-Koalition nicht, dafür dauerte die Bildung der ohnehin ungeliebten großen Koalition eine Ewigkeit. Tiefpunkt der Entwicklung war hernach noch der ausufernde Streit der Unions-Schwestern.

Natürlich ist Merkel nicht an allem schuld. Aber sie hat schon recht, wenn sie darauf hinweist, dass an ihr als Chefin vieles hängenbleibt. Und in letzter Zeit machte sich immer deutlicher eine Überzeugung breit, dass alles irgendwie besser liefe, wenn Merkel nicht mehr am Ruder wäre. Das ist verständlich, wenn jemand 18 Jahre den Parteivorsitz innehatte.

Anzeichen erkannt

Merkel hat es erkannt, Anzeichen gab es ja genug – nämlich nicht nur die Verluste bei den letzten Wahlen, sondern auch die Rebellion in der Bundestagsfraktion. Dass diese einfach Merkels Vertrauten Volker Kauder abwählte und seinen Gegenspieler Ralph Brinkhaus ins Amt hievte, war ein unüberhörbarer Warnschuss.

Mit ihrem Teilrückzug nun hat Merkel aber dem einstigen Übervater Kohl doch wieder etwas voraus. Der blieb so lange am Sessel kleben, dass die CDU 1998 das Kanzleramt an Gerhard Schröder (SPD) verlor. Das – mit umgekehrten politischen Vorzeichen – will Merkel verhindern, daher tritt sie nun, solange sie noch kann, den Rückzug an, um ihr Erbe zu sichern und zu erhalten. Man kann es auch ganz einfach formulieren: Jetzt sind Jüngere an der Reihe.

Und wie sie nun an der Reihe sind. Es herrscht ein regelrechtes Gedränge um den Parteivorsitz. Offenbar ist in der CDU etwas aufgebrochen. Jahrzehntelang war sie gehorsam gewesen, oft bloß der "Kanzlerwahlverein". Und jetzt soll es plötzlich wirklich demokratische Wahlen mit echten Auswahlmöglichkeiten an Kandidaten geben? Man staunt.

Spannende Zeit

Die CDU steht vor einer spannenden Zeit, denn der Job, der nun zu vergeben ist, hat ja noch einen kleinen Nebenaspekt: Der- oder diejenige soll eines Tages Kanzler oder Kanzlerin von Deutschland werden.

Darauf sollte man sich im Idealfall ein wenig vorbereiten können. Daher macht Merkel im Kanzleramt auch noch weiter und steht damit vor ganz neuen Herausforderungen. Länger als ein Jahrzehnt war sie dort unangefochten. Nun jedoch droht ihr das Schicksal einer "lame duck". Jeder weiß, sie wird nicht mehr lange da sein, sie hat jetzt ein Ablaufdatum, das schneller kommen könnte, wenn es in Berlin tatsächlich auf Neuwahlen hinausläuft.

Und ob der oder die Neue sie bei normalem Verlauf der Legislaturperiode tatsächlich noch bis 2021 als Kanzlerin akzeptieren wird, ist ebenfalls sehr fraglich. Die Zeit für Merkel könnte also sehr viel schneller ablaufen, als diese es in ihrer Abschiedsrevue den Bürgerinnen und Bürgern so schön vormacht.

Das ist ein Risiko, das Merkel wohl selbst auch sieht. Aber es erschien ihr als das geringere Übel als zu bleiben und zu riskieren, dass sie nach einem eventuellen Verlust des Kanzleramtes nach der nächsten Wahl mit Schimpf und Schande davongejagt wird. (Birgit Baumann, 29.10.2018)