Veronika Steinböck eröffnet als künstlerische Leiterin ihre erste Spielzeit am Kosmos-Theater Wien mit "Mütter".

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Wien – Die "Vaginas im Dirndl" haben vor einigen Tagen die neue Ära des Wiener Kosmos-Theaters miteingeläutet. Dessen neue Leiterin Veronika Steinböck lud zum Eröffnungsfest. "Vaginas im Dirndl"? Das gibt zu denken. So dürfen sich nur Frauen nennen, in diesem Fall ein österreichisches Kabaretttrio, das sich Aufklärung und Enttabuisierung von Frauenthemen auf die Fahnen geheftet hat. Vermutlich hätte auch Steinböck vor einiger Zeit noch verdutzt Reißaus genommen. Doch erstens ist die Kulturmanagerin eine heitere Person, und zweitens ist das Kosmos-Theater ein Haus im Dienste der Aufklärung.

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Und drittens könnte man sagen: Ohne forcierte Manöver und Zuspitzungen wie die der Dirndl-Vaginas kommt das Ringen der Frauen um Gleichberechtigung eben nicht aus. Wer strukturell überhört und übersehen wird, muss mit härteren Bandagen vorgehen. Auch das Kosmos-Theater trat einst unter dem umstrittenen Label "Kosmos Frauenraum" an. Das hart erkämpfte Haus für Künstlerinnen bezeichnete Elfriede Jelinek bei der Geburtsstunde im Jahr 2000 als "Lichtung". Es sollte vor allem weiblichen Kunstschaffenden offenstehen, als konkrete Arbeitsstätte, aber auch als Statement in einer männlich dominierten Bühnenlandschaft.

Neuer Stil

Die Zeiten haben sich inzwischen geändert. So hat sich die Neubauer Kellerbühne schon lange vom Frauen-Framing verabschiedet und heißt seit 2004 nur mehr Kosmos-Theater. Feminismus ist eben keine Frauenangelegenheit, sondern betrifft alle. Mit Veronika Steinböck zieht nun eine neue Leiterin ein, die die Errungenschaften der Vergangenheit hochhält, die aber doch einen neuen Stil und andere Argumente einführt. So nonchalant wie Anna Bergmann etwa, die als Schauspieldirektorin in Karlsruhe eine 100-Prozent-Frauenquote erfüllt, ohne darum ein Aufheben zu machen. Zufall eben.

Die Zeiten haben sich aber doch noch nicht sehr verändert, meint Steinböck. Noch immer müssten Frauen (in Leitungsfunktionen am Theater) ihre Familienplanung vorab offenlegen, während das beim Intendanten, der selbst dreifacher Vater ist, nie ein Thema war. Worauf gründet das?

Theaterkollektiv gegründet

Steinböck kennt die geschlechtliche Benachteiligung aus eigener Erfahrung. Die 1964 in Wien geborene Schauspielerin, Absolventin des Max-Reinhardt-Seminars, war als zweifache Mutter im Staatstheaterbetrieb stets an den Rand gedrängt, während ihr Mann, der Schauspieler Wolfgang Michalek, voll angestellt war. Zunächst – die Familie lebte in Hannover, später in Dresden – fiel Steinböck das gar nicht sonderlich auf, sagt sie im Gespräch. Doch irgendwann ist die berufliche Benachteiligung unerträglich geworden. Und Steinböck hat ihr eigenes Theater gegründet, das Kollektiv La Lune.

Leitungsfunktionen in Deutschland hatte sie infolge mehrere inne, etwa stand sie dem Festival "Theaterherbst Greiz" vor und auch dem Festival "Kammermachen" in Chemnitz. Steinböck war auch Vorstandsmitglied des Landesverbands Freier Theater in Sachsen. Auch wenn sie der Staatstheaterbetrieb (Hannover und Dresden) sozialisiert hat, so kennt Steinböck, nicht zuletzt durch ihre Anfänge in Wien, die Bedürfnisse der freien Szene sehr gut. Auch diese Achse prädestiniert sie für den neuen Job am Kosmos-Theater.

Den Feminismus musste sich die lässige Managerin selbst erst erarbeiten. Sie gehört, wie sie sagt, nicht zur Generation derer, denen das Wissen um die Notwendigkeit darum in die Wiege gelegt worden war. Längst aber hat Steinböck ihre Donna Haraways gelesen und die Ziele als Theaterleiterin klar gesetzt: "Ich möchte am Theater zeitgenössisch arbeiten, und das heißt, dass Frauen ausreichend repräsentiert werden. Ihnen Platz verschaffen. That's it." Auch wenn es keine verbrieften Zahlen gibt, die Frauenquote am Kosmos liegt bei etwa 80 Prozent. An anderen Häusern ist das Geschlechterverhältnis genau umgekehrt.

Theater für alle

Aus der Schublade des "Frauentheaters" herauszukommen ist Steinböcks vorrangiges Ziel. Das wird nicht einfach, da das Haus in der Siebensterngasse stark als solches punziert ist. Die Frage ist vor allem, wie kann sich das Kosmos-Theater, ohne diese Zuschreibung zu verraten, auf eine intelligente Art und Weise davon lösen, so Steinböck. Sie selbst hält nichts von Begriffen wie "weiblicher Blick". Das trenne zu sehr. Sie will ein Theater für alle machen. Eines, das jedem Mut macht, sich von geschlechtsspezifisch oktroyierten Bildern zu lösen: Männern, Frauen oder Transgenderpersonen.

Mit zwei Männern wurde Steinböck jüngst auch schon verglichen: Donald Trump und Matthias Hartmann. Weil ihre eigene Tochter, Milena Michalek, die Eröffnungsinszenierung Mütter inszeniert, wird Steinböck Nepotismus vorgeworfen. Sie entgegnet: "Meine Tochter hat hier schon vor meiner Leitung inszeniert." Ein kluger Beginn ist es wohl trotzdem nicht. (Margarete Affenzeller, 29.10.2018)