Bregenz – Vorarlberg wurde zwar in der Habsburger-Monarchie 1861 zum eigenständigen Land in seiner heutigen Form, verwaltungstechnisch bildete es aber noch bis 1918 eine Einheit mit Tirol. Die vollständige Selbstständigkeit erlangte Vorarlberg erst vor 100 Jahren, am 3. November 1918. Gleichzeitig wurde der Beitritt zum künftigen Staat Österreich erklärt.
Im 1861 veröffentlichten Februar-Patent, der Verfassung der Habsburger-Monarchie, wurde Vorarlberg zu einem der 17 Kronländer Altösterreichs. Das Land erhielt eine eigene Landesordnung und einen eigenen Landtag mit 20 Abgeordneten. Der Kaiser bestimmte den Landeshauptmann, der aber in gesamtstaatlichen Angelegenheiten der k.k. Statthalterei in Innsbruck unterstellt blieb. In administrativer Hinsicht bildete Vorarlberg bis 1918 eine Verwaltungseinheit mit der Gefürsteten Grafschaft Tirol.
Selbstbestimmungsrecht
Während die österreich-ungarische Monarchie zerfiel, trat am 3. November 1918 in Bregenz die nach dem Ergebnis der letzten Reichsratswahl von 1911 zusammengesetzte provisorische Landesversammlung (19 Christlichsoziale, sechs Deutschfreisinnige, fünf Sozialdemokraten) zusammen. Sie proklamierte unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht die Unabhängigkeit Vorarlbergs von Tirol und bezeichnete Vorarlberg "als eigenes selbstständiges Land im Rahmen des deutsch-österreichischen Staates". Die deutsch-österreichische Republik wurde freilich erst am 12. November ausgerufen. Als dringendste Aufgabe sah die Landesversammlung an, "das Volk Vorarlbergs in dieser Zeit schwerster wirtschaftlicher Not und raschester politischer Entwicklung in Ordnung und Ruhe in eine bessere Zeit des Friedens hinüberzuleiten".
Zum ersten "Landespräsidenten" wurde der Christlichsoziale Otto Ender gewählt, der zu Beginn der 1930er-Jahre Bundeskanzler werden sollte. Den Antrag dazu hatte sein Parteikollege Jodok Fink gestellt, der 1919/20 als Vizekanzler unter dem Sozialdemokraten Karl Renner agierte. Ein knappes halbes Jahr später (27. April 1919) gingen die Christlichsozialen (22 Mandate, fünf Sozialdemokraten, zwei Deutscnfreisinnige, ein Bauernbund) als Sieger aus den ersten Wahlen zum Vorarlberger Landtag hervor. Otto Ender blieb Landeshauptmann.
Vertrauen war gering
Das Vertrauen in die Lebensfähigkeit eines Kleinstaates Österreich war jedoch – nicht nur, aber auch – in Vorarlberg gering. In einer Volksabstimmung am 11. Mai 1919 sprachen sich mehr als 80 Prozent der Vorarlberger Wahlberechtigten für Verhandlungen mit der Schweiz mit dem Ziel eines Beitritts zur Eidgenossenschaft aus. Daneben gab es in Vorarlberg aber auch Initiativen, die das Land mit den schwäbischen Landesteilen in Baden, Bayern und Württemberg zu einem neuen deutschen "Bundesland Schwaben" vereinen wollten. Allen diesen Bestrebungen bereitete der Friedensvertrag von Saint-Germain (10. September) ein Ende. Ein Anschluss Österreichs an Deutschland oder andere Staaten wurde verboten. Landeshauptmann Ender war zu den Verhandlungen nach Saint-Germain gereist (14. bis 31. Mai 1919), hatte die Frage eines Anschlusses Vorarlbergs an die Schweiz allerdings nicht zur Sprache bringen können. Damit waren die Weichen für die folgenden Jahre gestellt. (APA, 28.10.2018)