Da exakte Sprachtransfers die Basis für die Anerkennung von fremdsprachigen Dokumenten, Zeugnissen und Urkunden darstellen, spielen Fachübersetzungen bei der Migration und der Integration von Zuwanderern eine zentralere Rolle, als man es zunächst vermuten würde. Doch auch im Alltag spielt die Rolle von Übersetzern und Dolmetschern integral in die Dinge hinein, wird aber häufig übersehen.

Ingo Tisch

Korrekt übersetzte Aussagen von Zeugen, richtige Angaben bei Behördenterminen oder die korrekte Übersetzung von Dokumenten sind integral wichtig. Auch bei Verfahren zur Anerkennung als Asylsuchender oder als Kriegsflüchtling sind korrekte Übersetzungen von Bedeutung.

Der Frage, ob bei staatlichen Behörden in der Vergangenheit immer alles sinngenau übersetzt und gedolmetscht wurde, ist in den letzten Jahren schon mehrfach in Zweifel gezogen worden. "Der Spiegel" berichtete über inkompetente Dolmetscher und unhaltbare Zustände beim deutschen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Ähnliche Probleme treffen auch im österreichischen Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vor allem auf solche Sprachen zu, bei denen es durch temporär sehr ausgeprägte Migrationsbewegungen zu einem Mangel an professionell ausgebildeten Übersetzern und Dolmetschern kommt, wie aktuell etwa bei den Sprachen Arabisch, Farsi, Paschtunisch oder Kurdisch.

Dies zeigt, dass selbst der Nebenschauplatz der Tätigkeit als Übersetzer und Dolmetscher bei der Integration von Flüchtlingen angesichts der volumenstarken Migrationsbewegungen ein komplexes Thema sein kann. Die aktuellen Bemühungen des BFA in Österreich und des BAMF in Deutschland, in diesem Bereich Verbesserungen durch Online-Schulungen für eigene Sprachmittler zu erreichen, sind hierzu ein erster Schritt. Grundlage ist jedoch die Übernahme internationaler Qualitätsstandards für staatlich anerkannte, vereidigte Dolmetscher und Übersetzer.

Während der Flüchtlingsbewegung fehlte es an qualifizierten Dolmetschern.
Foto: APA/AFP/PHILIPPE LOPEZ

Dolmetscher brauchen Bildung, aber keine Nachweise

Vor dem Hintergrund fehlender, staatlich anerkannter Übersetzer setzen Behörden bei Flüchtlings- und Asylverfahren selbst angeworbene muttersprachliche Übersetzer und Dolmetscher ein, die zwar Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau C1 nachweisen müssen, jedoch überraschenderweise keine Zertifikate über ihre Sprachkompetenzen in der angegebenen Muttersprache vorzulegen brauchen.

Das sei ein gravierender Schwachpunkt, meinte Sabine Hollerbach vom Übersetzungsbüro Dialecta. In einer zur Veröffentlichung genehmigten Korrespondenz mit mir schrieb sie: "Faktisch bedeutet das, dass Personen für das Bundesamt zum Einsatz kommen können, die mehrere Sprachen als Muttersprache angeben, ohne nachzuweisen, dass sie diese fließend verstehen und sprechen würden."

Gerade vor dem Hintergrund der zum Teil gravierenden Unterschiede arabischer Dialekte kann es leicht zu Missverständnissen kommen. "So unterscheidet sich das syrische Arabisch deutlich vom gesprochenen Arabisch Marokkos oder Tunesiens", meint Urs Bübli von der Übersetzungsagentur "Panorama Languages" in einem Telefonat. Er beschreibt die Unterschiede wie im Deutschen: Plattdeutsch und Österreichisch sind beide Deutsch, aber unterschiedlich genug, um an vielen Stellen Verwirrung zu stiften.

Beispielsweise bedeutet qabʿa („قبعة“) auf Arabisch "Hut", hingegen ka'aba (auch gebraucht für das Heiligtum der Kaaba) eigentlich "Würfel" („الكعبة“). Für einen Fremdsprachler können beide Worte sehr ähnlich klingen, falls der Dialekt ungewohnt ist.

Was können Apps leisten?

Immer wieder soll es Technik richten, wenn der Mensch versagt. Doch können Übersetzer- oder Dolmetscher-Apps wirklich helfen?

Galileo

Eine App oder ein voll entwickeltes Dolmetscher-Programm ist nur so gut wie der Entwickler. Und selbst Profis machen Fehler in Übersetzungen, unterschlagen Details oder lassen Informationen aus. Ein Übersetzerprogramm kann vielleicht in alltäglichen Situationen helfen, wird einen Menschen aber niemals ersetzen können.

Es gibt unzählige Apps auf dem Markt: Branchenriesen wie Google Translate oder seine Konkurrenten Bing oder Apple sind für alltägliche Fragen geeignet oder um in Urlaubssituationen einzelne Schlagwörter zu erhalten. Doch eine Konversation ersetzt sie nicht.

Wie könnte nun eine Lösung aussehen? Mehr Dolmetscher einstellen? Mehr Fremdsprachen in den Schulen unterrichten? Es gibt keine perfekte Lösung, denn die Vielsprachigkeit hat es als babylonische Sprachverwirrung bereits in das Alte Testament der Bibel geschafft. Sie ist für uns ein Beispiel, welches deutlich macht, dass der Mensch vielschichtig denkt und eine Idee häufig in verschiedene Begriffe kleidet.

Technik kann in der menschlichen Kommunikation unterstützen, aber wird menschliche Sprecher nie ersetzen. (Christian Allner, 5.11.2018)