Fremde Mächte, die Wahlmaschinen manipulieren, die Ergebnisse nach Gutdünken ändern – und am Ende den Wahlsieger bestimmen. Ein politischer Albtraum, der in den USA schon 2016 bei der Präsidentschaftswahl zumindest teilweise Realität wurde. Russische Hacker hatten das Wahlsystem einiger Bundesstaaten angegriffen, zuvor wurde in E-Mail-Konten der Demokratischen Partei und ihrer Kandidatin Hillary Clinton eingebrochen und die sozialen Medien systematisch mit Fake-News unterwandert. Nun droht den US-Amerikanern ein weiteres böses Erwachen.

Vor der Kongresswahl am 6. November häufen sich die Warnungen vor einem Hackerangriff auf Amerikas Wahlinfrastruktur. Wie sicher sind sie also, die Midterms?

Soziale Medien stehen vor der Kongresswahl in den USA im Fokus.
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Glaubt man Alex Stamos, dem früheren Sicherheitschef bei Facebook, ist zumindest Skepsis angebracht. Für Absicherung sei es längst zu spät, der laxe Umgang mit den russischen Störmanövern bei der Wahl vor zwei Jahren habe Hacker rund um den Globus in ihren Machenschaften bestärkt, schreibt er in der Rechtszeitschrift "Lawfare": "Die USA haben der Welt vor Augen geführt, dass sie diese Angelegenheit nicht allzu ernst nehmen und die Täter höchstens einen Klaps auf die Finger bekommen."

Hunderte gefälschte Facebook-Profile

Erst Ende August warnte der Softwaregigant Microsoft vor russischen Hackern mit engen Beziehungen zum Kreml, die gefälschte Websites installiert haben, auf denen rechte Organisationen imitiert werden. Auch der Iran folgt laut Stamos' Angaben dem russischen Beispiel und mischt bei der Verbreitung von Fake-News, etwa auf Facebook, munter mit. Russische und iranische Gruppen haben seinen Angaben zufolge mehr als 600 Facebook-Profile angelegt, über die sie Falschinformationen in den USA, Großbritannien, Lateinamerika und dem Nahen Osten verbreiten. China wiederum unternehme "beispiellose" Anstrengungen, um vor der Kongresswahl "die öffentliche Meinung in den USA zu beeinflussen", sagte Vizepräsident Mike Pence Anfang Oktober. "Das unterstreicht eine ernüchternde Realität: Amerikas Feinde sind noch immer der Meinung, dass es sicher ist, die US-Demokratie mittels amerikanischer Technologien zu attackieren", fasst Stamos zusammen.

Ein Gutteil der Wählermobilisierung erfolgt in den USA noch über klassisches Klinkenputzen – allen Trollen zum Trotz.
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Dass sich seit 2016 nicht viel geändert hat, etwa in puncto US-Wahlmaschinen, wurde im Sommer deutlich, als die Hackerkonferenz "Def Con" in Las Vegas ein Angriffsszenario auf diese Computer nachspielen ließ. Ganze zwei Minuten dauerte es, bis die Hacker, meist Hobbytüftler, die Geräte, die über Wohl und Weh der Kandidaten entscheiden, geknackt hatten. So war es ihnen möglich, jene elektronische Karte umzuprogrammieren, die von Millionen US-Wählern zur Aktivierung der Wahlmaschine verwendet wird. "Diese Verwundbarkeit könnte man dazu nutzen, so viele Stimmen wie gewünscht für einen bestimmten Kandidaten abzugeben", erklärten die Hacker. Mehr als die Hälfte der US-Bundesstaaten benutzt genau diese Wahlmaschine, wenn sie ihre Bürger an die elektronische Urne ruft.

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Bei einem Testlauf im August wurden die Wahlcomputer in Florida auf Herz und Nieren geprüft.
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"Farce"

Obwohl die Probleme beim Typ M650 schon seit zehn Jahren bekannt sind, wurde bisher nicht an eine Reparatur gedacht. Ende September ließ eine Hackergruppe, die zu einem Besuch auf dem Washingtoner Capitol Hill geladen war, daher mit einer düsteren Prognose aufhorchen. Die Verwundbarkeit des US-Wahlsystems sei "niederschmetternd", formulierten sie es in einem Bericht, den sie Kongressabgeordneten übergaben. Die Demokratin Jackie Speier, die im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses sitzt, nannte die Verwundbarkeit des US-Wahlsystems eine "Farce": "Wir waren 2016 reif, von den Russen gerupft zu werden. Nun sind wir reif, bei künftigen Wahlen von den Chinesen und den Iranern gerupft zu werden."

Die Washingtoner Politgranden sind sich dabei der Bedrohung nur bedingt bewusst. Im Vorfeld der Wahlen im November gebe es eine russische Kampagne im Internet, um die USA "zu schwächen und zu spalten", erklärte der Nationale Geheimdienstdirektor Dan Coats im September.

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Heimatschutzministerin Nielsen warnt vor einer Unterminierung der US-Demokratie durch Hacker.
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Es handle sich um eine "Bedrohung, die wir sehr ernst nehmen müssen", sagte der Chef der Bundespolizei FBI, Christopher Wray, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im Weißen Haus. US-Heimatschutzministerin Kirstjen Nielsen sagte: "Unsere Demokratie selbst befindet sich im Fadenkreuz." Cybercom, die US-Behörde zur elektronischen Kriegsführung, ließ jüngst mit der Taktik aufhorchen, russischen Hackern vorab eine Warnung zukommen zu lassen, sich nicht in die US-Wahlen einzumischen. Und in Virginia wird nun eine Russin angeklagt, die maßgeblich an einem solchen Projekt mitgewirkt haben soll. Das angebliche Ziel: ein "Informationskrieg" gegen die USA.

Präsident Donald Trump hingegen hatte im Sommer für Empörung gesorgt, weil er es bei einer Pressekonferenz mit Russlands Staatschef Wladimir Putin vermieden hatte, die nach einhelliger Erkenntnis der US-Geheimdienste von Russland verübten Cyberattacken auf die US-Demokraten während des Wahlkampfs 2016 zu verurteilen. Stattdessen bewertete er Putins Beteuerung, Russland habe nichts mit diesen Hackerangriffen zu tun gehabt, als "extrem stark und kraftvoll". Der Chef der oppositionellen Demokraten im Senat, Charles Schumer, warf der Regierung vor, "nicht einmal annähernd genug zu tun", um Wahlen zu schützen.

Vier Punkte für mehr Sicherheit

Auch wenn es für die Midterms schon zu spät sein mag, Ex-Facebook-Manager Stamos rät den Behörden schon jetzt zu Achtsamkeit hinsichtlich der Präsidentenwahl 2020. Und gibt den Behörden "vier klare Schritte" an die Hand, mit denen Einmischungen künftig verhindert werden könnten. Der Kongress solle neue Gesetze verabschieden, die gegen Fake-News vorgehen. Die US-Regierung müsse klären, wer denn künftig für Cybersicherheit zuständig ist. Auf Attacken müsse schneller reagiert werden. Und alle Bundesstaaten, so Stamos, sollen sich an Colorado orientieren, wo Wahlsicherheitsteams staatsweit agieren. "Mit ein wenig politischem Willen und Zusammenarbeit könnten die USA zeigen, dass sie nicht Austragungsort globaler Informationskriege sind." (Florian Niederndorfer, 25.10.2018)