Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) übte sich am Montag in Schadensbegrenzung.

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Paul Köllensperger (Mitte) und sein namensgleiches Team sorgten für Furore bei der Landtagswahl in Südtirol.

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Bei einer Pressekonferenz, die im Morgengrauen beginnt, erwartet niemand euphorische Stimmung. Schon gar nicht am Sitz einer erfolgsverwöhnten Partei, die Südtirol seit 70 Jahren ununterbrochen regiert.

Landeshauptmann Arno Kompatscher und der Obmann der Südtiroler Volkspartei (SVP), Philipp Achammer, traten nach geschlagener Wahlschlacht um 6.30 Uhr vor die Presse und übten sich in Schadensbegrenzung. Primäres Ziel der Partei sei es gewesen, nicht unter die 40-Prozent-Marke zu fallen. Das sei gelungen. Der Verlust von zwei Mandaten sei zu verschmerzen.

Die Niederlage der Sammelpartei ist vor allem einem Außenseiter zuzuschreiben, der für die eigentliche Überraschung bei der Landtagswahl sorgte und seine neue Bürgerliste auf Anhieb zur zweitstärksten Fraktion im Bozner Landtag machte: Paul Köllensperger, bisher Abgeordneter der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, eroberte sechs Mandate und sorgte damit für die eigentliche Schlagzeile der Landtagswahl.

Zweiter Wahlsieger ist die rechte Lega, die erstmals mit vier Vertretern in den Landtag einzieht und die vor allem in der mehrheitlich italienischen Hauptstadt Bozen die übrigen Rechtsparteien regelrecht austrocknete.

So musste sich die Forza Italia von Silvio Berlusconi mit einem Prozent der Stimmen begnügen. Innenminister Matteo Salvini, der Bozen im Wahlkampf mehrmals besucht hatte, bejubelte das Ergebnis als "grandios".

Doppelpass als Bumerang

Die großen Verlierer dieser Wahl sind die für Selbstbestimmung und Doppelpass eintretenden Rechtsparteien. Hatte sich Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) im Wahlkampf für die SVP eine "schallende Watsch'n nach CSU-Vorbild gewünscht", so erfüllte sich sein Herzenswunsch – allerdings ausgerechnet bei den von ihm unterstützten Freiheitlichen, die gleich vier ihrer sechs Mandate einbüßten. "Wir haben uns zu viel mit uns beschäftigt, statt Wahlkampf zu betreiben", gesteht Ulli Mair, eine der zwei verbliebenen Abgeordneten, ein.

Auch die patriotische Südtiroler Freiheit, die sich gern in anti-italienischer Stimmungsmache übt, verlor einen ihrer drei Sitze. Die rechte Bürgerunion des Abgeordneten Andreas Pöder verschwand aus dem Landtag, in den nun viele neue Gesichter einziehen. Damit sind sechs Abgeordnete auf der Strecke geblieben, deren bevorzugte Themen Sezession, Doppelpass und Deutschtümelei waren. Die Grünen konnten ihre drei Sitze knapp halten. Der Partito Democratico als bisheriger Koalitionspartner der SVP schaffte nur noch ein Mandat.

Die Quadratur des Kreises

Nun beginnt für die Sammelpartei eine schwierige Quadratur des Kreises: Laut Autonomiestatut müssen die deutsche, die italienische und die ladinische Sprachgruppe in der zukünftigen Landesregierung vertreten sein. Die Lega stellt mit vier Abgeordneten die größte italienische Fraktion und bietet sich der SVP als Koalitionspartner an. Doch die Volkspartei hat bereits klargestellt, dass sie als Verbündete nur Parteien akzeptiert, die für ein friedliches Zusammenleben eintreten und die proeuropäisch und minderheitenfreundlich sind. Das trifft auf die Lega kaum zu, die jedoch als starke Regierungspartei in Rom einen weiteren Ausbau der Autonomie verhindern und die Anliegen der SVP vereiteln könnte.

Eine zweite Möglichkeit wäre die Bildung einer Regierung mit den Grünen und dem Partito Democratico.

Den Verlust von fast 14.000 seiner Vorzugsstimmen führt Landeshauptmann Kompatscher auf die Annullierung vieler Stimmen wegen Namensgleichheit zurück. Auf der SVP-Liste stand auch der Bürgermeister der Gemeinde Brenner, Franz Kompatscher. Auch Obmann Philipp Achammer will keine übereilten Entscheidungen: "Wir werden die Ergebnisse und die Wählerstromanalysen in den nächsten Tagen genau prüfen." Doch da die Landesregierung ein italienisches Mitglied haben muss, ist der Entscheidungsspielraum eingeengt. "Wir haben nur zwei Möglichkeiten", gesteht der Parteichef. Mit langwierigen Verhandlungen ist zu rechnen.

In Trentino siegte die Lega

In Südtirols Nachbarprovinz Trentino steuert die Lega indessen auf einen klaren Sieg zu. Ihr Kandidat Maurizio Fugatti liegt deutlich über der 40-Prozent-Marke, die ihm einen Mehrheitsbonus sichert, mit dem seine Partei allein regieren kann. Die Fünf-Sterne-Bewegung muss sich mit sieben Prozent begnügen. (Gerhard Mumelter aus Bozen, 23.10.2018)