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Weißes Haus, 8. Dezember 1987: Ronald Reagan und Michail Gorbatschow unterschreiben den INF-Vertrag.

Foto: REUTERS/Dennis Paquin

Washington/Peking/Moskau – China hat den geplanten Ausstieg der USA aus dem Abrüstungsabkommen von 1987 über atomare Mittelstreckenwaffen (INF) mit Russland scharf kritisiert. Die Sprecherin des Außenministeriums, Hua Chunying, wies am Montag auch die US-amerikanische Darstellung zurück, dass Chinas Aufrüstung etwas damit zu tun habe. "Es ist völlig falsch, China in den Rückzug aus dem Vertrag zu involvieren."

Der Vertrag zwischen den USA und Russland sei ein wichtiges Abrüstungsabkommen und habe eine wichtige Rolle dabei gespielt, das strategische Gleichgewicht zu wahren. Eine einseitige Abkehr der USA, wie am Samstag von US-Präsident Donald Trump angekündigt, werde "viele negative Auswirkungen" haben, sagte die Sprecherin. Die USA sollten vorsichtig mit diesem Vertrag umgehen.

Trump will Raketen bauen

Der laufende Wahlkampf und der Wunsch, auch mit China einen Abrüstungsvertrag zu schließen, könnten zu den Hintergründen für Donald Trumps Ankündigung zählen, den INF-Vertrag aufzukündigen, berichtet ORF-Korrespondent Robert Uitz-Dallinger.
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Seine Regierung werde die fraglichen Waffen bauen, sollten Russland und auch China nicht einem neuen Abkommen zustimmen, hatte Trump angekündigt. Die USA stören sich daran, dass das Abkommen sie daran hindere, Chinas Aufrüstung etwas entgegenzusetzen, weil es nicht Vertragspartner ist.

Der bilaterale INF-Vertrag verbietet Russland und den USA unter anderem den Bau und Besitz landgestützter, atomar bewaffneter Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 bis 5.500 Kilometern. US-Militärs verweisen darauf, dass ein Großteil des chinesischen Arsenals heute aus Mittelstreckenraketen besteht.

Moskau müsste reagieren

Russlands Präsident Wladimir Putin beschuldigte die USA, mit der Stationierung von Raketenabwehrsystemen in Osteuropa gegen den Vertrag zu verstoßen, weil von diesen Abschussrampen auch Marschflugkörper gestartet werden könnten. Die USA werfen Russland ihrerseits seit 2014 die Entwicklung und Stationierung von Marschflugkörpern des Typs SSC-8 vor und sehen darin einen Verstoß gegen den INF-Vertrag. Russland bestreitet das.

Russlands stellvertretender Außenminister Sergej Rjabkow sagte am Sonntag, eine Aufkündigung wäre "ein sehr gefährlicher Schritt". Der Vertrag sei wichtig für die internationale und die atomare Sicherheit sowie für die "Bewahrung der strategischen Stabilität", so Rjabkow. US-Sicherheitsberater John Bolton will am Montag mit hochrangigen russischen Politikern über den Ausstieg aus dem Vertrag sprechen. Geplant ist unter anderem ein Treffen mit Außenminister Sergej Lawrow und dem Chef des russischen Sicherheitsrats, Nikolaj Patruschew. Dabei soll Bolton Trumps Strategie darlegen. Ob der Nationale Sicherheitsberater bei dem zweitägigen Besuch auch Putin treffen wird, war zunächst unklar.

Ein Sprecher des russischen Präsidialamts sagte am Montag, Russland wäre im Fall einer Aufkündigung durch die USA gezwungen, Maßnahmen zur Wiederherstellung des militärischen Gleichgewichts zu ergreifen. Einen atomaren Erstschlag Russlands schloss man aber aus – selbst bei einem drohenden Atomangriff. "Wir werden niemals zuerst jemanden angreifen", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

Vertrag verlängerte Vorwarnzeiten

Die durch den INF-Vertrag verbotenen Atomwaffen kürzerer und mittlerer Reichweite haben insbesondere für Europa eine große Bedeutung. Mit ihnen hatten sich die Vorwarnzeiten nach einem eventuellen Raketenstart erheblich verkürzt. Dadurch stieg auch die Gefahr, dass ein Atomkrieg versehentlich oder durch technische Fehler ausgelöst wird, denn ein tatsächlicher oder auch ein vermeintlicher Angriff würde umgehend eine Gegenreaktion provozieren.

Auch deshalb hat die EU-Kommission die USA und Russland zur Beibehaltung des INF-Abkommens aufgerufen: "Wir sind der Ansicht, dass die USA und Russland in einem konstruktiven Dialog engagiert bleiben sollten, um diesen Vertrag zu erhalten", sagte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini am Montag.

Gorbatschow kritisiert US-Ankündigung

Einer der beiden INF-Unterzeichner, Michail Gorbatschow, meldete sich am Sonntag zu Wort: "Unter keinen Umständen sollten wir alte Abrüstungsverträge zerreißen. ... Verstehen sie in Washington wirklich nicht, wohin das führt?", fragte der 87-Jährige laut der Agentur Interfax.

Aus russischer Sicht resultiert der angekündigte Rückzug aus dem Wunsch der USA, alleinige Weltmacht zu sein. "Die Hauptmotivation ist der Traum von einer unipolaren Welt", zitierte die Nachrichtenagentur Ria Nowosti am Sonntag eine russische Ministeriumsquelle. Trumps Entscheidung sei "Teil einer US-Strategie, sich von den internationalen Rechtsabkommen zurückzuziehen", die das "Konzept des eigenen 'Exzeptionalismus' gefährden", sagte der Ministeriumsmitarbeiter. Washington versuche bereits seit "vielen Jahren" die Grundlage für das Abkommen zu zerstören. (red, APA, dpa, 22.10.2018)