Neue Vorwürfe gegen Toni Sailer.

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Wien – "Österreichs Skiverband kommt nicht zur Ruhe, immer neue Anschuldigungen tauchen auf – gegen Nationalhelden von einst, aber auch gegen aktive Trainer." Mit diesem Satz beginnt eine umfassende Geschichte im aktuellen deutschen Magazin "Der Spiegel", online ist sie – gegen Bezahlung – seit Freitag abrufbar. Am Anfang der Geschichte kommt eine Frau zu Wort, sie sagt: "Toni Sailer war ein Nationalheld, für meine Eltern und für mich – über ihn wurde zu Hause nur in den höchsten Tönen gesprochen; ich war 14, schüchtern und naiv, als er mich im Hotel Bon Alpina in Innsbruck-Igls vergewaltigt hat."

Die Frau bleibt anonym, nur im "Spiegel" heißt sie Franziska Fuchs. Die Vergewaltigung, so gibt sie an, habe sich am 26. Jänner 1975 ereignet. Sie soll bereit sein, ihre Aussage bei der Staatsanwaltschaft zu hinterlegen, das wäre dann nicht zuletzt ein Beweismittel in anderen, bereits eröffneten oder bald zu eröffnenden Verfahren zum Thema Missbrauch im österreichischen Skisport.

Verfahren

Das eine der Verfahren hat den ersten Tag schon hinter sich, der ehemalige ÖSV-Erfolgstrainer Karl "Charly" Kahr hat es gegen eine ehemalige Vorarlberger Rennläuferin und deren Ehemann angestrengt. Diese hatten an Annemarie Moser-Pröll, die eine Teamkollegin der Vorarlbergerin war, Whatsapp-Nachrichten geschickt, in denen sie Kahr massiver sexueller Übergriffe bezichtigten. Moser-Pröll setzte Kahr von den Nachrichten in Kenntnis, er klagte wegen Verleumdung.

Am 9. November soll sich das Verfahren in Bludenz fortsetzen. Eine weitere Klage hat Kahr gegen die Süddeutsche Zeitung eingebracht, in der ihm eine andere Ex-Rennläuferin vorgeworfen hatte, er habe sie vergewaltigt, als sie minderjährig war. Dieses Verfahren soll am Donnerstag in Wien eröffnet werden.

Kahr, flankiert von Moser-Pröll und Anwalt Manfred Ainedter, hat alle Vorwürfe bestritten. Nun sagt "Franziska Fuchs" dem "Spiegel", Kahr habe am Tag ihrer Vergewaltigung in Innsbruck eine Rolle gespielt. Zunächst allerdings spricht sie da über Sailer, den dreifachen Olympiasieger von 1956, der später ÖSV-Cheftrainer und Österreichs Jahrhundertsportler wurde. "Unter dem Vorwand, mir als Fan eine Autogrammkarte schenken zu wollen, hat mich Toni Sailer in sein Zimmer gelockt", wird die Frau zitiert. "Dort schubste er mich aufs Bett und versuchte, in mich einzudringen."

Kahr bestreitet

Zunächst blieb es bei dem Versuch, schreibt der "Spiegel", dann sei Sailer "erst einmal in aller Seelenruhe essen gegangen, habe sie so lange im Hotelzimmer eingesperrt und nach seiner Rückkehr vergewaltigt". Wieder die Frau im O-Ton: "Dann kam Karl Kahr dazu, befahl mir, mich anzuziehen, und notierte sich meinen Namen samt Adresse. Anschließend ließ er mich heimfahren."

Sailer ist 2009 verstorben. Kahr, mittlerweile 86 Jahre alt, bestreitet, dass es den Vorfall gab. Er könne ihn deshalb nicht kommentieren, hat sein Anwalt dem "Spiegel" mitgeteilt. Auch der STANDARD hat Kahr respektive Ainedter um Stellungnahme zu dem "Spiegel"-Bericht gebeten. Im Verfahren gegen die "Süddeutsche Zeitung", die Kahrs Namen ausschrieb, geht es nicht zuletzt um die medienrechtlich wichtige Frage, ob er nach wie vor eine Person des öffentlichen Interesses ist. Eine Trainerlegende ist er jedenfalls, ihm wurden Erfolge sonder Zahl zugeschrieben, unter anderem Franz Klammers legendärer Abfahrts-Olympiasieg 1976 in Innsbruck.

Bei ebendiesen Winterspielen hatte Nicola Werdenigg als Abfahrtsvierte knapp eine Medaille verpasst. Sie brachte Missbrauchsfälle im Skisport aufs Tapet, als sie im STANDARD-Sportmonolog im November 2017 von ihrer Vergewaltigung durch einen Teamkollegen und von Übergriffen am Ski-Internat Neustift erzählte. Werdenigg hat stets betont, dass das Thema bis in die Gegenwart reicht.

Massenvergewaltigung in Schladming

Auch in der Beziehung könnte sich die "Spiegel"-Story als bestätigend erweisen. Denn da ist noch die Rede von einem "ÖSV-Spartentrainer, der als junger Mann vor Jahrzehnten bei der Massenvergewaltigung eines Mädchens in Schladming dabei war". Dann heißt es: "Er geht bis heute seiner Arbeit im Verband nach." (Fritz Neumann, 19.10.2018)