Der umtriebige Gastronom strotzt vor Selbstvertrauen und bezeichnet sich als unantastbar. An seinen Betrieben komme keiner vorbei, sagt er – und träumt doch von einem Baumhaus in den Bergen. Im Gespräch mit dem STANDARD erzählt er, warum er die Entscheidung der Regierung begrüßt, das allgemeine Rauchverbot aufzuheben. Sonnenbäder sind für ihn Zeitverschwendung, und zwischen mangelnder Arbeitsmotivation und dem österreichischen Sozialsystem erkennt er einen Zusammenhang.

STANDARD: Sie haben am Freitag Ihren zehnten Betrieb eröffnet. Was kann man sich unter dem One of One vorstellen?

Ho: Primär ging es darum, meine Kunstgalerie zu verlegen. Wir haben in der Seilerstätte im ersten Bezirk allerdings ein Multikonzeptprojekt daraus gemacht. Das Herzstück ist die neue Galerie. Zwei Restaurants, eine Bar und einen Modeshop haben wir zusätzlich integriert. Das war allerdings mein letztes Projekt in Wien.

STANDARD: Gibt es Pläne für andere Städte?

Ho: Keine konkreten. Ich schließe aber nichts aus, weder im In- noch im Ausland.

Es wird Martin Ho kaum stören, dass der Winter vor der Tür steht. Alles, was er in einem Sonnenbad sieht, ist verlorene Zeit.
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STANDARD: In der Gastronomie hört man ständig von Personalsorgen, wie sieht das bei Ihnen aus?

Ho: Wir sind permanent auf der Suche nach ambitionierten Mitarbeitern. Leider lässt sich bei jungen Menschen täglich eine gewisse Motivationslosigkeit beobachten – obwohl die fachliche Kompetenz vorhanden wäre.

STANDARD: Wie meinen Sie das?

Ho: Kaum jemand am Arbeitsmarkt weiß, was es heißt, wirklich arbeiten gehen zu müssen. Die Notwendigkeit ist aufgrund des Sozialsystems hierzulande nicht gegeben. Nicht jeder junge Mensch denkt als Erstes an einen Job, so sollte es aber sein. Ich würde mir von der Jugend einen größeren Drang zur Unabhängigkeit, Veränderung und Selbstverwirklichung wünschen.

STANDARD: Besonders schwierig ist die Situation bei Köchen.

Ho: Das höre ich auch von vielen Seiten, bei uns sieht die Situation nicht ganz so drastisch aus. Wir beschäftigen seit Jahren dieselben Köche. Natürlich haben Menschen ab und zu das Bedürfnis, sich zu verändern, wodurch es zu Personalrochaden kommt. Im Großen und Ganzen darf ich mich aber nicht beklagen. Was viele nicht verstehen, ist, dass der Beruf des Kochs einer der respektabelsten überhaupt ist. Ein Koch steht unter enormem Leistungsdruck, er muss Präzisionsarbeit leisten. Kann ein Küchenchef nicht seine Topform abrufen, merkt der Gast das sofort. Mit einem kleinen Fehler macht man sich angreifbar.

STANDARD: Sie bieten im Dots sehr ausgefallene Sushi-Kreationen an. Wie viel kann man den österreichischen Gästen zumuten?

Ho: Sehr viel. Wenn experimentelles Essen überall auf der Welt gut ankommen kann, warum sollte es hier nicht so sein.

STANDARD: Weil Wien "anders" ist?

Ho: Wien ist anders, das stimmt. Aber nur in Wien. Der Wiener im Ausland ist kein bisschen anders. Ich wollte etwas machen, das die Leute aus dem Ausland kennen, ergänzt um die persönliche Komponente. Der Wiener will eine emotionale Bindung zu einem Lokal. Da beruht sehr viel auf Vertrauen. Mit Oberflächlichkeit kann man hier keinen Erfolg haben. Diese Stadt bietet mir die perfekte Plattform, um es den Leuten zu zeigen. Wenn man es in Wien schafft, schafft man es überall.

Ho ist überzeugt, dass in Wien mindestens einmal pro Jahr jeder in seine Gasse kommt.
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STANDARD: Vor kurzem haben Sie mit dem La Petite Ivy ein Hotel in der Wachau eröffnet. Waren Restaurants, Nachtclubs und Kunstgalerie nicht genug?

Ho: Ich wollte mein ganzes Leben lang ein eigenes Hotel haben. Diesen Wunsch habe ich mir in Niederösterreich erfüllt. Das Petite Ivy war für mich außerdem eine Art Schnupperkurs in die Hotellerie. Ich habe dabei wirklich viel gelernt und kann mir langfristig schon vorstellen, verstärkt ins Hotelgeschäft einzusteigen. Vor allem weil es mich fordert.

STANDARD: In Niederösterreich?

Ho: Um mich diesbezüglich festzulegen, ist es noch zu früh. Das Land Niederösterreich ist aufgeschlossen und hat mein Team und mich sehr herzlich empfangen. Es ist definitiv kein Zufall, dass Niederösterreich so gut dasteht, wie es eben dasteht. Auf lange Sicht kann ich mir also durchaus vorstellen, meinen Werdegang dort zu intensivieren.

STANDARD: Der Wunsch vom Hotel ist also erfüllt. Daneben träumen Sie von einem Baumhaus, wie sieht es da aus?

Ho: Es geht nicht um irgendein Baumhaus. Es geht um ein Baumhaus in Sa Pa in den Bergen im Norden von Vietnam. Ein atemberaubender Ort. Das soll allerdings nur der persönlichen Genugtuung dienen. Monetären Hintergrund gibt es da keinen.

STANDARD: Zurück nach Österreich. Wie stehen Sie zur aktuellen Raucherdebatte und der Entscheidung der Regierung, das allgemeine Rauchverbot aufzuheben?

Ho: Nichtrauchen ist ein internationaler Trend, dem kann man sich anschließen oder nicht. Ich bin zufrieden mit der aktuellen Regelung. Auch die Entscheidung der Regierung unterstütze ich. Rückschritt ist das jedenfalls keiner. Für mich ist das ein klares Zeichen, dass Österreich nicht alles, was die Europäische Union vorgibt, blind und bedingungslos umsetzen muss.

Laut eigenen Angaben ist Ho der größte Händler von Red Bull Lunaqua (in seiner Hand) – Wasser, das bei Vollmond abgefüllt wird.
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STANDARD: Ihre Betriebe sind sehr unterschiedlich. Haben Sie je eine fixe Zielgruppe für sich definiert?

Ho: In Österreich bietet außer mir niemand derart unterschiedliche Dinge an. Es gibt hervorragende und bedeutende Gastronomen in Wien, aber die fischen alle im selben Teich.

STANDARD: In welchem Teich fischen Sie?

Ho: In allen. Es gibt in dieser Stadt praktisch niemanden, der nicht mindestens einmal im Jahr in eines meiner Häuser kommt. Egal welches Alter, egal welche gesellschaftliche Schicht, egal welcher Herkunft. Sei es die Firmenweihnachtsfeier oder eine Uni-Feier, irgendwann kommen sie alle in meine Gasse (lacht). Als Betreiber ist es natürlich eine extreme Herausforderung, das alles unter einen Hut zu bringen, aber es muss einen Wiedererkennungswert geben. Darauf lege ich großen Wert.

STANDARD: Stichwort Herausforderung. Wie verliefen Ihre ersten Tage als Unternehmer?

Ho: Im Juni 2005 kam ich von der Maturareise nach Hause, und im November desselben Jahres habe ich mit drei Mitarbeitern das Dots auf der Mariahilfer Straße aufgesperrt. Danach lernte ich die Schattenseiten der Gastronomie kennen. Zutaten schneiden, Buchhaltung führen, einkaufen, kochen, kellnern und so weiter, ich habe alles gesehen und alles gemacht. Es ging nicht anders, weil ich es mir nicht anders hätte leisten können. Schlaf wurde zur Nebensache. Im Alter von 19 bis 21 habe ich nie mehr als vier Stunden pro Nacht geschlafen. Schlafentzug bringt dich an deine Grenzen. In anderen Ländern foltert man Menschen damit.

STANDARD: Was hat Sie motiviert durchzuhalten?

Ho: Der bedingungslose Wille der Beste zu sein, lässt einen unglaubliche Kräfte entwickeln. Es hat halt alles seinen Preis.

STANDARD: Was hätten Sie aus Ihrem Leben gemacht, wenn Sie nicht in die Gastronomie gegangen wären?

Ho: Auf die Was-wäre-wenn-Frage habe ich leider keine Antwort. Könnte ich es mir aussuchen, würde ich in die Politik gehen oder gleich ins Kunstgeschäft einsteigen. Galerist bin ich zwar nebenbei, aber mein Fokus liegt klarerweise woanders. Für die Gastro würde ich mich aber vermutlich nicht noch einmal entscheiden.

"Nur Wien, nur Wien, du nur allein" – Die Begeisterung für Wien spricht Martin Ho aus dem Gesicht, wenn er über seine Heimatstadt spricht.
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STANDARD: Was macht Kunst für Sie aus?

Ho: Es geht um die Energie, die ein Bild ausstrahlt. Kunstwerke können weit mehr bewirken, als man glauben möchte. Beispielsweise sehe ich mich an der Kunst in meinen eigenen Betrieben nie satt. Ich gehe von einem schönen Ort zum nächsten, und das jeden Tag. Die Kunst macht mich so gut wie unantastbar. Niemand kann das künstlerische Rundumpaket, das ich in und mit meinen Betrieben geschaffen habe, kopieren. Und natürlich spielt auch die finanzielle Komponente eine Rolle, weil wir viel handeln und investieren.

STANDARD: Haben Sie einen Lieblingsbetrieb?

Ho: Nein. Aber der Club X gehört definitiv zu meinen Lieblingsorten auf der Welt. Das X ist mittlerweile einer der bestlaufenden geheimen Mitgliederclubs der Welt. Auch wenn er nicht mehr wirklich geheim ist. (lacht) So etwas kann man nicht planen, das hat sich einfach so entwickelt. Wir haben vor fünf Jahren 500 Schlüssel an unsere besten Freunde und Geschäftspartner verteilt – ein Wohnzimmer für unser Netzwerk sozusagen.

STANDARD: Schaffen Sie es je, beruflich abzuschalten?

Ho: Nicht wirklich. Ich bin extrem wissbegierig und muss permanent etwas Neues erfahren oder entdecken. Wenn ich eine Stunde in der Sonne liege, ist das für mich eine verlorene Stunde. Da ärgere ich mich über mich selbst. Außerdem dauert meine Woche sieben Tage. Insgesamt schauen dabei vielleicht zehn Stunden Freizeit raus. Ich versuche aber, so viel Zeit wie möglich mit meiner einjährigen Tochter zu verbringen. (Andreas Danzer, 21.10.2018)