Shinichi Mochizuki will vor sechs Jahren die abc-Vermutung gelöst haben, doch nun dürfte...

Universität Kyoto

...der 30-jährige deutsche Mathematikgenius Peter Scholze den Beweis gemeinsam mit einem deutschen Kollegen widerlegt haben.

AFP / Uni Bonn / Volker Lannert

Hochverdient, aber im Alter blamiert: Sir Michael Atiyah.

Gert-Martin Greuel

"Gewissheit gibt allein die Mathematik", schrieb der eher für seine Zeichen- als für seine Rechenkünste bekannte Wilhelm Busch. Tatsächlich ist ein gültiger mathematischer Beweis für alle Zeiten richtig, während Erkenntnisse in anderen Wissenschaften dem Prinzip nach immer widerlegbar bleiben.

Doch auch in der Mathematik liegen die Fälle mitunter nicht ganz klar. Das vielleicht beste Beispiel aus jüngerer Zeit ist die Lösung der sogenannten "abc-Vermutung", die der japanische Mathematiker Shinichi Mochizuki 2012 vorlegte: Die 500-seitige Abhandlung blieb auch für Experten viele Jahre lang unverständlich.

Eine folgenreiche Vermutung

Die 1985 aufgestellte Vermutung sieht für Laien harmlos aus. Es geht dabei – ganz grob gesprochen – um drei natürliche Zahlen: a, b und c, wobei c die Summe aus a und b ist und alle drei Zahlen keinen gemeinsamen Teiler besitzen, etwa 25 + 27 = 52. Mathematiker haben einen merkwürdigen Zusammenhang der Summe c und den Primfaktoren von a und b entdeckt: c kann "kaum größer" sein als das Produkt aller in den drei Zahlen auftretenden Primfaktoren – mit Ausnahme sogenannter hochpotenter Zahlen.

Anschauliches Video über die abc-Vermutung und den Beweis Mochizukis.
Numberphile

Was Laien eher belanglos erscheint, ist für Zahlentheoretiker extrem wichtig: Sollte die abc-Vermutung bewiesen werden, wäre das ein folgenreicher Durchbruch mit großen Auswirkungen auf das gesamte Forschungsfeld.

Diesen Beweis wollte der heute 49-jährige Mochizuki vor sechs Jahren geliefert haben, doch Kollegen bissen sich daran selbst bei mehrtägigen Workshops mit dem gleichermaßen exzentrischen wie angesehenen Kollegen, der mit 19 an der Uni Princeton promoviert hatte, die Zähne aus. Ob der Beweis, der 2018 publiziert wurde, gelungen war, blieb offen.

Zehnseitige Widerlegung

Aber nun dürfte Mochizukis riesige Arbeit tatsächlich widerlegt worden sein. Jedenfalls behaupten das Peter Scholze (Uni Bonn) und Jakob Stix (Universität Frankfurt/Main), die Mochizuki an Reputation um nichts nachstehen: Der 30-jährige Scholze gewann erst im August die Fields-Medaille, die als eine Art Nobelpreis für Mathematiker gilt.

Die beiden Deutschen verbrachten eine Woche intensiven Studiums bei Mochizuki und dessen Mitarbeiter Yuichiro Hoshi in Japan. Ende Sptember veröffentlichten sie eine zehnseitige Studie – mit der Kernbehauptung, dass es in Mochizukis Gedankengebäude eine entscheidende Schwachstelle gäbe: Die Schlussfolgerung 3.12 enthalte einen Fehler, und damit sei der Beweis erledigt. (Scholze, der als einer der bedeutendsten Mathematiker der Gegenwart gilt, hatte schon 2012 diesen Verdacht, ging aber davon aus, dass Kollegen den Fehler entdecken würden.)

Mochizuki regierte auf die Widerlegung ziemlich beleidigt und warf den Deutschen schwere Missverständnisse vor. Doch mittlerweile scheint sich bei Experten die Meinung durchzusetzen, dass die abc-Vermutung definitiv als unbewiesen gelten muss.

Tragischer Altersbeweis

Etwas einfacher – und tragischer – dürften die Dinge beim Versuch liegen, das berühmtesten Problem der Zahlentheorie zu lösen, der 1859 formulierten Riemann-Vermutung, die auch Aufschlüsse über die Verteilung von Primzahlen gibt. Sie macht Aussagen über die Nullstellen der sogenannten Zetafunktion. Die komplexen Nullstellen dieser Funktion, so die Vermutung, liegen also in der komplexen Ebene auf einer Geraden.

Erklärvideo zur Riemann-Vermutung von den großartigen Machern von Numberphile.
Numberphile

Der 89-jährige britische Mathematiker Sir Michael Atiyah, Fields-Medaillist und Abel-Preis-Gewinner, kündigte an, einen Beweis gefunden zu haben, den er beim Heidelberger Laureatenforum im September präsentieren wollte. Diese Ankündigung war mit einiger Skepsis aufgenommen worden. Und tatsächlich geriet Atiyahs Vortrag zum Fiasko. Nach langen historischen Betrachtungen der Vermutung folgte der angebliche Beweis auf einer Folie.

Der Vortrag von Sir Michael Atiyah beim Heidelberger Laureatenforum.
Heidelberg Laureate Forum

Die Community reagierte teil mit betretenem Schweigen, teil mit Kritik an den Veranstaltern – weil sie nicht verhindert hatten, dass sich ein berühmter Mathematiker auf seine alten Tage blamiert. (Klaus Taschwer, 20.10.2018)