Was geschieht eigentlich, wenn jemand stirbt? Muss jeder Mensch sterben? Wie tief ist ein Grab? Und wohin geht der Mensch, wenn er stirbt? Irgendwann stellt jedes Kind Fragen zum Thema Tod. Ganz unbefangen. Erwachsene hingegen tun sich oft schwer damit, darüber zu sprechen. Kinder sollten aber mit ihren Fragen nicht alleingelassen werden, sagen Expertinnen im Gespräch mit dem STANDARD. So selbstverständlich der Tod und das Abschiednehmen im Leben sind, so selbstverständlich gehören sie ins Kinderbuch. Wir haben eine Auswahl an Büchern zusammengestellt, die den Versuch unternehmen, dem Phänomen Tod möglichst unbefangen und einfühlsam näherzukommen. (chrit, 1.11.2018)

Beim Trauern gibt es kein Richtig oder Falsch. Schon gar nicht, wenn Kinder traurig sind. Wie fühlt es sich an, wenn wenn ein Mensch, der einem am Herzen liegt, stirbt? Wie fühlt es sich an zu trauern? Die Kinderbuchautorin und Illustratorin Dagmar Geisler geht den verschiedenen Facetten der Trauer bei Kindern auf den Grund.

Jeder Mensch trauert anders: Die einen wollen in Ruhe gelassen werden, die anderen können in dieser Zeit nicht allein sein. Die einen wollen gehalten werden, die anderen darf man bloß nicht berühren. "Es gibt viele Arten, traurig zu sein, und jede ist in Ordnung", heißt es im Buch. Mit viel Feingefühl und in kindgerechter Sprache schreibt Geisler über den Schmerz, der kaum auszuhalten ist. Irgendwann wird es leichter, schreibt sie. Und: "Niemand, der dich gernhat, würde wollen, dass du für immer traurig bist." Ein großartiges Sachbilderbuch, das viele Gesprächsanlässe bietet, um in den eigenen Worten über Verlust und Traurigsein zu sprechen. Für Kinder ab fünf Jahren.

Dagmar Geisler hat seit den 1990ern eine Reihe vielbeachteter Aufklärungsbücher für Kinder geschrieben, darunter "Mein Körper gehört mir" und "War ich auch in Mamas Bauch?".

Dagmar Geisler
Was mache ich nur mit meiner Trauer

Loewe-Verlag 2018
32 Seiten, 10,30 Euro

Foto: Loewe Verlag

Der Tod ist hier ein Mädchen. Ein Mädchen in blauem Gewand, das Fahrrad fährt oder auf der Schaukel sitzt und vom Leben erzählt. "So wie das Leben das Leben ist, bin ich der Tod." Das Mädchen kommt zu kleinen wie zu großen Tieren, zu Menschen mit Falten wie zu Menschen in brennenden Häusern. "Wir halten uns bei den Händen und brauchen keine Worte", erzählt es. Es zieht durch die Welt und trifft manchmal auch Kinder und Ungeborene.

"Das Leben und der Tod" nähert sich ehrlich und leichtfüßig dem schweren Thema – ohne zu vertuschen oder zu beschönigen. "Das Leben und ich sind in allem, das einen Anfang hat und ein Ende", heißt es da. Geschrieben hat es die Norwegerin Elisabeth Helland Larsen, die seit 20 Jahren als Clownin in Kinderhospizen auftritt. Die belgische Illustratorin Marine Schneider hat dazu kindlich-träumerische Bilder gefunden. Leserinnen und Lesern jeden Alters legt dieses wunderbare Buch dar, wie Leben und Tod zusammenhängen.

Elisabeth Helland Larsen, Marine Schneider
Das Leben und ich
Eine Geschichte über den Tod
Kleine Gestalten 2016
48 Seiten, 15,40 Euro

Foto: Gestalten

Irgendetwas stimmt nicht mit dem Goldfisch. Warum nur schwimmt er an der Wasseroberfläche? Der Hund kitzelt ihn am Bauch, aber er reagiert nicht. Die Katze stupst ihn an, aber er bewegt sich nicht. Dann kommt irgendwann die Giraffe und sagt: Der Fisch ist tot. Da sind alle traurig. Sie überlegen, was sie jetzt machen sollen. Sie beerdigen den Goldfisch. Und weil ein Fisch ja Wasser braucht, um sich wohlzufühlen, gießen sie das Grab jeden Tag. Und dann wächst da plötzlich eine wunderschöne orange Blume. Genauso leuchtend, wie er es immer war.

Leise und tröstlich widmet sich dieses Bilderbuch von Judith Koppens dem Tod und dem Abschiednehmen. Eine Geschichte, die schon für die Kleinsten verständlich erzählt wird und sich auch gut zum Nachspielen eignet. Für Kinder ab drei Jahren.

Judith Koppens
Fisch schwimmt nicht mehr

Patmos-Verlag 2014
24 Seiten, 13,40 Euro

Foto: Patmos-Verlag

Wolf Erlbruchs "Ente, Tod und Tulpe" ist ein Klassiker. Der Tod war schon immer da, ein stiller Begleiter, den man nur zu gerne übersehen möchte. Die Ente hatte schon länger so ein Gefühl. "Wer bist du – und was schleichst du hinter mir her?", fragt sie die kleine Gestalt mit Riesenschädel und dem dürren Körper, der in einem karierten Kleid steckt.

"Schön, dass du mich endlich bemerkst", sagt der Tod. "Ich bin der Tod." Das verunsichert natürlich die Ente. Ist der Tod da, um sie zu holen? "Ich bin schon in deiner Nähe, solange du lebst – nur für den Fall", antwortet der Tod lässig und aufrichtig.

Der Tod, wie Erlbruch ihn schildert, begegnet den Lebenden auf Augenhöhe. Und die großen Fragen des Lebens finden hier einfache Antworten: für Kinder wie Erwachsene. Dafür ist Wolf Erlbruch auch mit vielen Preisen ausgezeichnet worden. Unter anderem ist er Autor folgender Bücher: "Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat", "Die große Frage" und "Das Bärenwunder".

Wolf Erlbruch
Ente, Tod und Tulpe

Antje-Kunstmann-Verlag 2007
32 Seiten, 15,40 Euro

Foto: Kunstmann

An einem Tag im Herbst findet der Frosch eine Amsel reglos in der Wiese liegen. Voller Sorge fragt er seine Freunde, was mit ihr los sein könnte. "Sie schläft", sagt das Schweinchen. "Sie sieht irgendwie krank aus", sagt die Ente. "Sie ist tot", stellt der Hase fest. "Tot?", fragt der Frosch. "Was ist das?"

Tief berührend und doch schlicht erzählt, handelt das Buch davon, was der Tod bedeutet – und wie schön es ist, auf der Welt zu sein. Warum das kein Widerspruch ist, wird im Klappentext des Buches erklärt: Man müsse nur Kinder beobachten, mit welch "tiefer Anteilnahme", aber auch "Freude und Befriedigung" sie tote Tiere beerdigen. Ein besonders erfreuliches Buch des niederländischen Autors und Zeichners Max Velthuijs – für Kinder ab vier Jahren.

Ausgezeichnet mit dem Illustrationspreis für Kinder- und Jugendbücher 1992.

Max Velthuijs
"
Was ist das?", fragt der Frosch
Fischer Sauerländer 1990
32 Seiten, 13,40 Euro

Foto: Fischer Sauerländer

Ein lustiges Kinderbuch über den Tod? Gibt es das? Ein Buch aus Schweden schafft den Balanceakt und erzählt souverän und unsentimental vom Tod. Zu Beginn erklärt die Autorin Pernilla Staffelt, wer alles sterben muss: Blumen und Marienkäfer genauso wie Erwin und Klein-Bobo. "Der Tod kann ganz schnell kommen. An einem Tag hat man seinen Opa noch. Am anderen kann man ihn vielleicht schon nicht mehr treffen. Das ist dann sehr leer und traurig." Was danach kommt? "Wer weiß, vielleicht wächst man als Blume aus der Erde. Oder als ein Baum. Es gibt Leute, die glauben, man wird ein Stern am Himmel. Irgendjemand wird vielleicht ein gruseliges Gespenst."

Das Grab beschreibt die Autorin als eine Art Treffpunkt. Sie erzählt von den Festen, die auf mexikanischen Friedhöfen stattfinden, und erwähnt die Grabbeigaben vergangener Kulturen. Ein durchaus ernst gemeintes Buch, das aber auch unterhaltsame Aspekte in ein Thema bringt, das vor Kindern für gewöhnlich tabuisiert wird.

Pernilla Stalfelt
Und was kommt dann?

Das Kinderbuch vom Tod
Moritz-Verlag 1999
32 Seiten, 12,20 Euro

Foto: Moritz Verlag

Der alte Fuchs ist müde von einem langen Leben. Auf einer kleinen Lichtung mitten im Wald legt er sich hin zum Sterben. Dort versammeln sich dann auch die Tiere des Waldes, um über den toten Fuchs zu trauern – und um sich an gemeinsame Erlebnisse zu erinnern – an Spiele, an Gelegenheiten, bei denen er ihnen geholfen hat.

Kann man Erinnerungen bewahren? Das Buch "Der Baum der Erinnerung" schafft ein schönes Bild davon, was bleibt, wenn jemand gegangen ist. Mit knappen Texten und klaren Bildern liefert das Buch Erzählanlässe für persönlich Erlebtes. Ein Trostbuch, das sich auch schon für die ganz Kleinen eignet.

Britta Teckentrup
Der Baum der Erinnerung

Ars-Edition 2013
32 Seiten, 13,40 Euro

Zum Thema

Warum man mit Kindern ehrlich über Verlust, Trauer und Abschied sprechen sollte

Foto: arsedition