Prognosen sind schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen. Das Zitat ist so berühmt, dass man nicht weiß, wer das sagte. Egal, es ist trotzdem ein Volkssport, halbwitzige Vorhersagen zu machen. Wie wird also Österreich im Jahr 2100 politisch aussehen?

Peter Filzmaier ist Politikwissenschafter, u. a. mit großer Fangemeinde im STANDARD-Forum. Von 2005 bis 2008 war er STANDARD-Kolumnist. Aktuell schreibt er "Filzmaier analysiert" für die "Kronen Zeitung".
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1. Die Alten gegen die Jungen! Es gibt aktuell doppelt so viele über 80-jährige Wahlberechtigte wie 16- bis 18-jährige. Bald ist jeder zweite Wähler über 50 Jahre. 2050 liegt das Durchschnittsalter der Wähler jenseits der 65er-Grenze. 2100 werden endgültig uralte Oldies den Wählermarkt beherrschen und Populisten ihnen nach dem Mund reden.

2. Die Ausländer gegen die Ureinwohner! Gegen die Alterung der Gesellschaft hilft die Spaßmethode. Wir versuchen die Kinderzahl zu erhöhen. Den meisten bereitet der sexuelle Produktionsprozess ja Vergnügen. Klappt das nicht, muss es mehr junge Zuwanderer geben. Heute leben in Österreich 1,1 Millionen Ausländer. Der Anteil wird sich bis 2100 vervielfachen. Weil man aber mit fremder Staatsbürgerschaft von der Demokratie ausgeschlossen bleibt, radikalisieren sich Herkunftsbewegungen noch mehr. Von den evangelischen Tiroler Piefkes bis zu muslimischen Wiener Tschuschen.

3. Die Gscheiten gegen die Blöden! Karl Farkas und Ernst Waldbrunn spielten eine Doppelconférence eines Gebildeten mit einem Ungebildeten. Lebensecht war, dass sie abwechselnd supervif oder strunzdumm wirkten, weil Intelligenz nichts mit der formalen Schulbildung zu tun hat. Theoretisch wäre es daher unerheblich, dass wir in der Wählerschaft 900.000 Pflichtschulabsolventen und 600.000 Akademiker haben. Doch sind die Bildungsgruppen einander parteipolitisch oft spinnefeind. Nur wenn wir 2100 lauter Schulabbrecher oder ausschließlich Hochgebildete als Wähler hätten, entfällt diese Konfliktlinie. Das wird nicht geschehen.

4. Die Städter gegen die Landmenschen! Der ländliche Raum stirbt nicht aus, doch schrumpft er gewaltig. Für eine urban orientierte Zeitung wie den STANDARD ist das toll, für die Gesellschaft nicht. Randregionen verwahrlosen. Was den ökologischen Bobos nicht nur umweltpolitisch auf den Kopf fallen wird.

5. Die Nerds gegen die realen Demokraten! Nach dem Vorbild eines schwedischen Musterhauses wird der Kühlschrank zum zentralen Ort für politische Beteiligung. Die Tür ist ein Touchscreen, wo mittels Handauflegen Tag für Tag über alles abgestimmt wird. Von der Mülltrennung bis zum Umgang mit anderen Kulturen. Je nach unsachlichem Bauchgefühl.

Warum der Kühlschrank? Weil das einer von zwei Orten ist, wo jeder morgens sicher hingeht. Und den Klodeckel sollte man nicht als Pseudowahlurne verwenden. Natürlich kann man ersatzweise auch das Handy – 2100 stattdessen einen Chip im eigenen Mittelfinger – beim Frühstück oder auf der Toilette verwenden. Was die Sache nicht besser macht. Für die Demokratiequalität ist das nämlich beschissen.

Ob diese fünf Thesen stimmen? Keine Ahnung. Doch die Angst vor Prognosen ist unverständlich. Im Jahr 2100 wird der Kolumnist 133 Jahre alt. Da muss man sich vor einer Widerlegung eigener Vorhersagen nicht allzu sehr fürchten. (Peter Filzmaier, 19.10.2018)