Ring frei für ein Streitgespräch in Linz. In der linken Ecke: David Packer, 33-jähriger Politikberater. In der rechten Ecke: Mathias Eichinger, 26-jähriger Personalverrechner. Wie 3.000 andere Teilnehmer der Aktion "Österreich spricht" hatten die beiden Herren einander zum politischen Diskurs getroffen. Die Ausgangslage: Bei den sieben Fragen, die zur Anmeldung beantwortet werden mussten, gibt es nur zwei Übereinstimmungen. Der Herbstnachmittag im Gastgarten ist lau. Trügerische Ruhe vor dem Sturm?

Nach dem ersten vorsichtigen Umtänzeln des Gegenübers wagt dann Mathias Eichinger den ersten Vorstoß. Mit einem "echten Herzensthema": Lehrstellen für Asylwerber. Für ihn sei das "völlig unverständlich", dass die Politik in diesem Bereich "immer reinhaut". Eichinger: "Es kann doch nicht sein, dass man gute Leute, die in einer Ausbildung sind, integriert sind, ausreichend Deutsch können, so einfach abschiebt." Österreich lasse da "ein unglaubliches Potenzial" einfach liegen. Ein Thema, bei dem David Packer klar mitgehen kann: "Ein heikles Thema. Aber da bin ich bei dir."

Mathias Eichinger und David Packer (rechts) trafen einander in einem Lokal in Linz.
Foto: Alexander Schwarzl für DER STANDARD

Anfängliches Unentschieden

Packer sieht aber vor allem den Bürger gefordert: "Es gäbe noch viel mehr Möglichkeiten, wie man sich einbringen könnte. Doch wir Bürger schöpfen das gar nicht so stark aus, wie es eigentlich möglich wäre. Das kann der Griff zum Telefonhörer sein – man muss nicht auf irgendwelche Demos gehen." Überhaupt plädiert der 33-Jährige für ein Bürgerparlament.

Packer: "Wir haben heute ein politisches System, das nicht den Anforderungen der Gesellschaft entspricht. Da muss sich deutlich etwas ändern. Es muss versucht werden, die Partikularinteressen, die Parteien ja immer vertreten, zu überwinden. Und man sollte generell einen Gesetzgebungsprozess schaffen, der einen breiteren Querschnitt der Gesellschaft enthält."

Eichinger: "Ein spannender Ansatz. Ich verstehe ja die Regierung ohnehin nicht, warum man es nicht schafft, sich ehrlich mit der Opposition zusammenzusetzen. Einfach einmal etwas Neues probieren – und versuchen, eine richtige Mehrheit zu finden."

"Mit Kurz bin ich total unzufrieden. Der leistet überhaupt keine gute Arbeit", sagt Eichinger.
Foto: Alexander Schwarzl für DER STANDARD

Schlag auf Schlag

Nachdem die ersten Runden mit einem klaren Unentschieden enden und eher Harmonie im Ring vorherrscht, geht es in der Diskussion um den Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz Schlag auf Schlag.

Eichinger: "Mit Kurz bin ich total unzufrieden. Der leistet überhaupt keine gute Arbeit. Als Außenminister war er noch groß und stark, als Bundeskanzler ist er einfach nur schwach." David Packer ist sichtlich getroffen, taumelt aber nicht: "Also da bin ich jetzt überhaupt nicht deiner Meinung. Sebastian Kurz ist zwar sicher nicht der Wunderwuzzi, aber er hat eine konsequente und professionelle Linie. Das gefällt mir. Er hat einen Plan für einen längeren Zeitraum." Und es habe "noch nie so einen großen Umbruch" in einer Partei gegeben wie unter Kurz. Mathias Eichinger bleibt dicht am Kontrahenten: "Geh bitte – man regiert doch am Volk vorbei. 881.569 Menschen unterzeichneten das Don't-smoke-Volksbegehren. Da muss ich doch als Politiker hinhören und vor allem hingreifen."

Packer: "Gut, in diesem Punkt muss ich dir recht geben."

Deutlich härter ins Gefecht gehen die Diskutanten dann auch bei Themen weit abseits der österreichischen Innenpolitik. US-Präsident Donald Trump ist Mathias Eichinger ein echter Dorn im Auge: "Furchtbar. Der hat überhaupt kein richtiges Fachwissen. Und er heizt einfach zu viel auf in dieser Welt." David Packer geht kurz in Deckung, überlegt – und setzt zum Überraschungsangriff an: "Trump ist doch eigentlich liberal. Was mir an Trump gefällt, ist, dass er der Gesellschaft den Spiegel vors Gesicht hält. Er löste quasi eine Krise im Weltbild vieler aus."

Eichinger: "Er ist doch für keines der weltpolitischen Ziele förderlich."

Packer: "Es gibt Punkte, die er nicht so schlecht gemacht hat. Auf der Koreanischen Halbinsel hat sich dank Trump immens viel getan. Der Druck von amerikanischer Seite hat etwa in Nordkorea einen Öffnungsprozess eingeleitet."

Eichinger: "Das war doch eine zufällige Komponente. Das hätte auch ordentlich schiefgehen können."

Packer: "Also ich habe nie Angst gehabt, dass der dritte Weltkrieg ausbricht und die Raketen fliegen. Es ist sicher nicht das Optimum, wenn sich so etwas so hochschaukelt. Aber es hat in diesem Fall funktioniert. Ich habe Respekt vor Donald Trump, er schafft gewisse Sachen. Aber natürlich will ich nicht, dass solche Leute ewig Präsident sind."

"Wir haben heute ein politisches System, das nicht den Anforderungen der Gesellschaft entspricht", meint Packer.
Foto: Alexander Schwarzl für DER STANDARD

Viel gelernt

Nach gut eineinhalb Stunden dann der Schlussgong. Zufriedenheit in beiden Ecken. Auch wenn kein klarer "Sieger" aus dem Treffen hervorgegangen ist, über das und vom Gegenüber hat man viel gelernt. Und damit hätten wohl am Ende beide gewonnen. (Teilnehmender Beobachter: Markus Rohrhofer, 19.10.2018)