Stiftungsratschef Norbert Steger (li.) und ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz anlässlich einer Sitzung des Stiftungsrats im ORF-Zentrum.

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Wien – Es wird ernst mit dem neuen ORF-Gesetz von ÖVP und FPÖ und einem neuen Vorstand für den – jedenfalls bisher – GIS-finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. "Die jetzige Geschäftsführung ist schwach", sagte ORF-Stiftungsratschef Norbert Steger (FPÖ) bei einer Veranstaltung des Vereins Medienjournalismus Österreich (MÖ). Er rechnet Ende November mit einem – vorerst regierungsinternen – ÖVP-FPÖ-Entwurf für ein neues ORF-Gesetz.

Steger hat für die FPÖ den Medienteil des Regierungsübereinkommens von Dezember 2017 mitverhandelt. "Vereinbart" sei etwa, dass der ORF für das Publikum "billiger werden muss" – es sollte also weniger GIS bezahlen müssen. Wie viel weniger und wer weniger bekommt, sagte Steger nicht. Der ORF erhält mehr als 600 von gut 950 GIS-Millionen pro Jahr, der Rest geht an Bund und Länder. "Die Menschen wollen eh, dass es den ORF gibt. Nur zahlen wollen sie nicht."

Neues ORF-Gesetz 2019

Im Jänner könnte der Entwurf im Nationalrat eingebracht werden, erwartet Steger, der an diesem neuen ORF-Gesetz nicht mitarbeitet. Zur Jahresmitte 2019 oder spätestens Ende kommenden Jahres könnte das neue Gesetz beschlossen werden, sagt der Rechtsanwalt und ehemalige Vizekanzler.

Noch vor dem neuen ORF-Gesetz soll der Stiftungsrat laut Steger im kommenden Dezember Social-Media-Richtlinien für ORF-Journalisten beschließen. Samt einer "zweiten Instanz" über dem ORF-internen Ethikrat. Der ORF-General soll die Mitglieder dafür nominieren, der Stiftungsrat sie bestellen. "Oder will er als Generaldirektor Strafen verhängen?", skizziert Steger sein Alternativszenario. Die Sanktionen will er nun nicht im Detail festlegen oder benennen – im Frühjahr sprach er noch von Entlassung im Wiederholungsfall.

Nebentätigkeiten einschränken

Neue Compliance-Bestimmungen für ORF-Mitarbeiter erwartet Steger ebenso; er spricht vor allem von Gratiskarten und Einladungen des ORF zu Veranstaltungen – etwa zum Hahnenkammrennen in Kitzbühel. "Auch Thema" seien aber Nebentätigkeiten von ORF-Promis wie die Moderation von Veranstaltungen. Steger: "Die Liste für 2017 habe ich mir schon geben lassen."

Und was hält der Stiftungsratschef davon, wenn eines der bekanntesten Gesichter des ORF – Vera Russwurm – bei der ÖVP-Einjahresfeier der Kanzlerschaft Sebastian Kurz' "Strahlkraft" und "tolles politisches Talent" preist? "Unzulässig nach meiner Auffassung", sagt Steger nach dieser Journalistenfrage.

"Keine Politik"

Kurz darauf erklärt der Stiftungsratschef allgemein über ORF-Journalisten, "sie sollen Journalismus machen und nicht Politik". Den Eindruck der "Politik" hat Steger nun vor allem vom ORF-Radio – und den dürfe der ORF keineswegs beim Publikum erwecken. Er wünscht sich "eine Veränderung im Verhalten der ORF-Journalisten". Denn: "Ich will, dass es dem ORF auch in zehn Jahren gut geht. Wir brauchen die Bevölkerung auf unserer Seite. Dann wird es Geld geben für den ORF."

Steger erwartet, dass das ORF-Gesetz weiterhin höchstens fünf Mitglieder der Geschäftsführung vorsieht. Es könnten bei der nächsten Bestellung aber nur vier werden – darunter ein Generaldirektor/Vorstandschef mit entscheidendem Stimmgewicht bei Stimmengleichstand im Vorstand. Der Generaldirektor wiederum soll künftig für Entscheidungen jedenfalls ein zweites Vorstandsmitglied brauchen. Der amtierende ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz kann sich nach bisherigem Bekunden durchaus als Vorstandschef nach einem neuen ORF-Gesetz vorstellen.

Bisher bestellt der ORF-Stiftungsrat den Generaldirektor, der schlägt den Räten danach seine Direktoren vor. Steger plädiert für die Ausschreibung und Bestellung des gesamten Vorstands – die "sollen sich zusammenraufen". Das aber sei in ÖVP und FPÖ "noch nicht ausdiskutiert".

Fix aus Stegers Sicht indes: Die Betriebsräte im Stiftungsrat (fünf von 35 Räten) sollen künftig nicht mehr gleichberechtigt über das ORF-Management mitbestimmen. In der ORF-Geschichte tauschten Generalskandidaten vielfach (oft entscheidende) Betriebsratsstimmen gegen Jobs oder andere Vorteile. Der amtierende Technikdirektor Michael Götzhaber (SPÖ) stimmte 2011 etwa als Stiftungsrat für Wrabetz, der schlug ihn wenige Wochen darauf als Direktor vor; beim gerade pensionierten Tiroler Landesdirektor Helmut Krieghofer (ÖVP) lief es freilich ohne Betriebsratsfunktion genauso.

Zwei Vorstände für FPÖ

Die FPÖ soll in einem künftigen ORF-Vorstand auf zwei von vier Mitgliedern hoffen. Namen für diesen Vorstand nannte Steger bei dem MÖ-Gespräch nicht, er kommentierte aber als Kandidaten Gehandelte: Den früheren Heta-Manager und bisherigen ÖBB-Aufsichtsratschef Arnold Schiefer würde der ORF "sehr interessieren", und ebenso, ihn "wirtschaftlich auf andere Beine zu stellen" – etwa als Finanzdirektor und stellvertretender Generaldirektor. Doch Schiefer ist schon zum ÖBB-Finanzvorstand bestellt.

Einen Digitalvorstand soll es künftig nach Stegers Wissensstand geben. Der frühere ORF-Onlinedirektor und heutige Technikvizedirektor Thomas Prantner ("Ein ÖVPler, der die FPÖ immer gut behandelt hat. Oder meistens") ist für Steger nicht für den Job gesetzt: Der Stiftungsratschef sagt, er wünscht sich für Führungsjobs eine ernsthafte internationale Ausschreibung, deren Ergebnis nicht schon zuvor feststehe.

Ihm seien auch schon Menschen für Führungspositionen angetragen worden, "die es noch gar nicht gibt" – und übrigens "auch ungeeignete", sagt Steger: "Es gibt Leute, wo ich geh'. Ich will, dass der ORF besser wird." Namen nannte er auch hier nicht.

Einen kolportierten Regierungsdeal über seinen Rückzug als Stiftungsratschef 2019 verneint der Freiheitliche. Einziger Deal aus seiner Sicht: "Solange ich's machen will, bin ich's." Und er mache "gern weiter", auch über seinen 75er im kommenden März hinaus.

Steger plädiert schon lange für einen ORF-Aufsichtsrat nach den Stärkeverhältnissen im Nationalrat. Die ÖVP dürfte aber nur ungern auf Stiftungsräte der Länder verzichten – die sie derzeit zur weitaus größten Fraktion im ORF-Stiftungsrat machen. Steger hofft noch auf ein operatives Präsidium für den Stiftungsrat, dessen Entscheidungen "gültig sind", aber der Bestätigung des – seltener tagenden – Plenums bedürfen sollen.

FPÖ widerspricht

Die FPÖ kann mit den Aussagen von Norbert Steger (FPÖ) zum ORF nichts anfangen, betonte der freiheitliche Mediensprecher Hans-Jörg Jenewein am Donnerstag gegenüber der APA. Er bezeichnete Stegers Sager als "Privatmeinung" des Stiftungsrats-Vorsitzenden.

Dass etwa, wie Steger erklärt hatte, im November mit einem Entwurf für ein neues ORF-Gesetz zu rechnen sei, bestätigte Jenewein nicht. "Das ist der Zeitplan des Herrn Steger. Ich weiß nicht, worauf er sich da beruft." Der Zeitplan sei auch "Aufgabe des Parlaments in Zusammenarbeit mit Ministerien und nicht Aufgabe des Vorsitzenden des ORF-Stiftungsrats".

Die Partei habe Steger auch nicht den derzeitigen ORF-Online-Chef Thomas Prantner als künftigen Digitalchef des Öffentlich-rechtlichen "genannt", wie Steger im Gespräch mit dem Verein Medienjournalismus Österreich (MÖ) gesagt hatte. "So lange wir kein Gesetz haben, ist es müßig, über Personen zu sprechen", betonte Jenewein. Sein Fazit: ebenfalls Stegers "Privatmeinung". Und schließlich wollte Jenewein sich auch nicht zu Stegers Diagnose, die ORF-Geschäftsführung sei "schwach", äußern: Dies begründe sich "allenfalls in seiner Wahrnehmung als Stiftungsrats-Vorsitzender".

(Harald Fidler, 18.10.2018)