Norbert Bartelme und Raffael Reithofer haben sich im Rahmen von "Österreich spricht" in Graz zum Gespräch getroffen.

Foto: Reithofer

Eigentlich geht es bei "Österreich spricht" ja darum, mit einem anderen auf Augenhöhe zu diskutieren, dessen Meinung man gerade nicht teilt. Dieses Ziel haben Norbert Bartelme und ich nicht erreicht. Nicht etwa, weil wir nicht auf Augenhöhe miteinander gesprochen hätten, im Gegenteil: Dass es sich bei uns um einen Studenten und einen Professor im Ruhestand handelt, hätten Zuhörer maximal am Altersunterschied erahnt. Vielmehr haben wir dieses Ziel deshalb nicht erreicht, weil wir uns über die meisten Dinge einig waren.

Norbert bezeichnet sich als "Mann für Grauschattierungen", ich ticke ähnlich. So erging es uns beiden, dass wir jene Fragen, die uns der STANDARD gestellt hat, nicht mit einer fixen Überzeugung, sondern geradezu mit 51 Prozent beantwortet haben. Wir hatten also kaum Grund zu streiten und führten doch ein äußerst fruchtbares Gespräch, das uns von der Vereinbarkeit des Islam mit der europäischen Kultur bis hin zur Problematik von außeruniversitären Drittmitteln in der Wissenschaft führte.

Ehrlich um Integration bemühen

Unterschiedlich abgestimmt haben Norbert und ich etwa bei der Frage, ob der Islam mit den europäischen Werten vereinbar sei. Ich klickte auf Nein, Norbert auf Ja. Die vermeintliche Differenz war schnell überwunden: Beide waren wir uns im Gespräch einig, dass ein politischer Islam damit nicht vereinbar ist, ein reformierter Islam aber schon. Aber was sind überhaupt europäische Werte? Auch hier fanden wir keine letztgültige Antwort, waren uns aber einig, dass jene der griechisch-römischen Antike, des Christentums und der Aufklärung unser Welt- und Menschenbild geprägt haben und jenen Rahmen bilden, den wir gern den liberalen Grundkonsens nennen.

Wir beide waren uns darüber einig, dass eine multikulturelle Gesellschaft mit Schwierigkeiten verbunden ist, aber auch darüber, dass wir in Österreich in einer multikulturellen Gesellschaft leben und nun das Beste daraus machen sollen: uns also ehrlich um die Integration all jener Zuwanderer bemühen sollten, die bereits hier leben.

Gibt es eine absolute Wahrheit?

Zweieinhalb Stunden haben Norbert und ich miteinander gesprochen, unweit der Grazer Herz-Jesu-Kirche. Norbert hat als Professor für Vermessung und Geoinformation an der Technischen Universität Graz gearbeitet, ich bin Philosophiestudent und arbeite gelegentlich als freier Journalist. Wie ist das eigentlich mit dem Journalismus und der Objektivität? Und gibt es überhaupt eine absolute Wahrheit, oder hat nicht vielmehr jeder seine eigene Wahrheit? Vielleicht gebe es ihn, den einen richtigen Messwert, aber man könne sich in den Geowissenschaften immer nur daran annähern, lässt Norbert ein Beispiel aus seinem Fach in unsere Diskussion einfließen.

Dennoch sollten wir uns redlich darum bemühen, so akkurat wie nur irgend möglich zu arbeiten: in den Geowissenschaften wie im Journalismus – und in allen anderen Disziplinen. Drittmittel von der Industrie würden dieses Bemühen in den Wissenschaften aber nicht leichter machen, meint Norbert: Denn ein Auftraggeber aus der Industrie erwarte sich häufig keine unabhängige Studie, sondern vielmehr ein bestimmtes Ergebnis. Wissenschafter, die an einer Universität arbeiten, sind im Journalismus gern gesehene Interviewpartner, werfe ich ein – aber ist es wirklich vernünftig, etwa einen Uni-Experten zum Thema Fracking zu interviewen, der über Drittmittel von der Erdgasindustrie bezahlt wird? Auch hier waren wir uns einig. (Raffael Reithofer, 18.10.2018)