Man rechnet mit vielem, wenn man im Burgenland über lange Feldwege vorbei an unzähligen und überdimensionierten Anbauflächen fährt. Erdäpfel, Paprika und Tomaten gedeihen hier bestens auf Feldern oder in Gewächshäusern. Jene Pflanzen, die in einem Folientunnel in St. Andrä am Zicksee aus dem Boden ragen, dürften aber selbst erfahrene Gemüsebauern zum Staunen bringen. Riesige grüne Stauden, die auf den ersten Blick an Bambus erinnern, stecken hier tief verwurzelt in der Erde.

Die unzähligen, saftig grünen Blätter interessieren Gerald Kern allerdings wenig. Er hat es auf die Wurzeln abgesehen, die man hierzulande in dieser Form noch nicht gesehen hat. Heuer hat der Gemüsebauer zum ersten Mal seinen eigenen Ingwer angebaut – ein Pilotprojekt, mit dessen Erfolg er mehr als zufrieden zu sein scheint. Aufgrund der Klimaerwärmung gedeihen die kleinen Knollen im Seewinkel nämlich hervorragend. "Der Sommer war natürlich großartig.

Wir wissen, dass das nächstes Jahr wieder ganz anders sein kann. Prinzipiell ist das Klima hier aber perfekt. Mindestens zehn Grad sind notwendig, damit der Ingwer wächst. Im Oktober, wenn die Nächte kälter werden, stellt die Pflanze das Wachstum ein. Wir ernten die Knollen daher jetzt", sagt Kern.

Ingwerernte im Seewinkel. Der Folientunnel bot ideale Bedingungen für den Anbau.
Foto: Alex Stranig

Mit jenem Ingwer, der in heimischen Supermärkten verkauft wird, hat dieses frische, rosig glänzende Ding so rein gar nichts gemein. Und nicht nur optisch, auch geschmacklich ist der Ingwer nicht mit den vertrockneten, fasrigen und holzigen Wurzeln zu vergleichen, die wir so gern in den Tee oder asiatische Speisen hobeln. Diese wunderbare Knolle strotzt vor Frische und angenehmer Schärfe, die Konsistenz erinnert an Kohlrabi.

Die frisch geernteten Knollen sind geschmacklich nicht mit den Knollen, die wir sonst im Supermarkt kaufen können, zu vergleichen.
Foto: Alex Stranig
Für einige Wochen ist der frische Ingwer in Österreich erhältlich.
Foto: Alex Stranig

Frage des Geschmacks

"Ingwer aus dem Supermarkt ist ewig haltbar und meistens schon mehrere Monate alt, bis er bei uns im Regal landet. In Asien verwendet man diese Art von Ingwer eher als Gewürz", erzählt Ming Shin Chu. Der Lebensmittelhändler aus Taiwan hat das Saatgut für Gerald Kern besorgt und importiert die Knollen seit einigen Jahren nach Österreich. Nun freut er sich, dass er den echten Ingwer, wie er ihn aus seiner Heimat kennt, auch in Österreich kaufen kann. Für ein paar Wochen wird der heimische Ingwer nämlich in ausgewählten Supermärkten von Rewe sowie einzelnen Verkaufsstellen in Wien erhältlich sein.

Die tropische Wärme macht man sich im burgenländischen Seewinkel schon länger zunutze: 300 Sonnentage und das pannonische Klima schaffen perfekte Voraussetzungen, um Gemüse und Obst anzubauen, das normalerweise in südlicheren Gebieten gedeiht. "Wir rechnen damit, dass die Sommer in den nächsten Jahren noch heißer werden. Daher planen wir auch in Zukunft weitere Projekte mit exotischem Gemüse und Obst", sagt Josef Peck von der Erzeugerorganisation Seewinkler Sonnengemüse. Weil nicht alle Experimente immer so aufgehen, wie man es sich erhofft, werden die Kosten einerseits vom Gemüsebauern und andererseits von der Genossenschaft getragen.

Kichererbesn aus dem Weinviertel

Und nicht nur das Burgenland bietet einen fruchtbaren Boden für Exotisches: Herbert Zimmermann baut seit einigen Jahren Kichererbsen im niederösterreichischen Weinviertel an. "Die Kichererbsen fühlen sich ganz wohl bei uns. Der Ertrag ist natürlich immer abhängig vom Wetter. Wenn der Sommer zu heiß und trocken ist, ernten wir weniger", sagt Zimmermann. Heuer werden es um die 600 Kilo sein, die der Quereinsteiger ernten wird. Zu kaufen gibt es seine Kichererbsen ab Hof und online.

Die Ingwerwurzel ist eine Sonnenanbeterin. Heuer hat sie das burgenländische Klima in vollen Zügen genossen.
Foto: Lukas Friesenbichler/Paper Cut-Out: Magdalena Rawicka

Indoor-Farming

In viel größeren Maßstäben denkt da Martin Parapatits. Der Unternehmer baut in Oberwart neuerdings Wasabi an. Und das ist gar nicht so einfach. Die scharfe Wurzel, die vor allem aus Asien nach Europa importiert wird, ist extrem schwer zu züchten. Die Pflanze braucht sauerstoffreiches, klares Wasser und eine gewisse Temperatur. Es darf nicht über 20 Grad Celsius haben und nicht unter null. "Das macht es schwierig, Plätze zu finden, an denen man Wasabi anbauen kann. Weltweit sind das nur ganz wenige Regionen", sagt Parapatits.

Der österreichische Wasabi steckt daher auch nicht auf einem Feld in der Erde, sondern gedeiht in einer geschützten Umgebung. Die Pflanzen hängen in einer eigenen Vorrichtung in der Luft und werden regelmäßig mit Wasser und Nährstoffen besprüht. Was sich ein bisschen nach Chemielabor anhört, scheint die beste Methode sein, die begehrte Luxuswurzel anzubauen. Verwendet wird aber nicht nur das sogenannte Rhizom, der Rest der Pflanze ist mindestens genauso wertvoll. "Bis die Wasabiwurzel ausgewachsen ist, dauert es über ein Jahr. Dazwischen können wir aber immer wieder Blätter und Blüten ernten. In den Blättern sind ebenfalls die Senföle enthalten. Diese verarbeiten wir zu Pulver. Die Pflanze wird zu 100 Prozent verwertet. Das hängt auch mit der Indoor-Farming-Methode zusammen. Es gibt keinen Schädlingsbefall oder andere äußere Einflüsse, die der Pflanze schaden können. So können wir auch auf Pestizide oder andere Spritzmittel verzichten", erklärt der Experte.

Mit rund zweieinhalb Tonnen Wurzeln rechnet Parapatits im Jahr. Der Rest, rund fünfeinhalb Tonnen, wird als Pulver oder Extrakt verkauft, das aus Wurzeln, Blättern und Stängeln hergestellt wird. Wasabifans müssen sich aber noch gedulden. Die ersten Wurzeln wird es erst ab Anfang 2020 zu kaufen geben. Bis dahin kann man sich aber mit heimischem Reis, Süßkartoffeln und vielen anderen Dingen über Wasser halten, die es lange Zeit nicht aus regionalem Anbau zu kaufen gab. (Alex Stranig, 19.10.2018)

Foto: istock

Ingwer

In St. Andrä am Zicksee wurde heuer zum ersten Mal Ingwer angebaut.

www.sonnengemuese.at

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Chili

In Wien-Donaustadt baut Georg Kölbl unterschiedliche Chilis an.

www.chilihof.at

Foto: istock

Wasabi

Martin Parapatits züchtet Wasabi in Oberwart. Geerntet wird 2020.

www.phytoniq.com

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Reis

Bei Gregor Neumeyer in Gerasdorf wächst heimischer Reis.

www.oesterreis.at

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Süßkartoffel

Bei Morgentau bekommt man Biosüßkartoffeln aus Oberösterreich.

www.morgentau.at

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Kichererbsen

Herbert Zimmermann baut Biokichererbsen in Kreuzstetten an.

biohof-zimmermann.at

Foto: istock

Gojibeeren

In einem Glashaus in Wien-Simmering gedeihen Gojibeeren.

www.gojibaer.at

Foto: istock

Artischocken

Bei Familie Theuringer im Marchfeld wachsen Artischocken heran.

www.theuringer.at

(Alex Stranig, 19.10.2018)

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