Klaus Luger hat ein Problem mit "roten Traditionalisten".

Alexander Schwarzl

STANDARD: Wie oft hat sich, glauben Sie, Bruno Kreisky in den letzten zwei Wochen im Grab umgedreht?

Luger: Nachdem ich nicht an ein Leben nach dem Tod glaube, wird sich wohl auch der Kreisky nicht bewegt haben.

STANDARD: Aber ist nicht der letzte Funke roter Glaubwürdigkeit nach dem peinlichen Schauspiel rund um den Abgang von Christian Kern verflogen? Wie will man da jetzt wieder Fuß fassen?

Luger: Die Enttäuschung ist sicher groß, und es hat Verletzungen gegeben. Und wir brauchen auch nicht darüber zu diskutieren, dass das kein Glanzstück roter Personalpolitik war. Die Umsetzung war schlecht und hat auch dazu geführt, dass Kerns persönliches Image ramponiert worden ist. Mit dem Schaden müssen wir jetzt leben. Aber es gibt keinen Grund, das Ende der SPÖ einzuläuten.

STANDARD: Noch einmal: Wie will man jetzt wieder Fuß fassen?

Luger: Die jüngsten Querelen sind nicht das größte Problem der SPÖ. Das erste Jahr Türkis-Blau hat gezeigt, dass es für die SPÖ viel schwieriger wird, wieder mehrheitsfähig in der Bevölkerung zu werden. Die Bundesregierung hat gelernt, bei Reformen behutsamer vorzugehen. Und so dauert es länger, die SPÖ-Sicht zu Regierungsentscheidung darzulegen.

STANDARD: Vielleicht ist man aber eigentlich auch nur viel zu sehr mit den steten parteiinternen Problemen beschäftigt.

Luger: Ich will da jetzt gar nichts schönreden. Wir müssen sehr wohl dringend vor der eigenen Haustüre zu kehren beginnen.

STANDARD: Steht an der SPÖ-Spitze mit Pamela Rendi-Wagner aber jetzt nicht jemand, der wenig Hausmacht hat und sich bei nötigen Reformen wohl schwertun wird?

Luger: Pamela Rendi-Wagner ist für mich eine Idealbesetzung. Und diese traditionellen Zugänge von Hausmacht oder nicht sind ohnehin völlig überholt. Es geht jetzt vielmehr darum, ob es Rendi-Wagner gelingt, die SPÖ nach außen so darzustellen, dass wir eine glaubwürdige Alternative zum Mitte-rechts-Kurs der Bundesregierung sind. Und es geht darum, die unterschiedlichen Strömungen in der Sozialdemokratie unter einen Hut zu bringen. Es gilt, auch innerparteilich nicht auszugrenzen, aber auch nicht den Positionen der Ränder nachzugeben.

STANDARD: Auch mit Blick auf das Ergebnis der Wahl in Bayern – wer braucht denn die Sozialdemokratie eigentlich heute noch?

Luger: Das ist eine Frage, die ich mir persönlich auch stelle. Wer braucht in dieser Gesellschaft noch die Sozialdemokratie? Mit Sicherheit ist es für viele Menschen heute nicht mehr so notwendig, eine Sozialdemokratie als Schutzmacht zu haben, wie das vor 40 Jahren der Fall war. Um Lebenschancen zu erwirken, braucht man heute nicht mehr zwingend die SPÖ. Für eine gesellschaftliche Klammer und den Zusammenhalt braucht es hingegen unbedingt eine SPÖ. Allerdings eine, die im 21. Jahrhundert angekommen ist. Eine sozialliberale Bewegung.

STANDARD: Wo steht man aktuell auf dem durchaus steinigen Weg dorthin?

Luger: Es gibt noch einiges zu tun. Vor allem müssen wir als SPÖ endlich aufhören, die Menschen zu bevormunden. Wir brauchen ein differenziertes Herangehen an nötige Reformen. Wenn rote Traditionalisten bei Themen wie der 60-Stunden-Woche auf Knopfdruck "Nein" schreien, bringt uns das nicht weiter. In einer veränderten Arbeitswelt braucht es neue Arbeitszeitmodelle. Die Pläne der Bundesregierung zielen allerdings auf eine Aushöhlung der Rechte der Arbeitnehmer ab. Und da müssen wir als SPÖ ein gerechtes Gegenmodell auf den Tisch legen. Ähnlich bei dem Thema Mindestsicherung: Flüchtlinge sollen aus dem System der Mindestsicherung herausgenommen werden und in einem eigenen sozialen Netz verstärkt mit Sachleistungen und Integrationsangeboten unterstützt werden. Aber dafür gibt es in der SPÖ halt wenig Applaus. Aber: Nur pfui rufen ist kein Parteiprogramm.

STANDARD: Apropos Parteiprogramm. Eigentlich hätte die SPÖ bei ihrem auf November verschobenen Parteitag eine Statutenreform beschließen sollen. Die neue Parteiführung nahm die Reformpläne aber zurück. Verstehen Sie diese Entscheidung?

Luger: Ich bin sogar froh darüber. Mit Verlaub, das geplante Reformpapier ist bestenfalls oberflächlich. Im Parteiprogramm stehen doch keine konkreten Inhalte drinnen. Die Reformvorschläge sind aus meiner Sicht unausgegoren, manche Idee ist an der Grenze zur Idiotie.

STANDARD: Sehen das etwa die steirischen Genossen entschieden anders und wollen an dem Reformpaket festhalten wollen.

Luger: Ich kann der neuen Parteichefin nur dringend raten, den Plan A nicht wegzulegen. Darin sind echte Zukunftsperspektiven festgehalten. Die Menschen konnten folgen, und es gab viele Punkte, die an roten Dogmen gerüttelt haben. Dort wären die wichtigen Parameter drinnen.

STANDARD: Aber der Plan A ist doch untrennbar mit Christian Kern verbunden.

Luger: Er hat den Plan A nicht allein in der Nacht geschrieben. Also wo ist das Problem? (Markus Rohrhofer, 17.10.2018)