Beim Einzug auf die Wiesn und das Oktoberfest winkten Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und seine Frau Karin noch wie ein Monarchenpaar.

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Der Mann auf der Bühne wirkt nicht sehr glücklich. Sorgenvoll schweift sein Blick über die Festhalle im oberbayerischen Fischbachau. Diese schaut aus wie in der Werbebroschüre: Dirndl-Kellnerinnen servieren dampfende Schweinsbraten, Trachtenhutträger prosten sich mit Bier zu. Von der hölzernen Balustrade hängen Kästen mit üppigen bunten Blumen.

Er hätte sich schon "a paar mehra Leit" gewünscht, bekennt der örtliche CSU-Funktionär. Aber leider, die Halle ist nur halbvoll. Das ist dem Herren ein bisschen peinlich, schließlich tritt gleich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf. Wie üblich erscheint dieser zu den flotten Klängen des bayerischen Defiliermarsches. Müde wirkt er und auch nicht recht froh angesichts der vielen leeren Tische. Aber: The Show must go on. Am Sonntag wird gewählt.

Ochsentour durch Bierzelte

Unzählige Volksfeste, Bierzelte und Hallen hat der 51-Jährige aufgesucht, um seine Botschaft unter die Leute zu bringen: "Bayern geht es gut, Bayern funktioniert." Wie gut, das erklärt man am besten mit einem Vergleich und bemüht ein altes Feindbild. "In Berlin", sagt Söder, "können sie ja nicht einmal einen Flughafen bauen." Haha, das kommt an in Oberbayern.

Aber scharf wird Söder nicht wirklich. Einst hatte der Franke keine Berührungsängste mit dem verbalen Holzhammer. Von "Asyltourismus" sprach er, wenn es um Flüchtlinge ging; und noch früher, als er Generalsekretär war, stänkerte er gegen jede Konkurrenz.

"Bayern first" hat ausgedient

Doch seit März hat Söder seinen Traumjob, er ist Herr über die bayerische Staatskanzlei, und als solcher will er den Landesvater geben. Deshalb kommen ihm in diesem Wahlkampf Sätze über die Lippen, die man früher nie zu hören bekommen hätte. "Es soll nicht Bayern first heißen", sagt Söder und erklärt, warum: "Das hieße ja, die Bayern sind schöner und schlauer als andere."

Kurz grinst er so, als wolle er noch nachschieben, dass ohnehin jeder wisse, wer der Allerschlaueste und -schönste sei. Aber dann lässt er es. Denn sein Motto heißt jetzt: "Wir kümmern uns." Um Kinder, um Eltern, um Lehrer, sogar um Flüchtlinge – wenn sie sich integrieren, und auch um arme deutsche Bundesländer, die via Finanzausgleich vom bayerischen Wohlstand profitieren.

Wohlstand alleine genügt nicht

Den gibt es – unbestritten. Im Land herrscht die niedrigste Arbeitslosigkeit (2,9 Prozent) Deutschlands, Bayern hat die höchste Kaufkraft und belegt bei Vergleichen der Schulleistung regelmäßig Spitzenplätze.

Doch es scheint, als sei dies alles für viele Bayern selbstverständlich geworden, ebenso die finanziellen Wohltaten der CSU wie Pflege-, Familien- und Baukindergeld. Schwerer wiegt für viele das Verhalten der CSU in den vergangenen Monaten. "Anständig regieren sollen s', sie werden ja mit unserem Geld bezahlt. Aber sie führen sich auf wie Halbstarke", klagt eine ältere Dame in Fischbachau. Der ewige Streit mit Berlin, der dauernde Konflikt zwischen Söder und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer, das sei ein "grausliches Theater", sagt sie.

Söder gibt hundert Prozent

Apropos Theater: Söder schaut jetzt treuherzig von der Bühne und verspricht: "Ich gebe einhundert Prozent." Denn Bayern solle so einzigartig und besonders bleiben, wie es ist. "Ich möchte keine Zersplitterung und Zerfaserung", ruft er und meint damit, dass er nicht so viele Parteien im Landtag haben will. Denn vor allem gehe es um eines: "Wir wollen hier keine Berliner Verhältnisse."

Ein bisschen bemitleidet er sich selbst: "Noch nie hat einer als Ministerpräsident so wenig Zeit gehabt wie ich", sagt er. Es hatte allerdings auch noch keiner so schlechte Umfragewerte. Später, vom STANDARD gefragt, wie die CSU das Ruder herumreißen wolle, meint er: "50 Prozent sind bis kurz vor der Wahl noch unentschlossen. Auf die setzen wir."

Sebastian Kurz als Wahlkampfhelfer

Aber eigentlich weiß jeder, dass die absolute Mehrheit verloren ist, und so gifteln sich Söder und Seehofer kurz vor der Wahl über die Medien an. "Das sind natürlich alles Zahlen, die unglaublich geprägt werden durch die Berliner Politik", sagt Söder beim Bild-Talk über die schlechten Umfragewerte. "Ich habe mich in den letzten sechs Monaten weder in die bayerische Politik noch in die Wahlkampfführung eingemischt. Das ist das persönliche Vorrecht des Ministerpräsidenten", erwidert Seehofer in der Süddeutschen. (Birgit Baumann, 12.10.2018)