Gottfried Haber sieht auch jede Menge Entwicklungsbedarf beim Pensionssystem.

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Wien – Der neue Fiskalratspräsident Gottfried Haber rät der Politik zu mehr Eifer bei langfristigen Reformen in den Bereichen Pensionen, Gesundheit und Pflege. Bei den Pensionen sei Österreich eines der wenigen Länder in Europa, das keine oder nur wenige Stabilitätsmechanismen eingeführt habe. "Hier besteht mittelfristiger Handlungsbedarf", sagte Haber im Antrittsinterview mit der APA.

Haber mahnt zudem, dass für die versprochene Steuerreform der budgetäre Spielraum erst geschaffen werden müsse. Eine langfristig nachhaltige Gestaltung von Pensionssystemen sei europaweit eine Herausforderung. Der Trend gehe dabei verstärkt in die Richtung, dass sich Pensionssysteme bei den Auszahlungen stärker an den Einzahlungen orientieren. Österreich sei eines der wenigen Länder, die keine oder nur wenige Stabilitätsmechanismen eingeführt hätten. Hier gebe es "sehr viel Entwicklungsbedarf". Man hätte sich schon in den letzten Jahren und Jahrzehnten mehr mit dem Pensionssystem beschäftigen müssen, sagte der 45-jährige Ökonom.

Strukturelle Maßnahmen

Was die 2020 geplante Steuerreform betrifft, warnt Haber wie Wifo und IHS, dass man dafür zuerst durch strukturelle Maßnahmen den budgetären Spielraum schaffen müsse. "Die Budgetentwicklung ist besser als erwartet. Damit sind die Spielräume größer geworden. Die Konjunktursituation macht eine Steuerreform unmittelbar in nächster Zeit ohnehin nicht erforderlich oder sinnvoll. Das ist etwas, das man für die nächsten Jahre vorbereiten sollte." Wichtig sei dabei, "dass die Stabilitätskriterien eingehalten werden". Das sei der Garant dafür, dass man langfristig Spielräume habe. In Zeiten der Hochkonjunktur solle man das Budget in Ordnung bringen. "Dieser Kurs muss beibehalten werden."

Neben einer Steuerreform seien noch viele Themen wie die langfristige Frage der Pflegefinanzierung sowie die Absicherung des Gesundheits- und des Pensionssystems zu lösen, mahnt Haber. "Wenn das gelingt, wird in Abhängigkeit von der Konjunktursituation ein größerer oder kleinerer Spielraum für eine Steuerreform da sein." Das von der Regierung angestrebte Absenken der Steuer- und Abgabenquote hält Haber für sinnvoll, aber nur, wenn die budgetären Möglichkeiten dafür vorhanden seien. "Das wichtigste sind stabile Staatsfinanzen. Aus heutiger Sicht kann man nicht seriös abschätzen, welches Volumen für eine Steuerentlastung zur Verfügung stehen wird." Die Regierung sprach zuletzt von einem "hohen einstelligen Milliardenbetrag". Er würde den umgekehrten Weg gehen und nicht eine Größe festlegen, sondern zunächst überlegen, welche Maßnahmen sinnvoll wären und im nächsten Schritt die Budgetbelastung dafür berechnen.

Kein Kommentar zur Erbschaftssteuer

Zur umstrittenen Senkung der Körperschaftssteuer und einer Erbschaftssteuer, wie sie zuletzt vom langjährigen Erste Group-Chef Andreas Treichl gefordert wurde, wollte sich Haber nicht inhaltlich äußern. Er meinte nur allgemein, dass alle Komponenten zur Disposition stehen sollten, wenn man das Steuersystem optimieren will. Hier sollten aber auch Transferleistungen und der Sozialversicherungsbereich miteinbezogen werden. "Wenn man ehrlich ist, müsste man sich alle diese Komponenten anschauen. Apriori würde ich keinen Bereich ausnehmen. Ich bin gegen Denkverbote. Zentral wäre, dass man ein stimmiges Gesamtkonzept entwickelt und das Steuersystem, das Transfersystem und das Sozialversicherungssystem in einem betrachtet und ein nachhaltiges, transparentes, einfaches und zielsicheres System schafft", so Haber.

Haber möchte den Fiskalrat in einigen Punkten modernisieren. So sollen unterschiedliche Standpunkte innerhalb des Gremiums in den Berichten abgebildet werden. Bisher wurden Berichte in der Regel einstimmig verabschiedet, was manchmal eher allgemeine Formulierungen zufolge hatte und die differenzierten Fachdiskussionen nicht ausreichend abbilden konnte.

Die Kritik von SPÖ und Liste Pilz, die Haber ÖVP-Nähe vorgeworfen haben, nimmt der Ökonom gelassen. Er habe immer wieder Meinungen vertreten, die nicht jenen der Regierung entsprochen haben. (APA, 10.10.2018)