Beispiel für ein Pressefoto, das aus dem Bundeskanzleramt kommt: Spaniens König Felipe VI. und Kanzler Sebastian Kurz am 12. September 2018 anlässlich eines offiziellen Treffens in Madrid.

Foto: APA/BUNDESKANZLERAMT/DRAGAN TATIC

Kurz mit dem französische Präsidenten Emmanuel Macron, fotografiert von Dragan Tatic.

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Sebastian Kurz spricht, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hört zu.

Foto: APA/BUNDESKANZLERAMT/DRAGAN TATIC

Wien – Vom Papst bis zum UN-Generalsekretär: Die ganze Welt lauscht Sebastian Kurz. Helge Fahrnberger vom Medienwatchblog "Kobuk" sezierte am Dienstagabend bei einer Podiumsdiskussion zum Thema "Message-Control", wie politische PR-Bilder Eingang in die mediale Berichterstattung finden und den politischen Diskurs dominieren. Auffällig sei jedenfalls, dass der Kanzler und ÖVP-Chef auf seinen Pressefotos fast immer als aktiver Part zu sehen ist: "Es spricht immer Kurz."

Fahrnberger zeigte zu Beginn der von Presserat und Concordia veranstalteten Diskussion mehrere Beispiele, wie es PR-Bilder in die Zeitungen schaffen. Eines davon ist ein Foto, das der "Kurier" in einem redaktionellen Artikel veröffentlichte. Zu sehen sind junge Menschen, die sich um Sebastian Kurz scharen. "Der feuchte Traum eines Werbefotografen der ÖVP", sagt Fahrnberger. Im Fotocredit wird auch ersichtlich, warum: Das Bild stammt von der Jungen ÖVP – dokumentiert ist der Großteil der Sammlung auf kobuk.at.

Ohne Foto keine Geschichte

Ein anderes Beispiel sei jenes Foto, das den damaligen Außenminister Kurz beim Papst zeigt und das sowohl der "Kurier" als auch die "Krone" gedruckt hatten. Gemacht hat es Kurz-Fotograf Dragan Tatic. Ohne dieses Foto wäre es keine Geschichte gewesen, sagt Fahrnberger. Ganz generell lasse sich sagen: "Medien sollen keine PR-Bilder verwenden." Schon gar nicht kontextlos, also ohne diese Inszenierung zu thematisieren.

Sommer 2015: Kurz zeit dem Papst, wo es langgeht, lautet die Botschaft.
Foto: APA/APA/AUSSENMINISTERIUM/DRAGAN TATIC

Solche Inszenierungen seien aber keineswegs auf Sebastian Kurz beschränkt, auch SPÖ-Chef Christian Kern ließ sich von seinem eigenen Fotografen gekonnt in Szene setzen. Ein Ergebnis war beispielsweise ein Foto, auf dem Kern, damals noch Kanzler, in seinem Büro gegen einen Fußball tritt. Das Bild wurde in mehreren Medien – auch dem STANDARD – veröffentlicht.

Kick it like Kern.
Foto: APA/Bundeskanzleramt/Andy Wenzel

Ein weiteres negatives Beispiel sei der gemeinsame Flug des ÖVP-FPÖ-Regierungsteams nach Brüssel gewesen. Das Foto aus der Holzklasse wurde zwar nicht von einem Fotografen der Regierung aufgenommen, sondern von einem der APA, dennoch: Es war auf beinahe allen Titelseiten zu sehen. "Das ist Inszenierung", kritisiert Fahrnberger: Gäbe es keine Fotografen, würde Kurz nicht Economy fliegen. Ums Sparen gehe es der Regierung dabei nicht, sagt der "Kobuk"-Gründer und verweist auf die Kosten für das große Kommunikationsteam der türkis-blauen Koalition.

Das Foto, das auf der Titelseite vieler Medien war – fotografiert von Roland Schlager von der APA.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Dem widerspricht Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal. Bei dem Ausflug nach Brüssel sei das Programm des Ratsvorsitzes präsentiert worden. "Das ist nicht inhaltsleer." Eine der Stärken des Kanzlers sei, dass er authentisch ist: "Das ist nicht gestellt", sagt Launsky-Tieffenthal. "Der Kanzler reist immer in der Holzklasse."

Fotografen hätten die Macht, Botschaften zu verstärken, räumt Launsky-Tieffenthal ein, betont aber zugleich, dass die PR-Bilder der Regierungsfotografen eine Art Serviceeinrichtung seien: "Wir wollen Fotos zur Verfügung stellen." Ob sie auch genommen werden, liege in der Hand der Medien.

Medien könnten ja Fotografen mitschicken

Den Kanzler auf seinen Reisen zu begleiten sei nicht jedes Mal nur einem exklusiven Zirkel vorbehalten, sagt Launsky-Tieffenthal: "Fotografen sind aber heute oft aus ökonomischen Gründen nicht mehr Teil der Reise." Sie könnten ja mitfliegen, um eigene Fotos zu schießen. Das bestätigt auch Kurz-Fotograf Tadic: "Das sind alles medienöffentliche Termine." Dass bei Pressereisen selten Fotografen anderer Medien dabei sind, dafür könne er nichts: "Ich bin oft genug mit Redakteuren auf Reisen, die sagen: Ich brauche ein Foto." Dass das dann kein Meuchelfoto wird, liege auf der Hand, aber: "Es gibt nicht nur die Situation, dass Kurz die Welt erklärt."

Für seine Arbeit bekam Tadic viel Lob von den Diskutanten. Er selbst habe kein Team im Hintergrund, "das sagt: das ja, das nein"; es gehe um "das fotografische Gespür, was gut und schlecht ist". Tendenziell gut seien eher Fotos, die aktive Politiker zeigen.

Kurz immer bei der Arbeit, Vassilakou gemeuchelt

Service, wie es das Kanzleramt versteht, sei grundsätzlich etwas Positives, meint die Politikwissenschafterin Petra Bernhardt, die sich auf visuelle Kommunikation spezialisiert hat: "Ich zeige her, was ich tue." Diese Botschaften hinterfragen müssten schließlich die Journalisten. Die Botschaft, die Kurz mit seinen Fotos vermitteln wolle, sei klar: "Wir sehen ihn nicht, wie er schläft, wie er sich ausruht, sondern er ist permanent beim Arbeiten."

Sehe man sich beispielsweise jene Fotos an, die etwa die "Kronen Zeitung" von Wiens grüner Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou nimmt, verstehe sie den Wunsch, das Bildmaterial zu kontrollieren: "Hier wurden Meuchelfotos ausgewählt, die katastrophal sind." Mit Fotos wird Politik gemacht.

"Kinder sind gefährlich für Fototermine"

Das gelte auch, wenn die Regierung zu "Pseudoereignissen" bitte, etwa wenn Mitarbeiter im Ministerium ihre Kinder mitbringen, um den Familienbonus für Medien zu inszenieren, oder wenn zu einer Pressekonferenz in einem Kindergarten geladen werde. Dass so etwas auch in die Hose gehen kann, erzählt "Kurier"-Fotograf Jürg Christandl. Als Maria Rauch-Kallat (ÖVP) Familienministerin war, ließ sie sich bei einem Pressetermin mit Kindern fotografieren. Eines hat dann ordentlich geweint: "Das war dann auf der Titelseite des 'Kurier'", sagt Christandl. "Kinder sind gefährlich für Fototermine."

Die Aufgaben von PR- und Pressefotografen seien komplett unterschiedlich: Während die einen ihren Auftraggeber gut aussehen lassen müssen, versuchten Pressefotografen solche Inszenierungen nach Möglichkeit zu unterlaufen. Das gelinge aber nicht immer: "Österreichs Medien haben leider ein sehr schlampiges Verhältnis zu Propagandafotografie." PR-Fotos hätten in Zeitungen nichts verloren, außer vielleicht, wenn sie wie Zigarettenpackungen mit Warnhinweisen versehen werden. "Das ist kein Problem der Regierung, sondern der Medien."

Macht der Bilder vielen Redakteuren nicht bewusst

Dass viele Medien keine eigenen Fotografen mehr entsenden, sei vielfach der wirtschaftlich schwierigen Situation geschuldet. "Ich bin heilfroh, wenn jemand von der APA dabei ist", sagt Christandl. "Der Flieger ist voll mit Journalisten, aber kein einziger Fotojournalist ist dabei." Er ortet bei Redakteuren selbst mangelndes Bewusstsein in puncto Bildauswahl: "Viele wissen gar nicht, dass sie Regierungsbilder verwenden." Ihnen sei nicht bewusst, welche Macht Bilder haben: "Es ist problematisch, wenn sich Zeitungen unreflektiert an der Imagebildung von Kandidaten beteiligen."

Der "Kurier"-Fotograf kritisiert in diesem Zusammenhang auch die APA, die solche Fotos als journalistische Bilder legitimiere, indem sie über den Nachrichtendienst ausgespielt werden. Katharina Schell, Mitglied der APA-Chefredaktion, weist darauf hin, dass die APA solche Fotos mit dem Wort "Handout" klar kennzeichne – in Großbuchstaben.

Auch STANDARD-Fotograf Matthias Cremer sieht weniger die Regierung in der Kritik als vielmehr die Medien in der Pflicht: "Es ist ihre Sache, dass sie diese Fotos verwenden und wie sie diese Fotos verwenden." Er hält ganz grundsätzlich fest, dass Pressefotografen Journalisten sind: "Das ist keine PR-Arbeit." (Oliver Mark, 10.10.2018)