Ein Superlativ war dem Pixel 3 (XL) schon vor seinem Start sicher: Noch nie zuvor ist ein Smartphone vor seiner offiziellen Enthüllung so dermaßen ausführlich "durchgesickert". Der Umstand, dass schon Wochen vorab erste Hands-ons kursierten, regte dabei die Fantasie so mancher Beobachter an: All das sei nur eine schlaue Ablenkungsstrategie, um von den eigentlich zur Enthüllung gedachten Smartphones abzulenken – die natürlich ganz anders aussehen sollen. Am Dienstagabend stellte sich dann allerdings heraus, dass die Realität doch kein Groschenroman ist, und so gibt es nun exakt das, was zu erwarten war: Pixel 3 und Pixel 3 XL.

Disclaimer

Der STANDARD konnte im Rahmen eines Presseevents bereits erste Erfahrungen mit den neuen Smartphones sammeln. Bevor es zu den daraus resultierenden Eindrücken geht, sei aber noch ein Disclaimer vorangestellt: Der Rahmen so einer Veranstaltung ist sowohl zeitlich als auch räumlich stark begrenzt. Das heißt, dass das Folgende wirklich nur als erster Eindruck zu verstehen ist. Aussagen über die Akkulaufzeit lassen sich in so einem Setting aus recht verständlichen Gründen nicht tätigen, auch die Kameraqualität lässt sich nur begrenzten Tests unterziehen. Für all diese Details sei auf den vollständigen Test verwiesen, der zu einem späteren Zeitpunkt folgen wird. Zudem soll sich dieses Hands-on vor allem auf subjektive Eindrücke konzentrieren, wer all die Spezifikation im Detail nachlesen will, kann dies im Artikel zur Produktankündigung tun.

Die beiden Neuen: Pixel 3 und Pixel 3 XL.
Foto: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Notch, Notch, Notch

Im Vorfeld der Präsentation der neuen Google-Smartphones gab es in den einschlägigen Foren eigentlich nur ein Thema, und das heißt: "Notch". Hat sich doch Google beim Pixel 3 XL nicht nur für einen solchen Display-Ausschnitt entschieden, sondern lässt ihn auch noch besonders groß – oder genauer: hoch – ausfallen. Und tatsächlich fällt dies bei der ersten Nutzung sofort auf. Die wichtigste Konsequenz ist, dass der Statusbereich nun fast doppelt so hoch ist. Ob das ein Ausschlussgrund für das XL-Modell ist, muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden, das ist eine Frage des individuellen Geschmacks. Für absolute Notch-Hasser gibt es aber auch eine gute Nachricht: In den Entwicklereinstellungen findet sich nämlich eine versteckte Option, über die der Notch komplett ausgeblendet werden kann. Dann sieht das Pixel 3 XL exakt so aus wie ein Pixel 2 XL. Oder aber man greift gleich zum kleineren Pixel 3, das ohne all diese kontroversen Entscheidungen auskommt.

Bei Fullscreen-Videos schneidet der Notch ein ordentliches Teil aus dem Geschehen.
Foto: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Beiden gemein ist eine hervorragende Verarbeitung und ein ebensolches Gefühl in der Hand. Dabei wirkt die aktuelle Hardwaregeneration zunächst sehr ähnlich zum Pixel 2 XL. Bei näherer Betrachtung zeigen sich dann aber doch einige Unterschiede. Der wichtigste: Die Rückseite ist nun aus einem durchgängigen Stück Glas gehalten. Auf den ersten Blick würde man das aber nicht erkennen, da der Großteil über einen chemischen Prozess aufgeraut wurde. Zudem fällt die seitliche Abrundung beim Bildschirm nun wesentlich kleiner aus – im Gegenzug geht das Display nun deutlich weiter an den Rand. Auf der Rückseite ist es hingegen anders, hier ist das Gerät nun stärker abgerundet. Die Buttons bieten einen guten Klickpunkt, ein Design-Highlight ist, dass diese bei einzelnen Varianten wieder farbig gehalten sind – ein nettes Detail.

Display

Ein großer Kritikpunkt am Pixel 2 XL war das Display. Insofern erfreut die folgende Nachricht: Die beiden neuen Smartphones zeigen keine solchen Defizite, obwohl das Display wieder von LG geliefert wird. Im direkten Vergleich zeigt sich der Fortschritt vor allem beim Kippen des Bildschirms, wo das Pixel 2 XL ein deutliche Blauverschiebung zeigt – was bei den neuen Geräten nicht der Fall ist. Für eine vollständige Beurteilung der Bildschirmqualität bräuchte es allerdings einen längeren Testzeitraum und vor allem eine Analyse jenseits des Kunstlichts der Google-Veranstaltung. Der erste Eindruck ist aber schon einmal sehr positiv. Was allerdings auch auffiel, ist, dass die Darstellung zwischen Pixel 3 und 3 XL leichte Unterschiede zeigt. Das Display des kleineren Modells wirkte etwas kräftiger beziehungsweise mit höherem Kontrast. Hier zeigt sich wohl nicht zuletzt, dass für beide Geräte unterschiedliche Panels verwendet werden, hat das XL-Modell doch eine höhere Auflösung. Die Experten von Display Mate scheinen mit dem Ergebnis der Google'schen Optimierungen jedenfalls zufrieden zu sein und vergeben eine "A+"-Bewertung für die Displays von Pixel 3 und Pixel 3 XL.

Das Pixel 3 in der neuen drahtlosen Ladestation – genannt Pixel Stand.
Foto: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Doch noch einmal zurück zur Rückseite: Der Wechsel von Metall auf Glas hat nämlich einen guten Grund, ermöglicht dies doch drahtloses Laden. Dabei wird Fast Wireless Charging unterstützt, der extern erhältliche Pixel Stand liefert denn auch zehn Watt.

Kamera

Als besondere Stärke seiner Smartphones bewirbt Google die Kamera. Für ein abschließendes Urteil ist es in dieser Hinsicht natürlich noch viel zu früh, aber: Der Ersteindruck ist auch hier sehr, sehr gut. Im direkten Vergleich liefert das Pixel 3 noch einmal bessere Bilder als sein Vorgänger, was nicht zuletzt durch einen neuen Kamerachip möglich wird. Zudem sind aber auch zusätzliche, durchaus spannende Sensoren hinzugekommen. So gibt es nun einen Spektral- und Flimmersensor, der einerseits den Weißabgleich weiter verbessern, aber auch das Flimmern bei Kunstlicht verhindern soll. Dabei werden dann die Videoaufnahmen automatisch mit der Frequenz des Lichtes synchronisiert.

Die Kamera soll auch beim Pixel 3 wieder das große Highlight werden.
Foto: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Bei der neuen Kamera gefällt vor allem das Topfoto-Feature. Sieht das Smartphone, dass das aktuelle Foto nicht optimal geworden ist, sucht es nach einem besseren Moment kurz davor oder danach – und bietet diesen dann alternativ zum Speichern an. Möglich ist dies, weil die Kamera rund um die eigentliche Aufnahme auch einige weitere Frames aufnimmt. In einem kurzen Test funktionierte dies tatsächlich sehr gut. Der versprochene "Super Zoom" ist hingegen in Wirklichkeit ein verbesserter digitaler Zoom. Er zeigt vor allem erheblich weniger Rauschen, als bei einem gleichen Zoom am Pixel 2 XL zu sehen ist, die Details wirken dafür etwas flächig – Wunder wie bei CSI gibt es eben nicht.

Warten auf die Nachtsicht

Das Gruppenselfie-Feature tut, was es verspricht – eine Weitwinkelaufnahme machen. Die Fotobox-Funktion, bei der automatisch anhand des Gesichtsausdrucks der abgebildeten Personen ausgelöst wird, verbuchen wir einmal unter Gimmick. Funktionieren tut sie aber natürlich. Das wohl spannendste neue Feature für die Kamera konnte hingegen noch nicht ausprobiert werden: Die "Nachtsicht" soll nämlich erst mit einem Update im November nachgereicht werden, betont Google. Die von dem Unternehmen gelieferten Demofotos sehen allerdings wirklich geradezu verblüffend gut aus. Gleichzeitig darf aber nicht vergessen werden, dass diese handverlesen wurden – und von Profis stammen.

Zu den neuen Fotofeatures gehören Verbesserungen am Porträtmodus, die hier etwa genutzt werden, um den Hintergrund in Graustufen zu tauchen.
Foto: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Ein unverständliches Defizit der Kamera ist hingegen, dass der 4K-Videomodus auf 30 Frames pro Sekunde reduziert ist, obwohl der Prozessor eigentlich auch 60 zulassen würde. Die Performance der neuen Smartphones war wie zu erwarten absolut top – in dieser Hinsicht macht kein anderer Android-Hersteller Google etwas vor. Und noch ein weiteres Detail: Beide Geräte weisen neben dem Nano-SIM-Slot auch eine E-SIM auf. Und im Gegensatz zum Vorjahr, wo sie auf Googles eigenes Project Fi beschränkt war, soll diese heuer auch wirklich genutzt werden. So soll etwa die Deutsche Telekom die E-SIM des Pixel 3 unterstützen. Ob hier eine wirklich parallele Nutzung zur Nano-SIM möglich ist, konnte aber keiner der anwesenden Google-Vertreter beantworten.

Fazit

Der Ersteindruck von Pixel 3 und Pixel 3 XL fällt durchaus positiv aus. Die ganz großen Neuerungen gibt es bei Smartphones zwischen einzelnen Hardwaregeneration zwar ganz generell nicht mehr. Google hat aber viele sinnvolle Detailverbesserungen vorgenommen. Der Bildschirm ist merklich besser, die Kamera verspricht einmal mehr die beste im Smartphone-Feld zu werden. Es gibt nun drahtloses Laden und sogar einen eigenen Sicherheitschip, um die Daten der Nutzer besser zu schützen. Die Verarbeitung der Google-Geräte wird von Jahr zu Jahr besser. Das Unternehmen lernt also von Jahr zu Jahr dazu. Weniger gefällt hingegen, dass der Support-Zeitraum weiter nur drei Jahre beträgt. Es wäre an der Zeit, dass Google hier einmal mit Vorbild vorangeht und mehr liefert.

Der Beweis: Das Pixel 3 XL kann auch ganz ohne Notch benutzt werden. Erst bei näherer Betrachtung sieht man dann den Trick.
Foto: Andreas Proschofsky / DER STANDARD

Freilich gibt es bei alldem noch eine nicht zu unterschätzende Hürde für österreichische Interessenten: Pixel 3 und Pixel 3 XL gibt es nämlich vorerst nur in 13 ausgewählten Ländern – zu denen Österreich nicht zählt. Wer sie also haben will, muss sie entweder aus Deutschland besorgen oder darauf warten, dass ein Händler den Import übernimmt. Trotzdem gilt, was dazu schon vergangenes Jahr gesagt wurde: Für ein Unternehmen der Größe Googles ist diese Erweiterung der Verfügbarkeit der eigenen Geräte auf Zeitlupenniveau einigermaßen peinlich.

Der Preis kann sich ebenfalls sehen lassen, liegt aber auch im Rahmen dessen, was heutzutage so im Premiumbereich verlangt wird: Das Pixel 3 gibt es mit 64 GB lokalem Speicherplatz um 849 Euro, das Pixel 3 XL um 949 Euro. Für die Variante mit 128 GB sind dann jeweils noch 100 Euro aufzuschlagen. (Andreas Proschofsky, 10.10.2018)