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Jamal Khashoggi, als er am Dienstag vor einer Woche das saudische Konsulat in Istanbul betritt.

Foto: CCTV / Hurriyet via AP

Nach einer knappen Woche fühlte sich auch der US-Präsident bemüßigt, seine "Sorge" über das Schicksal von Jamal Khashoggi auszudrücken: Am Dienstag war es eine Woche her, dass der in den USA lebende saudi-arabische Journalist das saudische Generalkonsulat in Istanbul betreten hatte und danach nicht mehr gesehen wurde. Jedenfalls behauptet das seine türkische Lebensgefährtin Hatice C., die vergeblich vor dem Gebäude auf ihn wartete.

Die "Washington Post", in der Khashoggi, seit er 2017 Saudi-Arabien verlassen hatte, seine kritischen Kolumnen schrieb, veröffentlichte am Dienstag ein Foto, das den 59-Jährigen beim Betreten des Konsulats zeigt. Laut dem saudischen Generalkonsul in Istanbul hat er es nach kurzer Zeit wieder verlassen: Bilder davon gibt es bisher allerdings nicht.

Irgendwelche Belege für die aus dem Umkreis der türkischen Behörden stammenden Gerüchte, Khashoggi sei am Dienstag von einem aus Saudi-Arabien angereisten Spezialkommando im Konsulatsgebäude ermordet, seine Leiche zerstückelt und abtransportiert worden, stehen aber auch noch immer aus.

"Transparenz" gefordert

Saudi-Arabien hat zugesagt, das Gebäude von den türkischen Ermittlern untersuchen zu lassen – was damit konkret gemeint ist, eine Begehung oder echte forensische Untersuchungen, war allerdings nicht sofort klar. Nach Donald Trump meldete sich am Dienstag auch US-Außenminister Mike Pompeo zu Wort, um Saudi-Arabien zur Zusammenarbeit bei einer "gründlichen Untersuchung" und zur "Transparenz" aufzufordern, was deren Ergebnisse betrifft.

Während sich die türkischen Medien auf Saudi-Arabien eingeschossen haben, hält sich Präsident Tayyip Erdoğan noch immer eher zurück. Er hat die Medienberichte, die von der Ermordung Khashoggis als Gewissheit sprechen, nicht bestätigt. In der regierungsnahen Tageszeitung "Yeni Safak" beschreibt der für seine wilden Thesen bekannte Chefredakteur Ibrahim Karagül den mutmaßlichen Mord als große Verschwörung, in der neben den Saudis auch Israel, die Vereinigten Arabischen Emirate und vielleicht auch westliche Geheimdienste involviert sind. Möglicherweise sei es israelisch-emiratischer Plan, die türkisch-saudischen Beziehungen zu ruinieren: ähnlich, wie die Terrororganisation von Fethullah Gülen 2015 ja einen russischen Militärjet abgeschossen habe, um die türkisch-russischen Beziehungen zu stören (er wurde von der türkischen Luftwaffe abgeschossen, Anm.).

Der Wahnsinn hat sozusagen Methode: Die türkisch-saudischen Beziehungen sind schlecht, aber vor einem völligen Bruch schreckt man immer wieder zurück: Deshalb ist es nützlich, in Betracht zu ziehen, dass auch jemand anderer schuld sein könnte.

Die heftigsten türkischen Attacken gab es rund um die US-Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt und die Verlegung der US-Botschaft dorthin: Saudi-Arabien – und damit dem Königshaus – wurde für seine halbherzigen Reaktionen darauf von türkischen Kommentatoren die Legitimation abgesprochen, die heiligen islamischen Stätten zu verwalten. Erdoğan selbst machte sich über die Versuche von Kronprinz Mohammed bin Salman lustig, einen "moderaten Islam" zu propagieren.

Auf entgegengesetzten Seiten

Die Türkei und Saudi-Arabien befinden sich zuletzt fast immer auf entgegengesetzten Seiten: Ein Knackpunkt war Ägypten, wo die Türkei 2013 den von Saudi-Arabien unterstützten Sturz des Muslimbruders Mohammed Morsi als Putsch gegen einen rechtmäßigen Präsidenten ablehnte. Die türkisch-ägyptischen Beziehungen bleiben angespannt.

In Syrien sind zwar sowohl Ankara als auch Riad gegen das Assad-Regime, haben aber stets unterschiedliche Gruppen unterstützt. Die Versuche der Türkei, im Nachkriegssyrien Fuß zu fassen, rufen in Riad – wie bei vielen Arabern – tiefes Misstrauen hervor. Sie werden als Anspruch auf ehemalige osmanische Gebiete verstanden. Neoosmanische Gelüste werden den Türken auch am Roten Meer vorgeworfen, wo sie im Sudan den alten osmanischen Hafen Suakin wiederbeleben.

Am tiefsten ist die Kluft, was Katar betrifft: Im Konflikt Dohas mit Riad und Abu Dhabi steht die Türkei klar auf der Seite Katars: Das wird interpretiert als ein Versuch der Muslimbrüder, sich am Golf festzusetzen. Dazu kommt, dass die Türkei in Katar auch einen Militärstützpunkt hat. (Gudrun Harrer, 9.10.2018)